Schwangerschaftsstreifen als schönstes Souvenir einer Geburt

In meinem Kreuzberger Biotop verbringe ich die Nachmittage zwischen kunterbunt gemischten Mamas aller Bevölkerungsschichten, mit und ohne Jobs, einem oder mehr Kindern, Partnern oder Haustieren. Frauen die sich in hippe Teile von Isabel Marant hüllen, sich selber Teile schneidern oder ihre Looks im Second Hand (öhm, beim Vintage) schießen, aber was mir nie über den Weg läuft: Operierte. Frauen, die der Optik nachgeholfen haben. Oder Frauen, die haben, aber zumindest nicht damit hausieren gehen.

Schönheitswunsch oder -wahn von Müttern
Janine hatte hier in einem Interview mit eine Mutter mal hinterfragt, warum diese ein Foto ihres Mama Bauches ins Netz gestellt hat.
Ganz im Gegensatz dazu gibt es Freunde in München, die berichten von Botox-Partys, Nose- oder Boob-Jobs ganz so, als würde man übers Shopping oder Urlauben quatschen. Nun sind natürlich 1. nicht alle so und 2. ist mein Einblick doch sehr begrenzt.
Auf alle Fälle gibt es diese Parallelwelt zu meinem kleinen Universum und für den Blick über den Tellerrand habe ich einfach einen Profi befragt, jemanden der wissen muss, wovon ich rede und der mein fragmentiertes Halbwissen mit Fakten aufschlauen kann.

Ich habe mit dem Berliner Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie Prof. Dr. Frank Werner Peter über Schönheits-OPs nach Schwangerschaften gesprochen und ihn zu Do’s & Dont’s befragt.
Dr. Peter ist mehrfach ausgezeichnet, praktiziert in seiner eigenen Praxis am Wittenbergplatz in Berlin und lehrt als Hochschullehrer an der Ruhr-Universität Bochum. Darüber hinaus ist er Gründer des gemeinnützigen Vereins placet e.V., der sich um die Wiederherstellung und medizinische Versorgung von Menschen kümmert, die an den Brennpunkten der Welt durch Terrorakte, Krieg und Folter verletzt und verstümmelt wurden.

Lieber Dr. Peter, sie leben und arbeiten in Berlin, das heißt nicht nur allein in München lassen sich Frauen operieren, sondern überall. Schönheitsideale auf Instagram von super-dünnen bis super-sportlichen Size-Zero-Mums erhöhen den Druck auf „normale“ Frauen die Mutter geworden sind.

Wie oft kommt es vor, dass Frauen sich nachdem sie ein oder mehr Kinder geboren haben, einer Schönheitsoperation unterziehen?

Frauen suchen mich immer wieder auf, um die Folgen der Geburt, die, die man bzw. Frau nicht haben will, zu korrigieren. Wie oft? Schwer zu sagen, ich weiss ja nicht, wer alles nicht kommt. Bei mir landen aber mittlerweile bestimmt alle zwei Wochen Anfragen.

… und ist diese Zahl im Laufe der letzten Jahre angestiegen oder unverändert?

Ja, es wird häufiger.

Welche Art von Operationen sind Besagte, nach Geburten?

A) Die Brust – sie kann hängen oder ist nach dem Abstillen kleiner geworden. Je nach Ausmass und gewünschter Veränderung sind unterschiedliche Massnahmen nötig wie z.B. Implantate oder eine Straffung. 
B) Der Bauch – er kann nachgegeben haben, die Haut kann hängen und / oder gerissen sein, Fett kann eingelagert sein und die Haut kann dann überhängen, die Bauchmuskeln können auseinandergewichen sein. Was ist zu tun? Je nachdem, es gibt immer nur individuelle Lösungen: Fettabsaugung, Hautstraffung unterschiedlichen Ausmasses, Adaptation der Bauchmuskeln (damit Verbesserung der Taille) und bei gerissener Haut: medical needling.
C) Die Scham – das heißt die Veränderung wie z.B. Überdehnung und Heraushängen der inneren Schamlippen. Das lässt sich chirurgisch korrigieren. Die äußeren Schamlippen bleiben in der Regel unverändert, obwohl dies auch korrigierbar wären.

Wann empfehlen Sie einen Eingriff UND wann nicht?

Ich empfehle immer nur dann einen Eingriff, wenn die Patientin erkennbar realistische Vorstellungen von den erreichbaren Ergebnissen hat, wenn sie ansonsten gesund ist, wenn ästhetische Grundregeln von ihr beachtet und akzeptiert werden.

Und wieviel Zeit nach einer Geburt empfehlen Sie einen Eingriff?

Brust: Ab 3 Monate nach dem Abstillen. 
Bauch und Scham: Wenn sich 3 Monate lang nichts mehr zum Besseren hin verändert hat.

Sind Kundinnen bei besagten Eingriffen Wiederholungstäterinnen oder kommen Sie das erste mal auf Sie zu?

Oft kommen sie genau für diese Wünsche zu mir; wenn die Schwangerschaftsveränderungen behoben sind, sind sie zufrieden und die Sache ist beendet.

Wie findet man Sie? Werden die Frauen von ihrer Frauenärztin direkt zu Ihnen geschickt? Oder welcher Facharzt überweist das?

Es überweisen Frauenärzte, ich werde empfohlen oder im Netz (über meine Website) gefunden.

Kann man mit Brustimplantaten stillen?

Ja, das kann man ungehindert, falls nach einer Brust-Korrektur noch ein weiteres Kind kommen sollte.

Wann ist eine OP keine Lösung?

Wenn mit einer OP psychische Probleme behoben werden sollen, die damit nicht behebbar sind. Wenn die Patientinnen extrem über-/untergewichtig sind. Wenn sie krank sind, drogenabhängig sind, Kettenraucher sind. Darüber kläre ich aber explizit auf. Keine OP erfolgt ohne intensives Beratungsgespräch. Das ist meine Philosophie und es ist wichtig, alle (Wunsch-)Vorstellungen zu besprechen und Fragen zu klären.

Wie sind diese Art von Eingriffe gesellschaftlich angesehen? Werden Sie auch mit Negativ-Stimmen tangiert? Und was sagen Sie denen?

Die gesellschaftliche Akzeptanz nimmt zu und ist inzwischen auf einem Niveau, das solche Korrekturen positiv besetzt. Was ich gelegentlich höre: „ich denke an so äußerliche und oberflächliche Dinge wie mein Äußeres und meine Schönheit und in der Welt gibt es so viel Elend.“ Meine Antwort: „die Welt wird nicht besser, wenn Sie die OP unterlassen. Sie wird nur dann ein wenig besser, wenn Sie sich zufriedener mit sich selbst durch einen schöneren Körper, für eine bessere Welt einsetzen.“

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview, lieber Dr. Peter!

Aber was bedeutet das nun für mich? Und für uns?
Ganz offen – der Hype um Ashley Graham war mir einen Ticken zu kurz. Sie hat den Stein des „Plus Size“ ordentlich ins Rollen gebracht und wurde dann trotzdem retuschiert was das Zeug hält (erinnert euch an das März-Cover der amerik. Vogue). Ätzend ist das. Und das FALSCHE Statement, wenn doch eigentlich mehr Akzeptanz für JEDEN Körper geschaffen werden soll.
Akzeptanz fängt aber zuallererst bei einem selber an, nicht bei den Leuten links und rechts neben sich. Was die denken, sollte einem herzlich egal sein und wenn es nicht so ist, dann sollte es das werden. Dazu gab es unlängst die Veröffentlichung des großartigen Dokumentarfilms „Embrace“ der Australierin Taryn Brumfitt, co-produziert von Nora Tschirner, in dem offen und schonungslos das Thema „Body Shaming“ aufgezeigt wird.
Taryn, die einst einen Fitness-Studio-gestählten Körper hatte, zeigt dem Zuschauer, dass das Leben ohne tägliches Workout und entsprechenden Körper dazu, kein Drama ist. Es kann sogar unglaublich befreiend sein, diesen ätzenden Druck hinter sich zu lassen und einfach über den Dingen zu stehen.

Jeder Körper ist schön - das zeigt der Instagram Channel vom 4th Trimester Bodies Project

Es gibt auch so unglaublich viele inspirierende Frauen, die uns auf ihren Insta-Channels  an ihrem selbstbewussten Umgang teilhaben lassen und deren Schönheit sich nicht im Mindesten unterscheidet von den Frauen, die Hochglanz-Magazine als selbstbewusst stilisieren. Ihr kennt noch keine? Dann folgt doch einfach einer (oder allen) von diesen hier:

  1. Ashley Graham – DAS amerikanische Plus Size Model der Stunde
  2. Taryn Brumfitt – Gründerin der Bewegung „Body Image Movement“
  3. Charlotte Kuhrt – mein Wedding Make-up Artist & Curvy Model
  4. Kera Thompson – Mummy of 4 & sehr cool im Umgang mit ihrer „high waisted jeans and a big butt“
  5. 4th Trimester Bodies Project – ist eine Bewegung die sich für Aufklärung und Empowerment von Frauen und Müttern durch Fotografien und Geschichten einsetzt

Gerade jetzt in der Schwangerschaft, wo die Waage jede Woche ein halbes Kilogramm mehr anzeigt, obliege ich nicht dem Druck, dünn und dünner sein zu wollen. Aber ich habe sie natürlich auch, die Momente, in denen ich mich oder meinen Körper nicht „optimal genug“ für ein Kleidungsstück finde. Momente in denen mir meine Freundinnen im Vertrauen erzählen, dass es unwahr ist „dass Stillen beim abnehmen nach der Geburt hilft“, eben weil bei ihnen die Kilos nur langsam oder gar nicht purzeln.
Momente, in denen ich mir auf Instagram oder Pinterest Bilder anderer Mums anschaue und mich eben nicht frei machen kann, von einem Druck, der auf uns Frauen und die Erwartungshaltung an eine bestimmte Ideal-Figur lastet. Obwohl das ausgemachter Blödsinn ist, von A bis Z. Das schönste Accessoire einer Frau ist ihr Lächeln und gefallen müssen wir am Ende zuallererst uns, egal was alle anderen davon halten!

P.S. Dieses Thema liegt uns sehr am Herzen, der Beitrag ist NICHT in Kooperation entstanden!
Foto Credits: alle aus dem Instagram Channel von stopcensoringmotherhood