„Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten“ schrieb Goethe einst in seinem Götz von Berlichingen. Licht bedeutet bei uns Leben, Schatten steht für das Gegenteil, für ein Thema dass so viele Frauen betrifft, das aber trotzdem stillgeschwiegen wird: es geht um verlorene Kinder. Dabei wird uns erst bewusst, wie skurril die Metapher ist, denn die Mutter „verliert“ das Kind ja nicht im Sinne von etwas verlegen oder einen Sachgegenstand, der spurlos verschwunden ist. Ein Kind zu verlieren, ist eine Schwangerschaft die frühzeitig endet und die bedeutet, dass die Mutter kein gesundes Baby zur Welt bringen wird.

Unsere Gast-Mummy Alex hat erst vor wenigen Wochen eine Eileiterschwangerschaft durch- oder besser gesagt überlebt. Während die Narben an ihrem Eileiter langsam heilen, schmerzt ihr Herz umso mehr. Nur langsam versteht sie, wie es sich anfühlt, wenn die Schwangerschaft und das Baby, auf das sie sich so sehr gefreut hat, abrupt abgebrochen sind, sie dieses Kind nicht zur Welt bringen wird. Ihre Gefühle und Gedanken hat sie hier für uns aufgeschrieben.

Diesmal hatten wir es geplant…

Es ist nicht so, als seien unsere beiden anderen Kinder nicht gewollt gewesen, aber sie passierten recht schnell. Ich brauchte meinen Mann nur anzuschauen und schon war ich schwanger.

Nun wünschen wir uns Kind Nummer drei schon seit längerer Zeit und was soll ich sagen: es klappte nicht. Zumindest nicht auf Anhieb. Nach einem guten halben Jahr war ich nun doch wieder schwanger und mehr als glückselig. Mein kleines Mädchen, wie ich es genannt habe. Endlich war ich wieder schwanger. Diesmal sollte alles anders werden, eine schöne, entspannte, glückliche letzte Schwangerschaft…

Doch es sollte wohl nicht sein.

Nachdem ich eine Woche mit dem Großen einen stationären Krankenhausaufenthalt hatte, hatte ich endlich einen Termin bei der Vertretung meines Frauenarztes bekommen und alles war in Ordnung beim Ultraschall.

Deswegen dachte ich mir auch nichts dabei, als ich in derselben Nacht heftige Schmerzen bekam. Die krieg ich schon weggeatmet, dachte ich mir. Und so war es auch. Mit einer Wärmflasche und ein bisschen Atmen wurden die Schmerzen wieder erträglich. Ich hatte einmal eine ganz minimale Schmierblutung, sonst nichts. Dr. Google meinte, Schmerzen in der Frühschwangerschaft könnten schon einmal passieren.

Den Tag darauf konnte ich mich eh nicht ausruhen – es leben die KiTa-Schließtage. Ich also mit beiden Kids und Freunden in den Märchenpark. Ein schöner Tagesausflug, der mir im Anschluss an unser Mittagessen erneut diese Schmerzen bescherte. Im Märchenpark selbst traf ich noch eine befreundete Frauenärztin, die meinte, ich solle mir keine allzu großen Sorgen machen, ganz viel Magnesium schlucken und mich hinlegen. Das tat ich dann nach einem Höllenritt nach Hause auch. Die Kleine verfrachtete ich früh ins Bett und mit dem Großen legte ich mich dann ins Bett, nahm Magnesium und eine Wärmflasche. Das war dann auch auszuhalten. Die Schmerzen gingen zwar nie ganz weg, aber waren ok, allerdings kamen vermehrt Blutungen hinzu. Am nächsten Morgen telefonierte ich mit meiner Hebamme, die mir ähnlichen Rat gab, ich solle möglichst viel Magnesium nehmen und auch Uterogest. Sie sagte aber auch, dass solche Schmerzen mit einem Frauenarzt abgeklärt werden müssen.

Da mein Mann in der vorherigen Nacht auf Dienstreise gefahren war, war ich ziemlich mutterseelenalleine mit den Kindern.

Donnerstagmittag wurden die Schmerzen wieder schlimmer, so dass ich nicht zu Ende kochen konnte. Da mein Mann geschäftlich verreist war und ich keine Familie in der Nähe habe, habe ich auf die Uhr geguckt und mir gesagt: du hast jetzt bis 15 Uhr Zeit, wenn es bis dahin nicht besser geworden ist, fährst du zum Arzt. Ich habe es nicht bis 15 Uhr ausgehalten. Ich habe meine Mama angerufen und sie gebeten, die Kinder von Kindergarten abzuholen, damit ich zum Arzt fahren kann. Gott sei Dank war sie an dem Tag nicht arbeiten und konnte binnen einer Stunde bei uns sein.
Beim FA angekommen (keine Ahnung, wie ich die halbe Stunde Autofahrt dorthin gemeistert habe), wurde freie Flüssigkeit im Bauch geschallt und ich blutete ohne Ende. Sie haben mich dann direkt per Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, was mir natürlich unendlich peinlich war.
Dort ging dann alles ganz schnell. Mein Eileiter war gerissen. Ich wurde als Not-OP dazwischengeschoben, wäre beinah verblutet, wurde ausgeschabt und musste an drei Punkten laparoskopiert werden, um den Embryo entfernen und meinen Eileiter wieder reparieren zu lassen.

Und dann war da neben der Trauer und diesem Schock vor allem das Gefühl des Alleinseins, ein Teil von mir fehlt jetzt einfach. Und im Krankenhaus gab es auch relativ wenig Verständnis – ich hätte ja schon zwei Kinder, da sei das ja nicht so schlimm. Es IST schlimm und ich weiß auch nicht, wie lange es dauern wird, bis es nicht mehr schlimm ist. Was mir geblieben ist, passt auf ein kleines Ultraschallbild

Was ich mit meiner Geschichte sagen möchte:
Viel mehr Familien müssen so etwas erleben als allgemein bekannt ist – das Thema wird in unserer Gesellschaft tabooisiert und das sollte es nicht werden.

Und vor allem:
Schmerzen – egal in welchem Stadium der Schwangerschaft gehören IMMER abgeklärt. Lasst euch nicht abwimmeln, Notfälle müssen von Ärzten terminlich dazwischengeschoben werden.

Die Eileiterschwangerschaft ist die häufigste Form einer Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter (Fachbegriff Extrauteringravidität).
Der befruchteten Eizelle gelingt es hierbei nicht, den Eileiter zu durchwandern. Sie nistet sich stattdessen in der Schleimhaut des Eileiters ein. Kommt es nicht zu einem spontanen Schwangerschaftsabbruch (Tubarabort), spricht man von der eigentlichen Eileiterschwangerschaft, dem Wachsen des Embryos im Eileiter. Nicht rechtzeitig erkannt wird diese in vielen Fällen lebensbedrohlich für die Schwangere, da der Eileiter wenig dehnbar ist und irgendwann reißt (rupturiert). Dies hat umfangreiche innere Blutungen im Bauch der Mutter zur Folge und kann zu Kreislaufversagen und zum Schock führen.
Die statistische Wahrscheinlichkeit einer Eileiterschwangerschaft gegenüber einer regulären Schwangerschaft liegt bei ca. 1–2 Prozent.

Wikipedia

Alex hat uns vor einigen Wochen ganz vorsichtig angesprochen und wir haben sofort gespürt, dass wir uns behutsam herantasten müssen und vor allem offene Ohren, Herzen und Arme geben wollen, denn Alex`hat recht damit, wenn sie sagt „es wird tabuisiert“.

Allerdings gibt es auch jene Menschen, die davon wissen, dass man ein Kind verloren hat, und die versuchen zu trösten oder einfach etwas sagen wollen, und es damit eigentlich nur noch schlimmer machen. Sätze wie „du hast doch schon 2 Kinder“ oder „dann macht ihr halt schnell ein Neues“ sind vielleicht lieb gemeint, aber doch sind sie ein zusätzlicher Schlag in den Unterleib. Unsere Erfahrung ist, dass die Sensibilität in der Gesellschaft für diese Art von traurigen, abrupten Schwangerschaftsabbrüchen noch viel zu wenig ausgeprägt ist. Vielleicht weil zu wenig darüber gesprochen wird, vielleicht weil man(n) sich nicht vorstellen kann, dass der Körper sich auch oder besonders im ersten Trimester einer Schwangerschaft deutlich verändert um sich auf die Schwangerschaft umzustellen und dass es nicht nur etwas Körperliches ist, was da vor sich geht, es geht auch ganz viel in Kopf und Herz vor sich.

Ganz wichtig ist aber auch zu verstehen, dass die schwangere Frau keine Schuld an einer Fehlgeburt hat. Und eine unserer Frauenärztinnen sagte einmal, dass wir Frauen uns vorstellen müssen, dass wir wie Bäume sind. Wir haben Wurzeln und Blätter und wir tragen jedes Jahr Früchte. Und manche werden groß und reif, und andere verkümmern schon zu Beginn und werden nie eine Frucht. Es ist ein völlig normales Bild und so sagte die Ärztin, glaubt sie auch, dass beinahe jede Dritte Schwangerschaft zu einem Abbruch führt. Die Gründe sind nicht klar und mal nistet sich das Ei falsch ein, wie bei unserer Gast-Mummy, mal ist das Kind nicht ganz gesund und somit nicht überlebensfähig. Schwangerschaftsabgänge in den allerersten Wochen eine Schwangerschaft werden – so geht die Ärztin von aus – nicht mal bemerkt und deswegen auch nicht artikuliert.

Wissen die werdenden Mütter davon, wünschen wir jeder von ihnen eine Schulter zum anlehnen und einen Ort, an dem sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen können, solange wie sie das brauchen. Wie wünschen uns insgesamt mehr Feingefühl, weniger Stillschweigen, weniger Stigmatisierung, gute Antennen, um Eltern die diesen Verlust erleben, in ihrer Trauer nicht allein zu lassen.

Diese, unsere Wünsche gelten genauso für Eltern, die ihre Kinder auf andere Weise verloren haben oder für Eltern die sich bewusst für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben. HIER erzählt uns Julia Stelzner wie es ihr damit ging, in nur einem Jahr zwei Fehlgeburten zu erleiden. Und Camilla ist derzeit Teil der Kampagne #coolmomsdontjudge von Löwenzahn Organics und setzt sich dabei vor allem für mehr „Solidarität unter Eltern“ ein.

#momssupportmoms #helpeachother

Ps: Sätze wie „Es hat nicht sollen sein“ oder „Es war ja noch kein Baby“ sind völlig unangebracht. Vorwürfe oder Ratschläge wie „Du hättest viel früher zum Arzt gehen sollen“ oder „Du hast ja noch einen zweiten Eileiter“ ebenso. Dann lieber Arme auf und #freehug

PPs: Das Aufmacherbild stammt von Pexels.