Mit dem Sommer vor der Tür und den Ferien zum greifen nah, steigt die Frequenz von Events, die sich neben Spielplatz- und Freibad-Dates, Eiscreme und Barbecues in den Mummy-Alltag einreihen. Wir wissen wie verwöhnt wir damit in Berlin sind und dass wir praktisch jeden Tag auf eine Veranstaltung für gute Zwecke oder zur Erweiterung unseres Netzwerkes gehen könnten. Eine Veranstaltung, die wir uns ganz besonders rot im Kalender angestrichen hatten fand letzte Woche statt – das #coolmomsdontjudge Panel.

Zu dem Presse-Event hatten die beiden Gründerinnen von Löwenzahn Organics, einem kleinen ökologischen Babynahrungshersteller von Bio Babymilch und Demeter Getreidebrei, geladen und auf einem Panel geballte Mummy Power zusammengebracht. Moderiert wurde die besondere Diskussionsrunde von Tanya Neufeldt aka Lucie Marshall, selber Mutter eines schulpflichtigen Kindes, voll berufstätig und immer wieder kritischen Blicken ausgesetzt, worüber sie auf ihrem eigenen Blog und bei uns als Gastautorin schreibt. Neben ihr saßen für Rede und Antwort Malin Elmlid, gebürtige Schwedin und Autorin der erfolgreichen Bücher “The Bread Exchange” und “Mein persönlicher Mutterpass”, Anja Estrada Pox, Apothekerin und Geschäftsführerin des Milchpumpen-Verleih-Services “Milchwiese”, Maria Ehrenstraßer, Hebamme aus Ingolstadt, Miriam Wiederer, Bloggerin von „Echte Mamas“, Susann Hoffmann, Mit-Gründerin und Geschäftsführerin des Online Magazins Edition F, Carmen Lazos Wilmking, Mit-Gründerin des Berliner Babynahrungsherstellers „Löwenzahn Organics“, und Camilla, unsere Mummy Mag Gründerin.  

Ihnen gegenüber saßen geladene Presse-Vertreter, Journalisten, Blogger, denen die Idee hinter dem Aufruf zu #coolmomsdontjudge vorgestellt wurde und die eingeladen wurden, sich daran zu beteiligen, etwas gegen diesen Zustand zu unternehmen. So war es besonders schön, dass am Ende der Vorschlag von Malin Elmlid als Essenz der ganzen Bewegung von allen Beteiligten bejubelt wurde. Sie sagte Mach doch jeden Tag einfach 3 Komplimente an Mütter, ob du sie kennst oder nicht, anstelle sie zu kritisieren. und fängt man erstmal damit an, wird die positive Resonanz nicht nur das Gegenüber, sondern auch die Absenderin selber beflügeln. Es ist ganz einfach.   

Sender-Empfänger-Modell

Der Auftakt der Kampagne erfolgte schon einige Wochen zuvor, als sich oben genannte Frauen plus weitere Mamas, insgesamt 10 verschiedene Bloggerinnen, bei einem Workshop in Berlin trafen. Dort wurden ihnen die Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Umfrage präsentiert und anschließend wurden Erfahrungen ausgetauscht und hitzig diskutiert, woher dieser Drang zu bashen oder mobben, das sogenannte “Mom-Shaming” herkommt und was man dagegen unternehmen kann.

Interessant ist nun was aktuell im Netz zu dieser Kampagne bei Facebook und Instagram weiterdiskutiert wird. So fühlen wir uns gerade zurück ins Studium versetzt, als die Schwächen des Sender-Empfänger-Modells analysiert wurden: “es fehlt eine differenzierte Betrachtung des Sprechaktes, welche beispielsweise dazu führt, dass eine Information als Witz oder Ironie erkannt werden kann”*. Bei der Kampagne geht es nur weder um Witz noch Ironie, sondern um die Ernsthaftigkeit eines Problems, dass Mütter dazu bringt sich schlecht zu fühlen, sich zu verstecken, zu denken sie handeln falsch oder gar gesundheitsgefährdend ggü ihren Kindern. Das kann doch nicht gewollt sein, dass man durch unüberlegte oder vorschnelle Äußerungen, andere Mamas so verzweifeln lässt. Und dass man eine Sache, die im Kern so viel Gutes will, so schlecht redet.

Während wir unseren Kindern lange Zeit beibringen werden, dass sie ihren eigenen Weg gehen sollen, andere nicht kopieren müssen oder die berühmte Frage stellen “Wenn alle Kinder aus dem Fenster springen, was machst du dann??”, quälen Mütter sich auf der anderen Seite mit Minderwertigkeitskomplexen und Selbstzweifeln. Und wozu das ganze? Nur um einer anderen Mutter zu gefallen? Das ist schier verrückt! Und leider so häufig, dass der Aufruf zu #coolmomsdontjudge längst überfällig war. Und vor allem einen bleibenden Eindruck hinterlassen soll. Ein Mantra sein soll, für alle die ihre Spitze Zunge zügeln lernen müssen (Lasst Liebe sprechen!) und für alle diejenigen, die erst noch Mutter werden und denen das dicke Fell, zu ungefragten, “lieb-gemeinten” Ratschlägen erst noch wachsen muss.

Es ist was es ist

Was #coolmomsdontjudge ganz bestimmt nicht sein soll, ist die Vermutung die sich jetzt bei Instagram breitgemacht hat, nämlich eine kluge Marketing-Strategie um mehr Bio-Pre-Produkte zu verkaufen. Nora Imlau, Autorin von u.a. “So viel Freude, so viel Wut. Gefühlsstarke Kinder verstehen und begleiten”, hat ihre Gedanken zur #coolmomsdontjudge-Kampagne in einem Instagram-Posting wiedergegeben und damit – bewusst oder unbewusst – genau das getan, worum es im Kern in dieser Kampagne eigentlich geht: Mütter verurteilt!
Mütter sollen miteinander reden und sich austauschen, aber die Art und Weise ist dabei sehr entscheidend. 

„Es ist völlig egal, ob in den Texten beteiligter Blogger*innen etwas über Stillen oder Pulvernahrung steht, oder ob die Gründerinnen des Unternehmens selbst stillen. Wenn ein Formulahersteller sich gegen ‚mummy wars‘ stark macht, tut er das nicht aus purer Menschenfreundlichkeit, sondern weil er an jeder Frau, die nicht oder nicht voll stillt, Geld verdient. Je subtiler das Marketing ist und je netter und stillfreundlicher ein Unternehmen dabei wirkt, desto besser fürs Geschäft.“

Nora Imlau

Autorin

Hey liebe @noraimlau– danke dir für deine ehrlichen Worte zu unserer #coolmomsdontjudge Kampagne. Wir verstehen deine Kritik natürlich, wollen aber gerne hier klar stellen, dass es uns mit dieser Kampagne keinesfalls darum geht, unsere Milchnahrungsprodukte zu vermarkten. Das Thema Mom-Shaming liegt uns unheimlich am Herzen, und die Frage Stillen oder Flasche ist nur einer der vielen Punkte, die wir in dieser Kampagne anschneiden. Wir als Unternehmen wissen natürlich, wie wichtig Stillen ist und unterstützen Stillen aus tiefster Überzeugung. Auch unsere beiden Gründerinnen haben gestillt bzw. stillen aktuell. Wir wissen aber auch, dass es persönliche Gründe dafür gibt, nicht stillen zu können oder zu wollen – oder sich für eine Mischform des Fütterns zu Entscheiden. Daher sind wir stolz, für diese Situationen unsere Bio-Milchnahrung anbieten zu können. Was wir allerdings zu keiner Zeit sagen oder je gesagt haben, ist dass Milchnahrung besser als Stillen sei – entschuldige, wenn das bei dir falsch angekommen ist. Denn was wir mit unserer Kampagne unterstreichen wollen, ist, dass es nicht darum geht für was man sich letztlich als Mutter entscheidet. Viel eher soll es darum gehen, sich nicht schlecht fühlen zu müssen – EGAL welche Entscheidung man für sein Kind trifft. Danke dir und liebe Grüße – Carmen & Liz

Carmen & Liz

Gründerinnen , Löwenzahn Organics

noraimlau@loewenzahnorganics

Hallo Carmen und Liz, ich habe Euch nicht falsch verstanden, keine Sorge. Ich habe auch nie behauptet, Ihr würdet die Ansicht vertreten, Pulvermilch sei besser als Stillen – das dürftet Ihr auch gar nicht. Trotzdem profitiert Ihr als Formula-Hersteller von Müttern, die nicht oder nicht voll stillen. Da ist eine Kampagne, die sagt, dass es ist doch letztlich nicht darum geht, wofür man sich entscheidet, natürlich sehr clever. Wisst Ihr: Ich nehme Euch sogar ab, dass Ihr persönlich Stillen toll findet. Doch das ändert nicht daran, dass es in meinen Augen unethisch ist, als Formula-Hersteller eine solche Kampagne zu starten.

Danke für Eure Antwort, ich schreibe Euch mal eine E-Mail. 😊

Nora Imlau

Autorin

Aber wem steht es denn eigentlich zu, sich für Mütter stark zu machen und wem nicht? Und wer soll darüber entscheiden, es erlauben oder es verbieten? Versteht ihr die Zwickmühle? Sollen Unternehmen die ein Problem erkennen und die notwendigen Mittel in die Hand nehmen wollen, nicht darüber sprechen, sondern darauf warten, dass es jemand anderes tut. 

Das wäre ja fast so, als würde man unserer Hebamme Sissi Rasche verbieten, öffentlich über die Hebammenproblematik in Deutschland zu sprechen, weil sie als Person einer breiten Öffentlichkeit noch bekannter werden würde und sie deswegen ggfs. mehr neue werdende Mütter als Patientinnen oder Kundinnen für ihre großartige Erstausstattung „BABYBOX Winzig und Klein“ gewinnen würde. Klingt ziemlich konstruiert? Ja, genau, das ist es auch! Aber genauso fühlt sich für uns die Theorie von Nora Imlau an. Löwenzahn Organics hat uns eingeladen, uns für diese Sache zu engagieren und stark zu machen. Wir hatten die freie Wahl und fanden bzw. finden das so gut und wichtig, dass wir voll hinter #coolmomsdontjudge stehen. Löwenzahn Organics hat wiederum nicht und nirgends gesagt, “urteilt nicht und kauft unsere Pre-Milch-Produkte” – hier wurde ein falscher Kontext geschaffen und scheinbar leider auch nicht versucht, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Der Post von Nora Imlau hat 24 Stunden nach Veröffentlichung, über 1.000 Likes und über 200 Kommentare. Viele davon geben Noras Behauptung recht und echauffieren sich über Löwenzahn Organics, setzen das Unternehmen mit Nestlé gleich, benutzen Wordings wie “perfide”, “cleveres Marketing, deswegen umso schlimmer”, “der Hersteller sollte bei Nora Imlau keine Plattform bekommen!” (Nein, aber den Hersteller öffentlich zu diffamieren ist in Ordnung?). Und mal ehrlich, soll Löwenzahn Organics uns da ernsthaft eine Lektion in Sachen “gerissenes Marketing” erteilt haben?? Really?!?! Es gibt nämlich auch Kommentare die eine andere Meinung vertreten und die viel mehr unsere Sicht auf die Dinge widergeben:

Ich bin die Designerin, die das Video zur Kampagne gefilmt und geschnitten hat und ich finde, @noraimlau das ist ein bisschen zu einfach, oder? Prinzipiell würde ich sagen, dass es ein sehr wichtiges Kommentar ist und man auf jeden Fall hinterfragen sollte, wenn ein Unternehmen gegen Richtlinien verstößt, aber dann doch bitte mit korrekten Fakten (Wo genau wurde denn Milchnahrung beworben?) und differenziert.

Die wichtigen Fragen wären gewesen: Wie können Mütter, die nicht stillen können, über Flaschennahrung informiert werden, ohne dass diese werblich genutzt werden. Braucht es Vermittler, die zwischen Instanzen wie der WHO und Unternehmen kommunizieren, um eine Einhaltung und Wertschätzung von moralischen Grundsätzen sicher zu stellen?

Und hier die korrekten Fakten:

Die #coolmomsdontjudge Aktion hatte als Ziel mit unfairen Vorurteilen gegenüber Müttern aufzuräumen und viele tolle Moms haben während des Dreh’s (OHNE SKRIPT) ihre Geschichten erzählt, die einen wirklich an unserer Gesellschaft zweifeln lassen, weil Müttern grundsätzlich unterstellt wird, alles mögliche falsch zu machen.

Aus Business Sicht finde ich das Kommentar absolut einfältig. Solche Aktionen sind auch dazu da, dass Unternehmen ihren moralischen Standpunkt  und ihre Philosophie zeigen können – was absolut jedem Unternehmen zusteht – und Löwenzahn spricht sich für einen toleranten und unterstützenden Umgang mit Müttern aus und wird dafür so runtergezogen? Es grenzt auch an eine Frechheit, dass hier im Rahmen dieser ganzen Diskussion, Löwenzahn Organics mit Nestle vergleichen wird – das ist einfach nur schlecht recherchiert. Löwenzahn legt größten Wert auf die Qualität und Inhaltsstoffe ihrer Produkte und das kleine Team um Liz und Carmen ist kein Großkonzern, der unsere Welt kaputt macht, sondern genau das Gegenteil. Ich kann aus vollem Herzen sagen, dass ich die beiden Gründerinnen zu 100% unterstütze, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, hochwertige Produkte für Säuglinge und Kinder zu produzieren – anstatt solche Unternehmen zu bashen, die tatsächlich etwas an der Art und Weise wie wir konsumieren, was wir unseren Kindern geben und auch noch eine Diskussion zu einem freundlichen und respektvollen Umgang miteinander anstoßen, würde ich sie gerne unterstützen – @löwenzahn_organics 💪🏻 Und Fun Fact für alle haters:  Beide Gründerinnen sind Mütter, eine stillte sogar während unseres Drehs und hat sich im Rahmen der Aktion dafür ausgesprochen, dass Mütter in der Öffentlichkeit ZUM STILLEN ERMUTIGT werden.

Lea

Designerin

Kann nicht anders, als diesen Beitrag als wahnsinnig selbstgefällig zu betrachten. Eine Firma macht eine Kampagne für mehr mütterliche Nächstenliebe und das wird verurteilt? So funktioniert doch Marketing und mit einem positiven Inhalt ist das auch völlig in Ordnung. Dahinter steckt eine Firma, die Geld verdienen will, um sich und Mitarbeiter zu bezahlen. Letztendlich ist doch auch dein Beitrag hier nichts anderes als Selbstvermarktung und einem Streben nach mehr Reichweite. Du kannst aber noch so oft schreiben, dass du dafür bist, dass Mütter sich gegenseitig mehr unterstützen – schon mit einem Hashtag wie #coolmumsdontpromoteformula degradierst du Fläschenmütter zu Müttern 2. Klasse. Damit befeuerst du genau den Grund, warum so eine Kampagne mehr als wichtig ist. Glaube mir, die Stilllobby ist weitaus aggressiver und verurteilender als die Formulalobby und treibt Fläschenmütter in starke Selbstzweifel bis hin zu Depressionen. Formulaunternehmen müssen Werbung machen, damit sie sich auf dem Markt plazieren können und Fläschenmütter sich damit auseinandersetzen können. Gerade weil Fläschenmütter einem derartigen Druck, vor allem in Deutschland, ausgesetzt sind, ist es nur folgerichtig, dass ein Babymilchanbieter für mehr gegenseitige Unterstützung wirbt. Dein Beitrag will reflektiert erscheinen, ist aber am Ende aber sehr einseitig und selbstgerecht.

Anne-Kathrin

Kinderbuchillustratorin

Was sagt eigentlich der WHO-Kodex aus?

Es ist wirklich schade, dass die ganze Debatte durch Nora Imlaus Kommentar plötzlich auf den Punkt „Pulvermilch ist genauso gut wie Muttermilch“ reduziert wird. Und in gleichem Atemzug auch noch behauptet wird, man verstoße gegen die Auflagen der WHO**. Was genau der sagt?

  1. Folgemilch und Kindermilch, welche für Kinder unter 3 Jahren (36 Monaten) vermarktet werden, fallen unter den WHO-Kodex und dürfen nicht beworben werden.
  2. Botschaften über Beikost sollen immer darauf hinweisen, dass Beikost nicht vor dem 6. Lebensmonat eingeführt werden soll und dass Stillen neben Beikost mindestens bis zum Alter von zwei Jahren fortgesetzt werden soll.
  3. Etiketten und Verpackungsdesign von Beikostprodukten soll sich von denen auf Muttermilchersatznahrung unterscheiden, um eine sog. „Cross Promotion“, d.h. die Übertragung des Werbeeffekts auf Milchnahrung zu vermeiden.
  4. Firmen, die Muttermilchersatznahrung (Anfangs- und Folgenahrung oder Kindermilch) vermarkten, dürfen keinen direkten Kontakt zu Eltern oder anderen Bezugspersonen herstellen (also keine Elternberatung, „Babyclubs“, Facebook-Gruppen, Wettbewerbe usw.).
  5. Jede Spende an das Gesundheitssystem von Firmen, welche Nahrung für Babys und kleine Kinder vermarkten, stellt einen Interessenkonflikt dar und sollte unterbleiben. Mitarbeiter im Gesundheitsbereich, medizinische und ernährungswissenschaftliche Fachgesellschaften, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen dürfen keine Spenden / Sponsoring von Firmen annehmen, die Muttermilchersatzprodukte vermarkten.
  6. Konferenzen, Symposien und Kongresse von Fachleuten im Gesundheitswesen dürfen nicht durch Firmen gesponsert werden, welche Nahrung für Säuglinge und kleine Kinder vermarkten.

“… Denn so richtig und wichtig die Forderung auch ist, sich nicht gegenseitig zu verurteilen – wenn ein Formulahersteller dazu aufruft, doch endlich keine Unterschiede mehr zwischen Stillen und Flaschenernährung zu machen, unterminiert er damit subtil und wirkungsvoll all die Bemühungen der modernen Stillförderung. 

Also passt auf, wer Euch hier auf Instagram in den nächsten Wochen erzählen will, dass coole Mütter sich gegenseitig nicht verurteilen. Denn so richtig diese Aussage ist, so bedenklich ist es, wenn sie von einem Unternehmen kommt, das mit dem Nicht-Stillen Geld verdient.”

Nora Imlau

Autorin

Was Camilla und uns in dem Zusammenhang extrem ärgert

Nora Imlau hat eine starke Stimme und eine starke Meinung. Sie selbst hat entschieden, dass sie die Kampagne nicht mit ihrer Einstellung zum WHO-Kodex vereinbaren kann und erklärt dies auch. Gleichzeitig tut sie aber zweierlei: Sie hat eine extrem positive und spannende Kampagne zu einem sehr komplexen Themenbereich zum einen nicht richtig und vereinfacht dargestellt, was die Komplexität somit völlig untergräbt. Zum anderen hat sie ihr Urteil öffentlich auf nicht ganz wahrheitsgemäßen Aussagen beruhend gefällt. Und so sieht es aus, als hätte sie ihre Aussagen schlicht und ergreifend schlecht recherchiert. Was in dem Fall zur Folge hat, dass es eine Lobby gibt, die ihr mit wehenden Fahnen zujubelt, die LO-Gründerinnen und deren Intention an den Pranger stellt und plötzlich alle, die das Thema unterstützen, als Dummköpfe dargestellt werden, weil sie vor lauter „Blauäugigkeit“ die subtile Marketingstrategie dahinter nicht erkennen können.

Warum es mich ärgert? Die Diskussion dahinter ist leider nicht ganz die richtige. Ich weiß von wahnsinnig tollen Frauen, dass auch diese teilweise Bauchschmerzen hatten, weil sie die Vereinbarkeit der Kampagne mit dem WHO-Kodex hinterfragt hatten. Doch was ich an diesen Frauen bewundere – sie setzen sich mit dieser wirklich vielschichtigen Problematik aktiv auseinander. Eine dieser Frauen ist die Hebamme und Autorin Kareen Dannhauer, die dazu nicht nur eine spannende Story auf Instagram gemacht hatte (die leider nach 24 Stunden verschwindet), sondern die sich mit einigen Tagen Abstand und als Reaktion auf das Posting von Nora Imlau, in einem tollen Text kritisch mit der Kampagne auseinandergesetzt hat.

Camilla

Bloggerin, Mummy Mag

Was Camilla an der Diskussion aber noch wundert, ist die Frau, die den Anstoß zu besagter gegeben hat. Nora Imlau ist die Autorin, die noch vor einem Jahr den Artikel “Stillen ist Liebe, Fläschchengeben auch” für das Zeitmagazin geschrieben hat und im Grunde für mehr Toleranz geworben hat. Dass sie heute so ein harsches Urteil fällt, bringt Camilla echt nur schwer zusammen.

Aus ihrer Sicht versucht Nora Imlau zwar immer wieder darauf hinzuweisen, dass es ihr nicht um den eigentlichen Inhalt der Kampagne geht, sondern um den Fakt, dass eine solche Marketingkampagne nicht vereinbar ist mit einem Fläschchenmilch-Hersteller, Sie sagt dazu konkret “… Manchmal disqualifizieren sich Aktionen nicht durch ihre direkten Inhalte, sondern durch ihre Intention dahinter. Und wieso sollte ein Milchpulver-Produzent Geld in die Hand nehmen, wenn er sich davon keine höhere Gewinnmarge verspricht?”.

Camilla findet, dass die Diskussion an dieser Stelle auf ein professionelles Level gehoben werden könnte, doch leider geschieht das nicht. Sie würde sich wünschen, dass wir darüber diskutieren, welche Art der Werbung hier in Ordnung und angemessen ist „Sind wir mal ehrlich, kein Unternehmen kann sich am Markt durchsetzen, ohne Werbung zu machen. Was aber passiert – und schon sind wir beim Kern der Grundproblematik angekommen – es wird geurteilt. Und zwar schnell, viel zu schnell und viel zu uninformiert. “Wie, da steckt ein Unternehmen mit Pre-Milch dahinter? Das geht alles überhaupt nicht!” Hier wird weder nachgelesen, nachgeprüft oder nachgefragt (Einzelpersonen ausgeschlossen), sondern es wird eine Behauptung aufgestellt und jetzt springen alle auf den Zug des Urteilens auf. Es geht wieder nur um gut und schlecht, um schwarz und weiß. Vorher war es cool und wichtig, jetzt nicht mehr.“ Was Camilla fehlt, ist die inhaltliche Auseinandersetzung.

Die gibt es aus Ihrer Sicht bei Nora Imlau in den Kommentaren nicht, denn es wird zu einem reinen Stilllobby-Thema hochgepuscht. Im Kommentar-Verlauf stehen Sätze wie “Stillen ist Grundrecht eines jeden Babys”, “Stillen ist das beste” und und und. All das möchte Camilla absolut nicht negieren, aber aus ihrer Sicht sind es genau diese banalen Aussagen, die dafür sorgen, dass sich wahnsinnig viele Frauen schlecht fühlen. Und eben darum geht es bei der Kampagne, die wir aus tiefstem Herzen unterstützen. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass Mütter sich weniger verurteilen und dafür viel mehr unterstützen. Wir wollen, dass Mütter stärker, mutiger und freier in ihren Entscheidungen werden.

Camilla sowie die Gründerinnen von Löwenzahn Organics sprechen jeder Frau zu, dass sie die Entscheidung, ob sie stillt oder nicht stillt, für sich entscheidet – und insbesondere NICHT leichtfertig entscheidet. Doch ganz wichtig ist, dass die Kampagne unter dem Hashtag #coolmomsdontjudge nicht vollends auf das Stillen reduziert wird, denn es geht doch um so viel mehr. Es geht um uns als Mütter, wie wir uns gegenseitig behandeln und – wie Kareen Dannhauer letzte Woche auch auf dem Panel gesagt hatte, es geht darum, dass wir auch die Selbstzweifel und die Selbstverurteilung endlich ad acta legen. Wir wünschen uns so sehr, dass wir “gemeinsam stark sind” anstelle in Lobbys und Vorurteilen zu versinken. Aus fast allen Kommentaren konnte Camilla eine klare Bewertungshaltung herauslesen – und genau das ist es doch, was uns Mamas so schwächt.

Camilla ist für die kritische Auseinandersetzung mit Themen: „Wir alle sollten immer versuchen Motive und Intentionen (auch unsere eigenen) zu hinterfragen und zu reflektieren. Aber wir sollten auch einfach mal still halten können, bzw. unsere Worte gut abwägen. Nora Imlau ist eine geschäzte Autorin, die Ratgeber für Mütter schreibt. Es stünde ihr aber genau in diesem Zusammenhang gut, hätte sie sich vielleicht ein paar Tage mehr Gedanken gemacht. Aber vielleicht lässt es ihre Zeit auch nicht zu, schließlich hat sie gerade ein neues Buch veröffentlicht, sie ist auf Promotour unterwegs und vielbeschäftigt. Vielleicht kommt ihr da die große Aufmerksamkeit gerade recht, schließlich muss auch eine Autorin Marketing machen. Oh, hab ich da zu schnell geurteilt? So fühlt sich das an. Nicht gut!“

Camilla verabschiedet sich mit den wunderbaren und klugen Worten von Kareen Dannhauer: “Es ist, wie so oft, eben komplex, oben steht das irgendwo schon mal, und am Ende dieses Artikels bleibt es dabei. Keine Lösung, keine Antwort. Aber ein lebendiger Diskurs. Und wenn die Kampagne nur dazu gut war – ist sie ein wertvoller Beitrag”

Danke!
#coolmomsdontjudge

Was denkt ihr?

Wir wollen keine Lager aufmachen, wir wollen wissen was ihr denkt? Sollte es Herstellern von Produkten wirklich nicht erlaubt sein, sich für gesellschaftspolitische Dinge stark zu machen? Und falls sie es machen, sollten sie sich dann auch gefallen lassen, wenn ihnen „scheinheilige Werbung“ vorgeworfen wird? Und geht ihr mit uns und glaubt, dass eine Kampagne wie #coolmomsdontjudge – egal von wem sie kommt – längst überfällig war?

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Liebst, das MM Team