Gast_Mummy

Laura sagt selbst von sich, dass sie keine euphorische Schwangere war. Sie war 36 Jahre alt, hatte ein tolles Leben und wusste nicht so recht, wie sich ihr Leben mit Kind verändern wird. Weil sie viele Geburtsgeschichten kannte, die nicht so positiv waren, hat sie sich ganz pragmatisch für einen Terminkaiserschnitt entschieden. Und da das Thema sehr stark polarisiert, haben wir Laura gebeten, auch ihre Geschichte für uns aufzuschreiben. Übrigens sind die Mama und Tochter heute ein unschlagbares Team!

Ich war keine besonders euphorische Schwangere. Ich hatte Angst, was das mit meinem Lieben macht und Angst davor, mir dann noch mehr Sorgen um meine Liebsten zu machen. So ein kleines Ding, in den ersten Jahren komplett abhängig von uns. Wir waren zu dem Zeitpunkt gute 5 Jahre zusammen und eigentlich fehlte mir nichts, ich mochte unser Leben. Aber ich war 36 und so stellte sich dann irgendwann die Hü oder Hott Frage. Nach einem Dreiviertel Jahr „drauf ankommen lassen“ war ich also schwanger. Es hat ein bisschen gedauert, mich mit dem Gedanken anzufreunden. Mein Freund hat mir dabei sehr geholfen, seine Vorfreude war deutlich größer. Die Schwangerschaft an sich war absolut problemlos, ich weiß das zu schätzen. 

Irgendwann kam die Zeit, sich Gedanken über das Krankenhaus zu machen und sich für einen Geburtsvorbereitungskurs anzumelden. Ich hatte allerdings zu keinem Zeitpunkt den Wunsch nach einer spontanen Geburt. Ich selbst bin ein Kaiserschnitt-Kind, habe keinerlei chronische Krankheiten oder Allergien und eine sehr enge Bindung zu meiner Mutter. Sie hat ja die Theorie, dass ich so ein fröhlicher Mensch bin, weil ich mich durch keinen Geburtskanal zwängen musste. Ich las mich durch das Internet und fand keine wissenschaftlich überzeugenden Argumente, die gegen einen geplanten Kaiserschnitt sprachen. Insofern stand meine Entscheidung ziemlich früh ziemlich fest. Ich sprach mit meiner Frauenärztin darüber. Sie war entspannt und sagte „Sie werden schon ihre Gründe haben. Wenn wir Sie gegen ihren Willen zu einer Spontangeburt überreden, ist damit weder Ihrem Baby noch Ihnen geholfen.“ Ich fühlte mich bestätigt und erleichtert. Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich so sehr keine Spontangeburt wollte. Die Schmerzen, die terminliche Unberechenbarkeit, die Geschichten von 30 Stunden Wehen und am Ende doch per Kaiserschnitt entbinden, eventuelle Verletzungen „untenrum“.. Da der geplante Kaiserschnitt doch noch irgendwie ein Tabu ist, war meine Argumentation gegenüber nicht so engen Leuten, dass ich sicherstellen wollte, dass mein Freund dabei sein kann. Er hat sehr unregelmäßige Arbeitszeiten. Die Wahrheit ist: nicht unbedingt nötige, für mich unangenehme Dinge mach ich nicht. Warum soll ich es mir schwerer machen als nötig? Ich geh auch nur in Läden mit freundlichem Personal und bin mit anständigen und zuverlässigen Leuten befreundet. Da bin ich pragmatisch und hab die Dinge gern unter Kontrolle.
 
Deshalb war auch schnell klar, dass unser Kleines im Vivantes am Friedrichshain zur Welt kommen würde. Wir wohnen in Laufnähe, es gibt eine Baby-Intensivstation und sie führen geplante Kaiserschnitte durch, was nicht auf alle Berliner Entbindungskliniken zutrifft. Außerdem hatte meine Frauenärztin dort lange gearbeitet und es empfohlen. Ebenso die Hebamme, die halb in meiner Frauenarzt-Praxis und halb dort arbeitet. Ich fand den Gedanken schön, dass sie mich sowohl in der Schwangerschaft als eventuell dann auch bei der Geburt begleiten würde oder dass man zumindest ein bekanntes Gesicht vor Ort hat. 
 
Um sicherzugehen, dass man sich das wirklich genau überlegt hat und über die Risiken einer OP (weil das ist ein Kaiserschnitt) Bescheid weiß, muss man zwei Mal im Krankenhaus vorsprechen. Die reagierten anfangs ziemlich zickig „na, wenn sie meinen“ und versuchten noch, mich zu einer Spontangeburt zu überreden. „Warum wollen sie keine Spontangeburt?“, „Weil ich Angst habe und mir nicht vorstellen kann und will, was da genau auf mich zukommt“. „Und vor einer OP haben sie keine Angst?“ Nee, komischerweise nicht. Jedenfalls nicht vor dieser. Das haben die alle schon zig Mal gemacht. Es ist klar, was passiert und es ist relativ schnell vorüber. Ich war mir also nach wie vor sicher und nach dem 2. Gespräch ging es dann um die Terminfindung. Normalerweise werden Termin-Kaiserschnitte etwa eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin angesetzt. Ich konnte es aber soweit schieben, dass der Termin nun nur noch 2 Tage vor dem errechneten war. So konnte meine Freund sicher dabei sein und die Kleine wird nicht so viel früher aus ihrem Cocon geholt. Jetzt gab es also ein Due Date. Mich entspannte das. Falls sich übrigens unser Mädchen entschlossen hätte, noch früher auf die Welt zu wollen, ist das auch kein Problem. Dann geht man ins Krankenhaus und sie holen es dann eben per Kaiserschnitt. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Baby schon zu weit im Geburtskanal ist, müsste man dann spontan gebären. 
 
Mir ging es bis zum letzten Tag wirklich gut. Ich hab bis zum Schluss Sport gemacht, wenn auch zum Ende hin eher Schwangeren-Aqua-Gymnastik als Beachvolleyball. Ich fühlte mich fit und war guter Dinge. Am Tag selbst soll man sich gegen 8 Uhr einfinden, es wird einem aber auch gesagt, dass die Geburt an sich zwischen 12 und 13 Uhr stattfinden wird. Auf meine Frage hin, was wir denn dann so lange machen kam ein „Wir halten Sie schon auf Trab“. Nun gut. Wir waren um 8 Uhr da. Um 8:30 Uhr hatte ich den rückenfreien Kittel an und einen Einlauf hinter mir. Dann passierte lange nichts. Wir hatten einen Kreißsaal für uns und hingen da so ab. Haben sogar nochmal eine Stunde geschlafen. Um 12:30 Uhr hieß es, das OP-Team käme jetzt aus der gynäkologischen Abteilung, dann wäre noch eine andere vor mir und dann kommen wir. Dann kam noch ein Notfall dazwischen. Um 14:03 Uhr kam die Anästhesistin und sagte, sie hole mich gleich ab. Da war es dann doch mal kurz vorbei mit meiner Coolness und die Tränen liefen. Mein Freund war vorbereitet und hatte Tierbaby-Videos parat. Schnell musste ich lachen und dann ging’s auch schon los. Während mein Freund in einem Nebenraum seine OP-Klamotten bekam, war ich schon im OP, bekam einen Katheter gelegt (das war mir vorher nicht klar) und die Spinatanästhesie wurde vorbereitet. Das ist so ähnlich wie eine PDA, sie wird nur woanders gesetzt und wirkt einmalig 2-3 Stunden während man eine PDA über einen längeren Zeitraum dosieren kann. Man wird dafür mit allen Vieren festgeschnallt, da muss man durch. Das OP-Team war groß, sehr sympathisch, machte Witze und hielt mich wunderbar bei Laune. Was wir denn da gleich bekämen und ich hätte mir ja hoffentlich keinen amerikanischen Namen ausgesucht.
Ähem 🙂 Die Anästhesistin war wahnsinnig nett und innerhalb von ca. 10 Minuten war die örtliche Betäubung da. Auf meine Frage, ob das okay sei, dass ich meine Füsse noch bewegen kann, antwortete sie: „Versuchen Sie mal, ihre Knie anzuziehen“ Okay, das ging nicht. Die Betäubung geht in etwa von der Brust bis zum Knie. 
 
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Dann kam auch schon mein Freund dazu. Man platzierte ihn an meiner linken Kopfseite. Etwa auf Brusthöhe wurde ein Tuch gespannt, so dass weder er noch ich sehen konnten, was passiert. Ich wollte das auch nicht sehen. Dann kam der Oberarzt und nach ein paar beruhigenden Worten fing er an. Man wird gewarnt, dass es gleich ein bisschen ruckelt. Das tut es auch, aber weit weniger als ich dachte. Man spürt keinen Schmerz, man merkt den Druck. So ein bisschen wie beim Zahnarzt mit örtlicher Betäubung. Ich glaube, keine 5 Minuten später hielten sie unser Mädchen über mein Gesicht. Ein rötliches kleines bezauberndes Bündel. Sie wurde zunächst in den Nachbarraum für einen kurzen Erst-Check gebracht, meine Freund ging mit. Ich hatte für unter den Kittel so eine Art Tube Top bekommen und da wurde sie mir dann nach etwa 3 Minuten reingelegt und wir drei starrten uns an. Sie musterte uns ganz ruhig und wir waren verliebt. Währenddessen wurde meine Bauchdecke wieder geschlossen nachdem auch die Nachgeburt und weiteres entfernt wurde (hat den Vorteil, dass man hinterher deutlich kürzer nachblutet als bei einer Spontangeburt). Die untere Schicht per Laser, die Bauchhaut genäht. Der Nähfaden löst sich später von allein auf. 
 
Um 14:53 Uhr waren wir zu dritt zurück im Kreißsaal. Unser kleines Mädchen lag abwechselnd auf meiner Brust oder der meines Freundes und wir lernten uns kennen. Nach einer weiteren Stunde hatte ich meine Beine wieder im Griff, ein schönes Gefühl. Inzwischen hatte sich auch geklärt, dass wir ein Familienzimmer (aka Zweibettzimmer zur alleinigen Nutzung) bekommen können, in dass ich dann gegen 19 Uhr auch einziehen konnte. Mein Freund ging derweil nach Hause, um noch ein paar Sachen zu holen. Wir haben dort die nächsten 4 Nächte verbracht. Das ist das Minimum an Nächten, die man nach einem Kaiserschnitt im Krankenhaus verbringen muss. 
 
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Bis zum nächsten Tag habe ich das Bett nicht verlassen (können). Man bekommt Schmerzmittel und die will man auch. Es fühlt sich so an wie ganz schlimme Regelschmerzen. An Tag 2 wird der Katheter entfernt. Es sei denn, man sagt, dass das auf keinen Fall schon geht. So ist man gezwungen, aufzustehen, um auf die Toilette (Tür direkt neben dem Bett) zu gehen. Das fällt natürlich schwer und man geht gekrümmt. Ich hab aber, wo ich schon mal stand, gleich geduscht, ich fühlte mich so bäh. Auch wenn mir Schwester Gabi beim Beine abtrocknen helfen musste. Auch einmal den Flur hoch und runter ging schon in langsam und wurde von Tag zu Tag besser. Ich habe die Schmerzmittel relativ schnell runter dosiert, jeden Tag geduscht, manchen Besuch schon im Stehen empfangen und das Frühstück am Tisch gegessen. Aber ich will es nicht beschönigen. Während die spontan gebärenden Mütter in normalen Klamotten im Frühstücksraum sassen, ass ich im Krankenhaus-Nachthemd von meinem Tablett im Zimmer. Aber ich fand das nicht schlimm. Für das kleine Mädchen, das von nun an unseres war und sich sofort in mein Herz kuschelte, war das wirklich ein fairer Schmerz. An Tag 5 konnten wir heim und meine Hebamme bleute mir ein, das mein Job darin bestand, rumzuliegen. Vielleicht mal vom Bett aufs Sofa wechseln, aber sonst nüscht. Nun ist rumliegen nicht so meins und manchmal merkte ich abends, dass ich ein bisschen zu viel rumgeturnt war, dann tat es schon sehr weh und ich war dankbar, noch Schmerztabletten zu haben. Ich hatte sie ab Tag 4 schon auf 2-3 am Tag (statt 4-5) runter dosiert. An Tag 8 hab ich den ersten Mini-Spaziergang durch den Kiez gemacht und nach knapp zwei Wochen war ich schmerzfrei. Bisher, die Kleine ist jetzt 4 Monate, ist alles weiter problemlos: keine Probleme mit der Narbe, keine Nachwirkungen. Klar, man sieht die Narbe als dünnen Strich aber für mich war das die absolut richtige Entscheidung und ich würde es beim nächsten mal wieder so machen. 
 
Vielen Dank liebe Laura, dass Du den Mut hast, uns Deine Geschichte zu erzählen. Sicherlich polarisiert Deine Entscheidung sehr, aber wir wollen damit jeder Frau Mut machen, ihre eigene Entscheidung zu treffen.