Aleppo_Ohnmacht

In diesen Tagen sitze ich bequem auf der Couch und shoppe online. Für den kleinen Bruder. Und weil ich gerade dabei bin, natürlich auch für Philo noch ein zweites Bettwäscheset oder den dritten kuscheligen Pulli – Spielzeugs hat er meiner Meinung nach wirklich genug! Und was für den Daddy und mich. Rein in den Warenkorb, zack, Wohlstand. Als ich das Fenster schließe, ploppt in dem dahinter – ich nutze selten Tabs, sondern habe dieses „Tausend Fenster offen Syndrom“ – ein Artikel über die gravierende Lage in Aleppo auf. Kurz davor habe ich das Hilferuf-Video des jungen Professors vor den Trümmern seiner Existenz gesehen. Die Tagesschau gibt mir den Rest. Ich schäme mich dafür, dass ich hier im Wohlfahrtsstaat meinen Hintern platt sitze und für die getätigten völlig überflüssigen Einkäufe und schreibe in unsere Mummy Gruppe: Was können wir tun?

Saskia reagiert als erste mit einem traurig blickenden Emoji.
Camilla antwortet: „Aleppo ist aktuell eine der chaotischten und unübersichtlichsten Orte auf der Welt. Hilfsgüter kommen nicht rein,  Organisationen können nichts tun, selbst Bundeswehr & Co. ganze Länder sind machtlos. Wo genau willst du in einem Artikel darüber ansetzen?“
Madeleine meint: „Unsere Kinder werden uns mal dafür anklagen, dass wir Jahre lang weggeschaut haben, als Menschen bombardiert wurden. Diese Woche hieß es in den Nachrichten, dass der Krieg die Ausmaße des dritten Reiches erreicht und seitdem der schlimmste Krieg sei. Im Prinzip müssen wir uns schon fragen, warum das jetzt hochkocht, nachdem die Menschen in der Gegend schon seit so vielen Jahren bekriegt werden… und bewusst Zivilisten und Kinder umgebracht, Krankenhäuser, Brücken Flughäfen zerstört werden.“
„Aber nicht nur in Aleppo“, wirft Camilla ein. Woraufhin Madeleine: „Ich glaube, wir haben nicht die geringste Vorstellung, wie furchtbar das wirklich alles ist.“
„Nein, nicht mal im Ansatz“, bestätigt Camilla, „ich habe einen Bekannten, der ist auf der Welt in Kriegsgebieten unterwegs als Fotograf, ein anderer als Kameramann. Was die erzählen ist so schrecklich, dass ich es kaum ertrage. Sich als Mutter Gedanken zu machen ist ein wichtiger Ansatz. Ich hab es nur schon so oft versucht, bin aber immer wieder daran gescheitert, meine Gedanken zu Papier zu bringen. Das überfordert mich tatsächlich sehr… Und ich muss auch hier ehrlich gestehen: Mich belastet das persönlich so, dass ich zur Zeit nicht gut damit umgehen kann. Wenn man dann noch weiter schaut: In Griechenland werden ständig Kinder geboren, deren Eltern aus dem Krankenhaus flüchten, weil sie die Kinder nicht ernähren können. Und das ist die EU. Hilfsorganisationen suchen Pflegefamilien in Deutschland, die finanziell unterstützt werden, aber den leiblichen Eltern in Griechenland wird nicht geholfen, ihren Kindern essen zu kaufen! Meine Freundin Lisa ist da sehr engagiert…“

„Oh Gott“, erwidert Madeleine“ dann müsste man auch über sowas aufklären und dahin spenden. Wie „ShareTheMeal“ zum Beispiel…

Ich lese, was die beiden tippen und in meinem Kopfkino laufen die Bilder der völlig zerstörten Stadt Aleppo, dann gehe ich die emotionalen Aufwühler meiner Woche durch: 

  • Ein im Müll entsorgter Autoschlüssel – es geht schon los mit der Schusseligkeit bevor das Baby überhaupt da ist
  • Eine neue Farbe fürs Kinderzimmer
  • Ein falsch gewaschenes Moltontuch
  • Ein verschollenes Paket meiner Eltern
  • Mein hartnäckiger Husten, der mich nachts wach hält und mit schwangerschaftskonformen Hausmittelchen einfach nicht weggehen will
  • Die schlechte Streaming Qualität bei Netflix aufgrund von Kabelarbeiten in unserer Straße

Alles lächerlichst!
Doch was können wir wirklich tun? Wegschauen ist keine Lösung – und führt zu schlechtem Gewissen…

  • Aus aktuellem Anlass: Nutzt eure Stimme! Die russische Botschaft oder das Außenministerium unseres Landes anschreiben, mailen, rufen und eine Safe Passage Zone für Ost Aleppos Bevölkerung erbitten.
  • Es gibt unterschiedliche große und Schwerpunkt technisch verschiedene Organisationen, die vor Ort in Aleppo tätig sind:

    Ärzte ohne Grenzen, die trotz ihres internationalen Schutzstatus Opfer von Anschlägen werden. Denn wenn Krankenhäuser bombardiert oder beschossen werden, sind auch Ärzte unter den Opfern.

    Die etwas weniger bekannten Weißhelme. Eine Gruppe von syrischen Zivilverteidigern, die ihr Leben riskiert, um mit medizinischer Hilfe Verwundete zu versorgen.

    Apropos medizinische Hilfe: Das Ansaar Krankenhaus in Aleppo  hat eine eigene Spendenseite. 

    Sos Kinderdorf
    , mit denen wir bereits zwei Spendenaktionen umgesetzt haben.

    Unicef
    , die weltweit aufgestellt sind und hier ihre Hilfsprojekte für Syrien vorstellen, sich aber auch für Sicherheitsstandards in Flüchtlingsheimen einsetzen.

    Die Diakonie unterstützt vor allem Flüchtlingscamps im Nordirak, indem sie versucht, den bedürftigen Nahrung, Kleidung oder sogar Arbeitsmöglichkeiten zu stellen.

    Dann gibt es noch die Welthungerhilfe und die von Madeleine erwähnte Organisation ShareTheMeal, die beispielsweise syrische Flüchtlingskinder in Jordanien mit Schulmahlzeiten versorgen.

  • Ja, man kann sogar in Deutschland helfen: Hier eine Liste mit Projekten in unserer Nähe.
  • Und zu guter Letzt: Genügsamer und vor allem dankbarer sein. Diese Beschwerdekultur in Deutschland geht mir schon lange auf den Zeiger! Also, lieber auf das eigene Xmas Geschenk verzichten, für die Kids auf wirklich das Nötigste reduzieren – wer braucht schon Supermann & Co.? –  und das ersparte Geld an Hilfsorganisationen überweisen. Sie sind die wahren Helden unserer Zeit! Und ein echtes Vorbild für unsere Kinder…

Bild via https://thesyriacampaign.org