Eni Mai Bauch einer Mutter Mehr Realismus im NetzInstagram hat mir neulich dieses Foto vorgeschlagen. Ich hab kurz gestutzt, weil es so anders ist, dann hab ich es geliked und wollte wie tausend andere wahrscheinlich auch schlagartig mehr über die Frau dazu wissen. Wer ist diese Mutter, die mutig ihren Körper zeigt, so wie er nach einer Schwangerschaft nunmal aussehen kann und wie wir ihn viel zu selten zu sehen bekommen?

Ihr Name ist Eni Mai. Sie ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat einen Sohn. Und sie plädiert für mehr Realismus im Netz! Diese Frau hat Modedesign studiert und bis letztes Jahr auch selbstständig in diesem Beruf gearbeitet. Dann mussten Prioritäten neu gesetzt werden und sie hat sich einen Nebenjob gesucht. In einem großen Sportgeschäft. Als Läuferin (Langstrecke/Marathon) kam ihr der gerade recht. Mittlerweile arbeitet Eni fast 100% in eben diesem Sportgeschäft und schreibt zudem an ihrem ersten Buch. Sie mag den Weg, den sie gerade geht. Weil auch er so verdammt echt ist. Weil er zu ihr und ihrem Leben passt und weil er genau das ist, was der Freigeist gerade braucht. Einen soliden, genialen, spaßmachenden Job der ihre nebenher die Möglichkeit gibt, zu schreiben.

Eni Mai

Liebe Eni, warum wünscht du dir mehr Realität?
Ich mag das Echte. Das Rohe. Das Reale. Ich bin kein Freund von Schönmalerei oder rosaroten Brillen. Manchmal habe ich das Gefühl die Welt, gerade die virtuelle, versteckt sich viel zu oft hinter einer viel zu kleinen Maske und einem schlecht sitzenden Kostüm. Man kann erahnen, dass es darunter ganz anders aussieht. Aber der Schein legt seinen Weichzeichner über das Sein. Über die Realität. Ich will aber sehen, was sich darunter verbirgt. Den Menschen hinter der Maske. Den erst wenn die Masken fallen, kann man sehen, was wirklich echt ist. Was von all dem scheinbaren übrig bleibt. Das ist es, was ich sehen will. Was ich mir wünsche. Gerade in der virtuellen Welt. Dort wo man arrangiert, dekoriert, anmalt und übermalt. Dort fehlt es so oft an Realität. Gerade im Bezug auf den Körper, das Aussehen, das Leben selbst. Da wird posiert und beleuchtet. Hier ein Filter, da mehr Beleuchtung und schwups, das perfekte Bild. Die perfekte Pose, der perfekte Körper. Aber wo sind die Makel. Wo die Narben, die Geschichten erzählen. Geschichten, die das Leben schrieb. Wo ist der Mensch hinter dem perfekten Bild. Und wann hat er aufgehört sich selbst, so wie er ist, als wunderschön und einzigartig zu sehen. Gerade weil er nicht makellos ist. Gerade weil er nicht perfekt ist. Das Reale. Das Echte. In einer Welt des Perfektionismus wünsche ich mir mehr Realität. 

Gab es einen konkreten Auslöser für den Post von deinem nackten Bauch?
Eigentlich nicht wirklich. Ich hatte einfach das Bedürfnis danach. Gerade auf Instagram gibt es ja unzählig viele FitnessAccounts. Man sieht perfekte Körper, mit perfekten Bäuchen in perfekten Posen. Und es ist nicht so, dass ich die nicht mag. Ich habe Hochachtung vor jedem, der seinen Körper dorthin gebracht hat. Es ist ein Weg und bedeutet viel Disziplin. Und ja, es sieht auch toll aus. Aber es gibt eben auch die Extreme. Eine Challenge jagt die nächste. Thigh Gap und Size Zero und whatever. Mädchen, Frauen, die wahnsinnig dünn sind, sehen sich im Spiegel und denken sie wären immernoch zu dick. Und vielleicht fehlen Ihnen die Vorbilder. Die Frauen, die zu ihrem Körper stehen. Ihn lieben und achten, für das was er leistet und ihn schön finden, so wie er ist. Ob rund, oder eckig. Ob dick oder dünn. Mit Falten, Bäuchen, Narben oder was auch immer. Wie auch immer. Vielleicht nicht perfekt, aber einzigartig, echt und wunderschön. Es war für mich ein langer Weg mich und meinen Körper so zu lieben, wie er ist. Wie ich bin. Und es macht mich unendlich traurig, wenn es da Mädchen und Frauen gibt, die ihre eigene Schönheit nicht mehr sehen, weil ihnen von aussen ein Bild vorgegeben wird, wie sie zu sein haben. Ein viel zu enges Kostüm, in das sie sich hineinpressen wollen, weil sie denken, dass sie selbst ungenügend sind. Dabei sind sie doch so unglaublich schön in all ihrer Echtheit. Und ich dachte mir, ‚Eni, Du bist ein Mensch der wert auf Ehrlichkeit legt, dem Masken zuwider sind und dessen Kostüm längst zerrissen ist. Also zeigst Du das Reale. Das Echte. Einen Körper, einen Bauch, der erlebt hat. Vom Leben gezeichnet und doch, oder gerade deswegen, wunderschön.‘. Und so entstand das Bild und der Post dazu. Das er so viel Resonanz bekommen würde und durchs Netz schwirrt, hätte ich nie gedacht. Aber ich freue mich, wahnsinnig. Weil er genau das sollte. Zeigen, was Realität ist. Und das man keine Weichzeichner und keine perfekten Körper braucht um sich selbst zu lieben und schön zu finden. 

Was hast du für ein Verhältnis zu deinem Körper?
Mittlerweile? Ein wirklich gutes Verhältnis! Ich mag mich und meinen Körper. Wenn ich in den Spiegel schaue, dann sehe ich mich und ich finde mich schön. Mein Körper, vorallem mein Bauch, trägt viele Narben. Narben, die man nicht verstecken kann. Narben, die mich überleben ließen und die Leben hervorgebracht haben. Alle waren notwendig. Es sind Kampfnarben. Vom Leben gezeichnet. Aber jede erinnert mich auch daran, dass ich lebe. Und das dieser Körper mich getragen hat, bis hierher. Und das er erträgt. Mich. Das Leben. Alles. Allein dafür liebe ich ihn. Weil er unglaubliches leistet. Einfach so. Mein Bauch ist nicht mehr so flach wie früher, aber dafür ist in ihm ein wunderbarer Junge herangewachsen. Das sieht man, immer noch. Und man darf es auch sehen. Es ist okay. Ich finde es okay. Das war nicht immer so. Es war ein Weg. Ein langer Weg, auf dem ich mich selbst so manches Mal verloren habe um mich letzten Endes wiederzufinden. Und so wie ich bin, anzunehmen. Zu lieben. Wichtig ist doch letzten Endes nur, dass ich mich in meinem Körper wohlfühle. Denn keiner lebt für mich in diesem Körper, also darf mir auch keiner vorschreiben, wie er zu sein hat. Ich muss mit ihm klarkommen. Sonst keiner. Und wenn ich mit ihm klarkomme, dass sind die Narben und Falten und Rundungen egal. Dann sind sie verdammt schön. Und ja, ja ich finde meinen Körper verdammt schön. Nicht immer, aber schon ziemlich oft.

Du sprichst wiederholt von Narben. Woher stammen sie?
Meine Narben stammen von einigen Operationen. Als Baby hatte ich Darmverschluss und wäre fast daran gestorben. Nur eine Not-Op bei der mir ein großes Stück meines Darmes entfernt wurde, konnte mich retten. Die Narbe ist ziemlich groß, aber ich lebe. Dann noch eine Blinddarm-OP-Narbe. Durch Verwachsungen von der ersten OP ist diese auch größer ausgefallen. Mein Sohn ist per Kaiserschnitt zur Welt gekommen, Narbe Nummer 3. Es sind Kampfnarben und ich finde sie nicht schlimm. Sie erinnern mich an das Leben und daran, dass ich überlebt habe. Und dann sind da noch unzählige Einstiche. Ich habe Typ1 Diabetes und trage eine Insulinpumpe. Das heisst eine kleine Nadel steckt in meinem Bauch, ich setze sie alle zwei Tage neu, und daran hängt ein kleiner Schlauch der via Knopfdruck Insulin in meinen Körper pumpt. Auch das lässt mich überleben und ich bin dankbar dafür. Mein Bauch gleicht einem Schlachtfeld, aber er zeigt mir auch, dass ich schon viele Schlachten gewonnen habe. Sie machen mich stärker.

Eni Mai Haende tattoo

Seit wann bloggst du und wie kamst du zum Schreiben?
Ich blogge seid 2007. In dem Jahr wurde mein Sohn geboren und die ganze Bloggerszene war noch sehr überschaubar. Allerdings habe ich irgendwann im letzten Jahr gemerkt, dass ich das so nicht mehr will. Also das Bloggen. Auch da hat mir einfach das Echte gefehlt. Das Einzigartige. Ich wollte diesen Druck nicht mehr. Und hatte als ersten Schritt die Kommentarfunktion ausgeschaltet. Eine echte Befreiung. Nicht, weil ich den Austausch nicht mag, sondern, weil ich um des Schreiben Willens schreiben wollte und nicht um viele Kommentare zu bekommen. Und so hab ich es beibehalten. Ich schreibe schon mein ganzes Leben lang. Und mein Blog ist nur ein weiteres, virtuelles, Notizbuch. Genau wie Instagram auch. ich schreibe, weil ich schreiben muss. Es liegt in meinem Wesen. Ich würde es auch tun, wenn es keiner lesen würde. Sie müssen einfach raus, die Worte und Gedanken. Deswegen würde ich mich nicht als Blogger bezeichnen, sondern als Wortkünstler. Als Schreiber. Als Schriftsteller, Poet, was auch immer. Aber nein, ein Blogger bin ich nicht. Nicht wirklich. 

Hier das Wortwerk, das Eni zum Foto ihres Bauchs veröffentlicht hat. 
Diese Frau ist nicht nur Poetin, sie ist auch wundervoll, ehrlich…
Danke, Eni.

das hier steht für mehr realität.
für eine gesunde körperwahrnehmung.
für die selbstliebe.
und dankbarkeit.
für viel mehr achtung und demut vor dem was dieser körper, unser körper, deiner und meiner, kann.
was er leistet.
ein wunderwerk, welches uns durch das leben trägt.
wunderschön.
einzig.
atemberaubend.
stark.
und verdammt gut, so wie er ist.

dieser bauch hat soviel erlebt.
er hat leben hervorgebracht und mich überleben lassen.
er ist übersät von nadelstichen.
ein hauchzartes netz.
ein lebensweg.
er trägt narben.
so viele.
jede erzählt ihre eigene geschichte.
vom leben.
vom fast nicht mehr leben.
vom überleben.
von neuem leben.
er ist zerrissen.
fernab von makellos.
man sieht das kind, welches er einst trug.
immer noch.
und.
er ist stark.
er ist robust.
er ist lebendig.
er ist weich.
er ist atemberaubend.
wunderschön.
er ist mein.
und der einzige bauch, den ich in diesem leben haben werde.
und dafür liebe ich ihn.
dafür, dass er alles erträgt.
und trägt.
und wenn ich ihn sehe, dann sehe ich mich.
spuren meines lebens.
gezeichnet.
wie eine landkarte auf meinem bauch.
und das erfüllt mich mit dankbarkeit.
und ehrfurcht.
und liebe.

vergesst die ganzen, makellosen schönheitsideale und seid euer eigenes.
reißt doch die verdammten mauern in eurem blick ein und seht euch.
schaut euch an.
ganz genau.
eure einzigartigkeit.
eure echte schönheit.
seht das leben in euch.
das, was ihr seid.
denn, wer das schöne an sich selbst erkennt, der findet es auch in anderen.
lauscht der geschichte, die euer körper erzählt.
eurer lebensgeschichte.
ihr habt nur diesen einen.
seid gut zu ihm.
seid dankbar.
denn, er ist verdammt gut.
so, wie er ist.

Eni Mai Bank am See