Die wunderbare Mirna Funk hat es letzte Woche krachen lassen und unsere Gehirnzellen zum Thema “Ehegattensplitting” auf Touren gebracht. Jetzt denkst du, du bist nicht verheiratet, also kann dir das egal sein? Irrtum! Mirna sprich nämlich aus, wofür alle Eltern kämpfen sollten: bessere Steuervergünstigungen für Menschen mit Kindern, nicht für den Familien- bzw. Personenstand. Da sich hierzulande aber im BMF diesbezüglich einfach nichts tun will (Oder Herr Scholz??) hat Mirna beschlossen, sich jemanden zum heiraten zu suchen, um vom Splittingvorteil zu profitieren.   

Diese These ging ordentlich ab, wie ihr euch sicher vorstellen könnt.
Zahlreiche Likes und Kommentare feierten Mirna, boten sich ihr zum heiraten feil und kritisierten das vorherrschende, kirchlich geprägte und überholte, aktuelle Familien- und Ehe-Steuer-Modell. Wir haben uns daraufhin ernsthaft gefragt, warum wir A) immer noch so wenig Check vom deutschen Steuersystem haben, um lockerflockig mitzudiskutieren. Und B) ob Mirnas These wirklich aufgeht, bzw. welche Argumente ggfs dagegen sprechen.

Kopfrechnen war ja schon immer unsere Stärke, nicht

Zu A können wir euch beruhigen, denn sogar unsere Freundin als angehende Steuerberaterin sagt, „das Privatsteuerrecht ist soooooo kompliziert, da gibt es keinen schnellen Schluss, dass man mit dieser oder jener Stellschraube, hunderte Euro mehr heraus bekommt”.

Zu B kann man, wenn man seine romantische “Heiraten geht nur aus Liebe”-Keule im Schrank lässt, relativ neutral betrachtet sagen: Heirat bringt nicht nur einen monetären Splittingvorteil (bei einer ganz bestimmten Konstellation, neben vielen anderen), sondern vor allem auch Verantwortung mit sich, an der wiederum Finanzielles hängt.

Bleiben wir mal bei Mirnas Beispiel und stellen uns vor, sie, alleinerziehend und alleinverdienend mit einem Kind, erhält Steuerklasse 2. Das bedeutet, zu ihrem Gehalt erhält sie einen jährlichen Steuerfreibetrag von ca. 2.000 EUR, ganz korrekt heißt das Alleinerziehendenentlastungsbetrag und der liegt im Jahr 2018 bei 1.908 Euro. Darüber hinaus bekommt sie, wenn der Vater des Kindes keine Alimente zahlt, einen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt nach der sog. “Düsseldorfer Tabelle” (zum Rechner für Unterhaltsvorschuss 2018 gehts HIER lang) 

Und nun mal angenommen, sie findet jemanden, der weniger verdient als sie und bereit ist sie zu heiraten, und bereit ist, sich nicht mehr bei ihr zu melden – wie von ihr, in ihrem Aufruf als Bedingung erbeten – wieviel Geld gewinnt Mirna dabei wirklich?

Laut eigener Aussage, würde Mirna aus der Eheschließung 640,- EUR Ehegattensplitting-Vorteil ziehen. Pro Jahr sind das 7.680,- EUR. Nicht wenig, wie wir finden. Dem gegenüber stehen aber die Rechte und Pflichten eines Ehepaares:

  • Gemäß §1353 BGB sind Eheleute dazu verpflichtet, eine Lebensgemeinschaft aufzubauen, was bedeutet, dass sie auch zusammen wohnen und einen gemeinsamen Haushalt führen. Ziehen die zwei Verheirateten wirklich zusammen, fällt der Unterhaltszuschuss, den Mirna vom Jugendamt bekommt, weil der Vater nicht zahlt, vom Jugendamt weg. Das Amt geht nämlich davon aus, dass jetzt die zweite Person im Haushalt automatisch mitzahlt.
  • Wie das bei Wohngemeinschaften ist, müssen wir noch rausfinden, denn man kann dazu keine Auskunft auf dem Einkommensteuer-Mantelbogen (Seite 1, siehe Bild unten) hinterlassen.  
  • Wollen die Ehegatten keine häusliche Gemeinschaft gründen, obwohl keine Gründe dagegen sprechen, kann es sich gem. §1353 a) BGB um eine Scheinehe handeln, die gegebenenfalls aufgehoben werden kann. Das Eingehen einer Scheinehe steht in Deutschland aber nicht unter Strafe, nur wenn es sich z.B. um Betrug hinsichtlich der Aufenthaltsgenehmigung handelt. (Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG)
  • Eheleute haben das Recht auf Unterhalt.
    Wer Ja sagt, muss auch regelmäßig Einkommen und Vermögen offenlegen. Dies geschieht i.d.R. mit der Steuererklärung, denn Ehepartner haben die Pflicht zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung.
  • Außerdem ist zwischen dem Unterhalt nach der Trennung (Trennungsunterhalt) und dem Unterhalt nach der Scheidung (nachehelicher Unterhalt) zu differenzieren. Gerade bei der Konstellation, einer verdient Geld, der andere nicht oder weniger, bekommt letzterer i.d.R. Unterhalt. (mehr dazu findet ihr hier https://www.scheidung.org/unterhalt-ehefrau/)
  • Vermögen das während der gemeinsamen Ehezeit angehäuft wird, steht juristisch betrachtet in gleichen Teilen beiden Ehepartnern zu, es sei denn man hat die Aufteilung per Ehevertrag geregelt und notariell beglaubigt. Die Beratung dafür und eine notarielle Beglaubigung kostet auch wieder Geld.
  • Und sicherlich einer der skurrilsten Punkte: bekäme Mirna ein zweites Kind mit einer weiteren Person, die nicht ihr Ehepartner ist, wäre trotzdem ihr/e Ehemann/Ehefrau rechtmäßiges Elternteil auf der Geburtsurkunde. Andersherum gilt das natürlich genauso, würde Mirnas Mann/Frau eine Baby ohne sie bekommen. Herzlichen Glückwunsch!
    Das zu ändern, ginge nur per Scheidung und einigen Jahren Rechts-Hürdenlauf. Und in der Zwischenzeit wäre Mirna natürlich zu Unterhalt ggü. dem “Kuckuckskind” verpflichtet. Das Geld bekommt sie theoretisch irgendwann zurück, aber irgendwann, kann auch ziemlich lange in der Zukunft sein.   

Danke.
Sie sprechen mir aus der Seele.
Es ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit.
Das Geld das uns vorenthalten wird fehlt schlussendlich den Kindern die wir alleine großziehen . Zwischen dem oft vergeblichen Versuch , alleine einem Kind Geborgenheit und Sicherheit zu geben, und der Arbeit durch die wir dieses Kind ernähren , bleibt aber so wenig Kraft und Zeit dass man nicht auch noch politisch tätig werden kann. Deshalb haben wir Alleinerziehenden keine Lobby . Und unsere Kinder, die oft sehr darunter leiden dass der Vater wenig präsent oder gar komplett desinteressiert ist, werden auch noch finanziell benachteiligt .

Alleinerziehende haben es immer noch am schwersten, siehe Zitat auf ZEIT Online

CDU und CSU halten eben krampfhaft an überkommenen Familien und Ehemodell fest, das natürlich nur und ausschließlich gut verdienenen Paaren – also einer nicht oder nur wenig arbeitenden Frau Doktor ohne eigenes Studium vorbehalten bleibt. Alle anderen Paare, und da ist fast egal, ob verheiratet oder unverheiratet, müssen wirklich heute doppel-verdienen, damit es für das Alltagsleben reicht. In Großstädten und ohne ererbtes Eigentum an Produktionsmitteln oder Häuschen und Vermögen – also 95 % der BürgerInnen. Das ist für die Pech-Schwarzen unverzichtbar, um in den fünfziger Jahre zu bleiben (familienpolitisch): mit Frauchen und von ihr zu braven Kinderchen erzogenem Nachwuchs/Erben. Das ist für die gottgegeben.

Nur ein Zitat von vielen auf ZEIT Online, wo Mirnas Beitrag veröffentlicht wurde

„Ich habe eine gute Freundin zum Beispiel, die verdient wirklich gut, arbeitet schon seit ihrem 15. Lebensjahr, hat nebenher studiert, immer in die Rentenkasse eingezahlt und hat weiter 40 Stunden pro Woche gearbeitet, nach ihrem ersten Jahr Elternzeit. Mehr Elternzeit, sprich für den Vater, war nicht drin, denn er ist Selbständig und hat Angestellte. Alles hängt an ihm. Er verdient damit ein wenig mehr als sie, sodass sie auf Empfehlung ihres Steuerberaters die Steuerklassen 3 und 5 gewählt haben, anstelle 4 und 4. Ihr Mann bekommt also den Splitting-Vorteil, sie hat mehr Abzüge, dafür zahlt er vollständig die Miete in ihrer großen Wohnung in Berlin-Mitte. Klingt doch eigentlich fair!“

Malin Elmlid, Autorin von Mein Persönlicher Mutterpass, ist schwer dafür, dass der Partner, der den Splittingvorteil bekommt, diesen auf ein Konto einzahlt und es dem anderen Partner zur vollen Verfügung stellt. Eine gute Idee, wenn man nicht, wie bei meiner Freundin direkte, finanzielle Entlastung durch den Partner erhält. Bei Alleinerziehenden ist das noch heftiger, denn niemand teilt mit ihnen die Miete, die Versicherung für die Krankenkasse, das Auto, Hausrat, Haftpflicht, Unfall, Zusatzversicherungen für Brille oder Zähne, laufende Kosten für Lebensmittel, Strom, Wasser, etc. 

Auch darum ging es Mirna bei ihrem Aufruf, klar zu stellen, ein Kind läuft nicht einfach so mit, sondern kann mitunter soviel kosten wie eine erwachsene Person im Haushalt und deswegen sollte die Steuer jemanden mit Kind als Hauptverdiener, wie den Hauptverdiener in einer Ehe, mindestens gleichstellen.

Käme es zur Scheidung, wieviel Unterhalt müsste Mirna ihrem/ihrer Ex zahlen?

Liegen die Voraussetzungen für den Trennungsunterhalt und/oder für den Unterhalt nach Scheidung vor, beträgt in beiden Fällen der Unterhalt nach den Richtlinien zur Düsseldorfer Tabelle bzw. den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate.

Das sind 3/7 bzw. 45% des bereinigten Nettoeinkommens aus der Erwerbstätigkeit von Mirna, sofern ihr Ehemann oder ihre Ehefrau nicht erwerbstätig ist. ODER 3/7 bzw. 45% aus der Differenz des bereinigten Nettoeinkommens aus der Erwerbstätigkeit von Mirna zum bereinigten Nettoeinkommen aus der Erwerbstätigkeit des Ehemannes/der Ehefrau, sofern letztere/r erwerbstätig ist – der Unterhaltsanspruch des Partners ist also grundsätzlich geringer, wenn er oder sie eigene Einkünfte erzielt. Klar! Aus allen anderen Einkünften von Mirna (etwa Vermietung, Verpachtung oder Vermögenserträge) bekäme ihr/e Ex die Hälfte. Dabei handelt es sich um den sogenannten Basisunterhalt.

Betrachtet man sich nun mal alle Punkte zusammen (und es gäbe noch einige mehr, die wir hier noch nicht aufgezählt haben) würden wir Mirna davon abraten, eine Ehe aufgrund der monatlich 640,- EUR aus dem Ehegattensplitting zu schließen. Wir sind aber Feuer und Flamme für eine Reformation des deutschen Steuersystems. Menschen mit Kindern, egal ob verheiratet oder nicht, sollten spürbar steuerlich begünstigt werden. Für alle ohne Kinder, die jetzt schreien wollen “total unfair” und “passiert doch schon” – SHUT UP – passiert verschwindend gering und überhaupt nicht im Verhältnis zu dem, was der anständige Unterhalt für ein Kind bedeutet. Dazu gehört nun mal ein eigenes Kinderzimmer, Hobbys welche die Talente des Kindes unterstützen, Kleidung und Spielzeug, die Teilnahme an Kita- und Schulausflügen und überhaupt Betreuungskosten, wenn z.B. ein alleinerziehendes Elternteil voll arbeiten muss um den Unterhalt aufbringen zu können.
Auch nicht zu vergessen, sind Eltern, die beide arbeiten gehen, aber nicht genug verdienen, um ihr/e Kind/er Instagram-Bubble‘ig großzuziehen. Oder aber Eltern, die den Normvorschriften von 1950 entwachsen sind und Patchwork leben, was im Zweifel bedeutet, Unterhalt für Kinder zu zahlen die nicht bei ihnen leben und eine Familie zu finanzieren mit der sie gerade zusammen sind, ohne das leibliche Kinder darunter sind – ja das gibts. Ein weiter Blick über den Tellerrand und mehr Einfühlungsvermögen bzgl. der (finanziellen) Herausforderungen in einem Leben mit Kind, tun hier definitiv mehr als gut.   

MIRNA FUNK

Mirna Funk wurde 1981 in Ostberlin geboren. Sie arbeitet als freie Autorin, schreibt über Kultur und ihr Leben zwischen Berlin und Tel Aviv. 2015 erschien ihr Debütroman „Winternähe“, für den sie mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis 2015 für das beste deutschsprachige Debüt ausgezeichnet wurde.

Bei uns hat Mirna sich auch schon mal, mit einer Kolumne verewigt. Die tägliche Mirna-Dosis gibts bei ihr auf Insta.

Second try

Im Zeitraum 2012 bis 2013 gab es bereits die Petition Pet 2-17-08-6101-046674 mit dem Titel „Steuerpolitik – Gerechtere Besteuerung für Familien und Alleinerziehende”. Darin wurden gerechtere, steuerliche Abgaben für Familien und Alleinerziehende gefordert. Unterschrieben haben diese Petition leider nur 227 Personen, daher wurde das Petitionsverfahren in 2014 vom Bundestag beraten und abschließend beschlossen, dem Anliegen nicht zu entsprechen.  

Denkt ihr, wir sind bereit für einen zweiten Versuch?
We think so!!

Ehe­gat­ten­split­ting, das

Wortart:  Substantiv, Neutrum
Häufigkeit: ▮▮▯▯▯
Worttrennung: Ehe|gat|ten|split|ting

Das Ehegattensplitting (von englisch to split ‚aufteilen‘) ist das in Deutschland seit 1958 zur Berechnung der Einkommensteuer von zusammenveranlagten Ehegatten und Lebenspartnern angewendete Splittingverfahren.