Geburtsgeschichte, Julia, Gast-Mummy, The day that...

Julia ist nicht nur eine der besten Freundinnen von Camilla, sie hat auch dafür gesorgt, dass Camilla in ihrer Schwangerschaft schon alles wusste, was es zu wissen gab! Sie ging wahnsinnig positiv durch die Schwangerschaft und versprühte sehr viel Optimismus. Und obwohl die Geburt ihres kleinen Levis plötzlich brenzlig wurde und im OP mit einem Notfall-Kaiserschnitt endete, würde sie beim nächsten Mal nix anders machen…

Ich hatte eine herrlich unkomplizierte Schwangerschaft, die ich bis zum Ende in vollen Zügen genossen habe. Wie durch ein Wunder konnte ich noch in der 14. Woche eine der beliebtesten Beleghebammen Berlin’s für mich gewinnen. Ich passte am Ende noch in meine Schuhe und konnte mich frei bewegen. Selbst eine Woche vor der Entbindung fuhr ich noch im Auto durch die Gegend und ließ auf der Hochzeit von Freunden, tanzend im Club, mein Becken geburtsvorbereitend kreisen. Alles verlief nach Plan und der 21. August rückte auf einmal erstaunlich nah.
 
Gast-Mummy, Geburtsgeschichte, Schwangerschaft
 
Es begann die Zeit, in der man sich abends vor dem Zubettgehen fragt, ob man es wohl bis zum nächsten Morgen schafft. Jedes Ziepen, jede Senkwehe wurde genauestens durchleuchtet und beobachtet auf der Suche nach vermeintlichen Anzeichen einer bevorstehenden Geburt. Auch wenn es mir sehr gut ging und ich nicht, wie viele andere Hochschwangere, bewegungsunfähig oder zu Tode genervt war, es durfte losgehen. Ich war bereit.
 
In der Nacht vom 16. auf den 17. August wurde ich wie immer im 1-2 Stundentakt von meiner vollen Blase geweckt. Man kann sich wirklich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat, was es für ein Akt ist, sich irgendwie aus dem Bett in Richtung Toilette zu rollen. Bis zu 7 Mal pro Nacht. Das war schon nicht mehr witzig. Aber dabei musste es sich wohl um die Vorbereitung der Natur auf die folgenden, schlaflosen Nächte handeln. 
Bei meinem 4. nächtlichen Ausflug an meinen „Lieblingsort“ hielt auch ich plötzlich meinen Schleimpfropf in den Händen. Ähnlich wie bei Madeleine, versuchte ich mir in Erinnerung zu rufen, was das jetzt wohl bedeuten möge. Es kann losgehen, muss aber nicht. Und zudem hatten wir doch erst den 17. August. Noch 4 Tage bis zum errechneten Entbindungstermin. Das erste Kind? Früher unterwegs? Unwahrscheinlich, dachte ich.
Dennoch, und das wurde mir erst später bewusst, war etwas anders. Ich war irgendwie aufgewühlt, konnte mich nicht wieder seelenruhig zurück ins Bett legen, obwohl ich kilometerweit entfernt von ausgeruht, geschweige denn ausgeschlafen war. Und so begab ich mich kurz vor Sonnenaufgang auf die Couch. 
Bei meinem 7., mittlerweile morgendlichen, Gang zur Toilette, machte es, noch bevor ich es auf den Klodeckel schaffte, innerlich ‚Knack‘. Als ob ein rohes Ei in die Brüche gehen würde. Schlagartig wurde mir warm im Schritt und Fruchtwasser lief mir die Beine runter. Nur ein bisschen, nach und nach. Ich fragte mich, ob es sich hierbei um Fruchtwasser handelte oder ob ich mir tatsächlich eingepinkelt habe — man bekommt im Vorfeld ja die skurrilsten Geschichten zu hören. Bestätigung brachte der PH-Streifen meiner Gynäkologin. Zögerlich rief ich meinen Freund an und sagte ihm, die Fruchtblase sei geplatzt. 
Da stand ich alleine im Bad und mir schossen die Tränen in die Augen. Nun gab es kein Zurück mehr und ich hatte auf einmal große Angst vor all dem, was bevorstand. Mein Freund holte mich ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn nun hieß es, Tasche fertig packen, Hebamme anrufen und fragen, wie es weitergeht. Es war 7 Uhr morgens und zu 9 Uhr sollten wir im Krankenhaus sein.
 
Meine Fruchtblase war geplatzt, aber richtige Wehen konnte ich noch nicht verzeichnen. Das Ganze glich Regelschmerzen, die ich die Abende zuvor auch schon hatte. Aus diesem Grund beschloss ich die Zeit noch mal für eine Dusche zu nutzen und mein Freund machte sich auf den Weg in den Supermarkt, um uns mit Proviant für’s Krankenhaus auszustatten. 
Kurze Zeit später, so gegen halb 9, waren aus den Regelschmerzen bereits richtige Wehen geworden. Bildete ich mir zumindest ein, denn es schmerzte ziemlich und die Abstände betrugen nur noch 5 Minuten. Als mich mein Freund auf dem Weg zum Auto stützen musste, war klar, wir sind mittendrin.
 
Im Krankenhaus angekommen startete die Hebamme gleich mit der ersten Untersuchung. Hocherfreut teilte sie uns mit, dass der Muttermund bereits 2 Zentimeter geöffnet sei, und sie ganz viele Haare spüre. Wir wurden ins Vorwehenzimmer verlegt und ich ans CTG angeschlossen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon ziemlich heftige Wehen und kaum Pausen. Was wiederum dazu führte, dass mir speiübel war, ich nichts essen konnte und relativ schnell sehr erschöpft war. Der Muttermund machte nun auch nicht mehr so mit, wie man sich das zu Beginn erhofft hatte. Nach weiteren zwei Stunden war ich bei gerade mal 3 cm. 
Meine Wehen kamen nun schon alle 1-2 Minuten, viele direkt hintereinander ohne Pause. Ich hockte auf dem Bett und stütze meine Ellenbogen mitsamt Kopf auf einen großen Gummiball. Das war für mich die angenehmste Position.
Zwischen „Scheiße“ rufen und Wehen blieb nicht all zu viel Zeit für’s Atmen. Irgendwie gelang es mir aber doch, mich darauf zu konzertieren und weiter voran zu kommen. Im Nachhinein betrachtet, kann man jeden Geburtsvorbereitungskurs inklusive Atemübungen an den Nagel hängen. Unter dem Einfluss der Schmerzen hat man nicht ansatzweise die Möglichkeit über das Erlernte nachzudenken. Man atmet und agiert instinktiv genauso, wie es für einen am Besten ist. Zudem hat man ja auch noch eine Hebamme an seiner Seite. 
 
Gute 4 Stunden nach Ankunft im Krankenhaus war der Muttermund 4 cm geöffnet und ich bereits völlig am Ende. Das war der Zeitpunkt an dem die Hebamme auf mich zukam und mich fragte, ob ich nicht eine PDA haben möchte. Wir hatten im Vorfeld besprochen, dass ich es gern ohne probieren möchte. Mein Vorhaben hatte ich jedoch schneller über den Haufen geworfen als ich ja sagen konnte… Sie meinte, es würde wohl noch eine ganze Weile dauern und mit der PDA könnte ich mich ausruhen und unter Umständen sogar schlafen legen. Ungläubig, aber euphorisiert freute ich mich auf die bevorstehende, schmerzfreie Zeit und bekam auch gleich ein Schmerzmittel gesetzt, womit es mir direkt besser ging. Die Wehen kamen nun regelmäßig mit entsprechenden Pausen dazwischen. Der richtige Zeitpunkt, um die heiß ersehnte PDA zu setzen. Als der Anästhesist das Zimmer betrat, war meine Laune auf ihrem Höhepunkt, sodass in den Wehenpausen sogar noch Witze gerissen wurden. Auf einmal war ich top motiviert und blickte einer großartigen Geburt entgegen.
 
Die PDA wurde gesetzt. Ich hatte weder Angst, noch spürte ich etwas davon. Jede Gebärende weiß, wovon ich spreche. Der Anästhesist verließ zufrieden das Zimmer und meine Hebamme schloss mich wieder ans CTG und ging ebenso. Ich freute ich mich auf die Wirkung der PDA, die wohl hoffentlich bald einsetzte. 
Gute zwei Minuten später stürmte meine Hebamme zurück in unser Zimmer. Sie packte mich und warf mich von einer Seite auf die andere, mit der dringlichen Bitte, ich möge jetzt ganz tief in den Bauch atmen. Ich verstand überhaupt nichts mehr und befolgte einfach nur, was mir geraten wurde. Gefühlte Sekunden später schaute sie mich an und sagte mir, wir müssten einen Notkaiserschnitt durchführen. Die Herztöne des Kindes wären komplett abgesackt. 
Ich hatte keinerlei Möglichkeit,  diese Information zu verarbeiten, nickte nur und starrte geschockt zu meinem Freund. Dass ich in der Zwischenzeit auch schon Adrenalin gespritzt bekam, um die Herztöne hochzukriegen, erfuhr ich erst nach der Geburt.
Wenige Sekunden später stand eine Gruppe Menschen mit einer Trage in unserem Zimmer. Völlig geschockt und am ganzen Körper zitternd wurde ich darauf gehievt und in den nächsten freien OP geschoben. Mein Freund wurde ohne jegliche Informationen zurückgelassen. 
Später erzählte er mir, dass es die schlimmsten Minuten seines Lebens waren. Er wusste nicht, ob Levi und ich gesund, geschweige denn lebend wieder aus dem OP rauskommen würden.
 
Ganze 10 Minuten dauerte diese Tortur für ihn, bis er um 13.21 Uhr den ersten Schrei unseres Sohns hörte und ihn auf dieser Welt willkommen heißen durfte. Im OP angekommen, flehte ich den Anästhesisten an, mich nur örtlich zu betäuben. Leider hatte ich keine Chance. Die Wirkung der PDA hatte noch nicht eingesetzt. Man teilte mir mit, dass man jetzt den Katheder setzen würde und dann wurde mir auch schon die Maske auf Mund und Nase gelegt. Als ich wieder aufwachte, hatte ich ein Kind in meinem Arm. Tränen liefen mir die Wangen runter. Ein Mix aus Freude, Schock und Schmerzen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich realisierte, was passiert war. 
 
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Die ersten Tage im Krankenhaus fühlten sich an wie in Trance. Aber ich war überraschend fit und konnte Levi bereits nach der zweiten Nacht selbst versorgen. Er schlief und schlief und schlief. An Stillen war nicht mal ansatzweise zu denken. Auch wenn alle drei Stunden die Schwestern kamen und versuchten, ihn anzulegen. Eine Zusammenführung meiner Brüste und seines Mundes war schier unmöglich. Insofern blieb mir nichts anderes übrig, als mich wie eine Melkkuh alle drei Stunden an die Milchpumpe zu setzen und die wenigen Milliliter des Kollostrums aus mir raus zu saugen, um diese Levi dann mit der Spritze zu verabreichen. Der positive Nebeneffekt machte sich drei Tage später durch das Einschiessen der Milch bemerkbar. 
 
Am vierten Tag konnte ich bereits problemlos laufen und entließ mich selbst. Als wir die Schranken des Krankenhauses verließen, konnte ich meinen Tränen nicht mehr standhalten. Auf einmal fiel alles wie eine riesengroße Last von mir und ich hatte das Gefühl, dass es nun richtig los gehen kann. Zu Hause angekommen, hatte ich die ersten Tage mit der, für mich, misslungenen Geburt zu kämpfen und mit dem Fakt, dass ich Levi nicht als Erstes auf dieser Welt begrüßen durfte. Wir sprachen viel mit meiner Hebamme darüber, was mir sehr geholfen hat. Leider gibt es bis heute keine Erklärung für das Absinken der Herztöne. Ich kann lediglich vermuten. 
 
Aber, was folgte, waren die drei schönsten Monate meines Lebens. Levi war das entspannteste Baby, das man sich vorstellen konnte. Das Stillen klappte von Anfang an und wir hatten einfach nur die wunderbarste Zeit überhaupt. 
 
Insgesamt betrachtet ist mein Fazit… 
 
… dass ich mich im Falle einer weiteren Geburt unbedingt wieder um eine Beleghebamme bemühen werde. Da diese genau wusste, was zu tun ist und mich auch im Vor – und Nachhinein bestmöglich unterstützt hat. 
 
… dass ich mich jederzeit wieder für ein Krankenhaus entscheiden würde. In Notsituationen zählt jede Sekunde. Hätte ich nicht dieses fantastische Team an meiner Seite gehabt, wer weiß, wie es ausgegangen wäre. 
 
… dass ich es auf jeden Fall wieder mit einer spontanen Geburt und auch ohne eine PDA versuchen möchte.
 
… dass ich unsagbar froh bin, dass wir in der heutigen Zeit all diese Möglichkeiten bei einer komplizierten Geburt haben und ich ein gesundes Kind in meinem Arm halten durfte.
 
… dass es nichts Aufregenderes gibt, als ein Kind zu Welt zu bringen.
 
the day that, fast-mummy, geburtsgeschichte, kaiserschnitt, sectio
 
Vielen Dank liebe Julia, dass Du Eure Geschichte für uns aufgeschrieben hast!
 
Und wir sind weiterhin auf der Suche nach schönen Geburtsgeschichten. Wenn Ihr Lust habt Eure Geschichte/n mit uns zu teilen, dann schreibt uns doch eine Mail an: info@mummy-mag.de
 
Nicolette an Dam mit Loading Baby Bump via Instagram zum Gast-Mummy Aufruf