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Wenn wir alle einen Euro ins Sparschwein geworfen hätten, für jeden Ratschlag, was alles nicht mehr geht, wenn das Kind erst da ist, dann könnten wir uns heute alle mindestens ein Paar Louboutins leisten. Und unsere wunderbare Gast-Autorin Mirna Funk mindestens drei Paar, denn auch jetzt noch, wo Töchterchen Etta vier Monate alt ist, wird sie regelmäßig darauf „vorbereitet“, was sie bald alles nicht mehr machen kann…
Zum Glück beweist sie gerade allen, dass es eben doch möglich ist!

Buchmesse Frankfurt, Herbst 2015. Ich war im 7. Monat schwanger und saß mit Henryk Broder, der Verlagschefin von Diogenes und einem Moderator von Axel Springer auf der Bühne und lieferte mir einen grauenhaften Schlagabtausch zum Thema „Flüchtlingskrise“. Schon nach den ersten drei Minuten wollte ich eigentlich aufstehen und gehen, so schreckliches Zeug redeten der Broder und der Moderator. Von bösen Muslimen war die Rede, und davon, dass man bald als deutsche Frau nicht mehr im Minirock durch die Straßen laufen könne, ob der Islamisierung des Abendlandes. Am Ende der Diskussionsrunde sagte der Moderator dann zu mir: „Hätten sie mir doch gesagt, dass sie im 7. Monat schwanger sind. Da sollte man eigentlich nur noch auf der Couch liegen und an keinen Podiumsdiskussionen mehr teilnehmen!“ Und ich dachte, das größte Problem, dass Frauen in diesem Land wirklich haben sind Männer wie Sie. Da braucht man nicht auf den nordafrikanischen Mann warten, um mit längst überholten Vorstellungen konfrontiert zu werden.

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Danach nahm ich selbstverständlich noch an Podiumsdiskussionen teil und las aus meinem Roman Winternähe. Eigentlich bis zum Endbindungstermin. Die letzten zwei Monate vor der Geburt leiteten die Moderatoren meine Anwesenheit zu meiner eigenen Lesung immer mit: „Wir können uns glücklich schätzen, dass Frau Funk hier ist. Sie ist im soundsovielten Monat schwanger. Applaus bitte!“ 

Last Days Of Life
Aber nicht nur, dass ich offiziell und in der Vorstellung der Anderen als Schwangere nicht mehr arbeiten durfte, ich wurde parallel noch vorgewarnt, dass es sich sowieso um die letzten Stunden meines Schriftsteller-Daseins handelte. Last days of life, also. Als ich kurz vor der Geburt mit meinem Mann abends Monopoly spielte und ein Foto davon auf Instagram postete, kommentierte jemand darunter. „Das geht bald nicht mehr!“ Und ich guckte meinen Mann an und fragte: „Wieso sollten wir mit Baby nicht mehr Monopoly spielen können? I don´t fucking get it!“ Aber das Monopoly-Beispiel war ja das kleinste Problem. Die Tage als Schriftstellerin waren quasi gezählt. Als ich meine ersten Lesetermine für Ende Januar begann zu planen, also sechs Wochen nach dem offiziellen Geburtstermin, wollten die Veranstalter mir immer davon abraten. Das schaffen Sie nicht, Frau Funk. Wie wäre es mit Herbst 2016. Herbst 2016? Are you kidding me? 

Dann wurde Etta am 14.12. geboren und drei Wochen später saß ich am Schreibtisch, um den Text für die Suhrkamp-Anthologie „Wie wir leben wollen“ zu schreiben. Etta in der Manduca. 

Ich postete das Bild davon auf Instagram, um daraufhin einen Schwung extrem pessimistischer Kommentare zu bekommen. Jaja, drei Wochen, da geht sowas noch. Warte mal ab bis deine Tochter drei Monate ist. Oder: So habe ich auch noch gedacht. Warte mal ab bis deine Tochter zwei Jahre ist. 

Es gab auch viele tolle Kommentare. Kommentare von Frauen, die genauso dachten und denken wie ich.

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Wie das Leben wirklich ist
Etta ist jetzt vier Monate alt. Vor sechs Wochen waren wir gemeinsam in Hamburg. Ich hatte eine Lesung im Café Leonard. Und weil ihr Vater zu diesem Zeitpunkt in Tel Aviv war, nahm ich sie einfach mit. Eine Freundin fragte ihre Mutter, ob sie im Hotel, während meiner Lesung auf Etta aufpassen könne, und alles war organisiert.

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Ich nahm Etta im Cybex Cloud Q mit. Das ist eine Kombination aus Autositz und Sitzschale. Ich wusste, wir würden nur von der Bahn ins Taxi und vom Taxi ins Hotel müssen, also verzichtete ich auf den Kinderwagenaufsatz, sondern dachte praktisch. Ich hatte mir kurz davor das Kid Board besorgt, um den Koffer darauf abzustellen und die Hände frei zu haben. Die ideale Lösung übrigens. Mütter besorgt euch Kid Boards für eure Koffer, Taschen oder Einkäufe! Noch besser wäre natürlich ein Aufsatz, der genau für solche Sachen konzipiert ist. Meine Message an die Design-Teams der Kinderwagenhersteller: Wo bleiben Lösungen für alleinreisende Mütter?! 

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Klar war ich vor unserer ersten gemeinsamen kleinen Reise aufgeregt. Ich hatte Sorge Etta würde im Zug Alarm machen oder abends mit der Nanny nicht schlafen können. Alles, was man vorher noch nie getan hat, macht erst einmal Angst. Es gilt also mutig diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Vielleicht sogar dem Kind von seinen Sorgen zu berichten, aber immer mit der Zuversicht, dass man das gemeinsam, also als Team, hinbekommt. Und so kam es auch. Wir peilten das Restaurant-Abteil des ICE an. Den Cybex Priam konnte ich so klein zusammenfalten, dass er unter den Tisch passte, den Cloud Q stellte ich auf dem Sitz ab. Etta und ich saßen die Fahrt über gemeinsam nebeneinander am Tisch. Sie schaute anderthalb Stunden zufrieden durch die Gegend und machte kein einziges Mal das Auge zu, weil alles viel zu spannend war. Ich beantwortete E-Mails in dieser Zeit.

Den Cloud Q dabei zu haben, war deshalb so gut, weil ich sofort, in Hamburg angekommen, in ein Taxi steigen konnte, und nicht auf eines mit Autositz warten musste. Im Hotel machten wir gemeinsam einen ausgedehnten Mittagsschlaf. Um 19:00 Uhr kam die Mama der guten Freundin von mir und wir gewöhnten Etta vorsichtig an sie. Ich strich Etta immer wieder über die Wange, erzählte ihr wie toll sie es jetzt gleich haben würde und dann brachten wir sie gemeinsam um 19:30 Uhr ins Bett. Die Lesung lief prima. Ich bekam immer wieder Fotos von meiner schlafenden Tochter geschickt, und am nächsten Tag fuhren wir zufrieden und happy zurück.  

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Ich hatte etwas getan, dass mich zutiefst glücklich macht und Etta hatte etwas erlebt, dass ihr vorher völlig neu war. Und viel wichtiger: Wir hatten eine gemeinsame Erfahrung als Team gemacht. Das schweißte uns als Mutter und Tochter zusammen. Seit Ettas Geburt habe ich unzählige Texte und Artikel geschrieben. Entweder kümmern sich in dieser Zeit mein Mann oder die Nanny um Etta oder sie sitzt oder liegt neben mir, während ich rasant in die Tasten haue. Gerade schläft sie zum Beispiel!

In zehn Tagen geht es nach Amsterdam. Dort habe ich eine Writer Residency und kann ungestört an meinem neuen Manuskript arbeiten. Bis Juli werden wir unterwegs sein. Erst Amsterdam, dann Tel Aviv und danach Antwerpen. Etta ist mit dabei, während wir Monopoly spielen, ich an Podiumsdiskussionen teilnehme oder irgendwo lese. Ich erinnere mich daran, wie ich im September das Interview für die Mummy-Mag-Paper Ausgabe 3 gab und voller Zuversicht von meinem Leben mit Kind sprach. Auch da gab es die Warte-mal-ab-Kommentare. Bis heute hat sich keine der Hiobsbotschaften bewahrheitet. Wahrscheinlich sagt gleich wieder jemand, warte mal ab bis Etta 325 Jahre alt ist. Da wird´s dann richtig schwierig! Und ich so: Bestimmt!

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Illustration von Yaniv Eiger ………………………………………………………………………………………………………………………………..

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Mirna Funk hat mit ihrem ersten Roman „Winternähe“ für Furore gesorgt. Aktuell sitzt die frischgebackene Mummy an ihrem zweiten Roman und beweist vielen Stimmen, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Und sonst? Ist sie nach eigener Aussage pedantisch, rechthaberisch und notorisch nervös. Aber dank ihrer kleinen Familie ist sie sehr viel entspannter geworden… In regelmäßig unregelmäßigen Abständen wird sie uns mit tollen Kolumnen des Mutterseins begeistern!