Es war Freitag, der 13te Mai 2016. Nach nunmehr anderthalb Jahren versuchten Grit (40) und ihr Mann im fünften Anlauf auf künstlichem Wege schwanger zu werden. Sie hatten im April die Kinderwunsch-Praxis gewechselt und hofften in der neuen Praxis ihr Glück zu finden. Grit erzählt uns hier ihre Geschichte, die sich für mich wie ein Märchen liest, so viele Steine lagen ihnen im Weg… Herzlichen Glückwunsch zu Milan!

„Der emotionale Druck war in den vergangenen Monaten stetig gewachsen und gipfelte in dem vierten gescheiterten Versuch kurz vor meinem 40ten Geburtstag. Als wäre der Druck durch das finanzielle Risiko nicht schon hoch genug. Bei verheirateten Frauen bis 40 werden bis zu drei Versuche von der Krankenkasse teilfinanziert. Auch der Senat in Berlin finanziert seit dem Sommer 2015 den 2. und 3. Versuch mit bis zu 25% der Kosten über die Kassenärztliche Vereinigung. Auch hier gilt: nur bei verheirateten Paaren und nur dann, wenn die Frau nicht älter als 40 Jahre ist*. Uns kam das im richtigen Moment zu Gute. (Statistiken belegen, dass beim 4. und 5. Versuch die Chance schwanger zu werden am höchsten ist, danach sinkt sie wieder. Was auch daran liegen kann, dass vielen der finanzielle und emotionale Atem ausgeht.) Nach diesen anderthalb Jahren des Bangens und Hoffens waren meine finanziellen und emotionalen Reserven jedenfalls aufgebraucht. Aber ich wollte unseren Traum vom Wunschkind noch nicht aufgeben, nahm einen Kredit auf und wechselte die Praxis. In der neuen Praxis, die uns empfohlen wurde, trafen wir auf kompetente und sehr ehrliche Ärzte und beschlossen, es ein weiteres Mal zu versuchen. Was auch hieß, wieder Hormone zu nehmen und mir selbst Spritzen zu verabreichen. Aufgrund meiner Endometriose war schlecht zu erkennen, ob und wie viele Eizellen in meinen Eierstöcken heranreiften. Wir hofften auf 2-3 in diesem Versuch, denn aufgrund der Endometriose und meines Alters war die Eizellproduktion bereits eingeschränkt. Bei der Punktion am 13ten Mai wurde mir nach dem Aufwachen aus der Narkose von meiner Ärztin mitgeteilt, dass sie leider nur eine Eizelle gewinnen konnten. Für mich war das ein absoluter Tiefschlag und mein Mann in diesem Moment mein Fels in der Brandung, der mich voller Zuversicht mit den Worten „Das ist doch toll. Wir brauchen doch nur diese eine Eizelle!“ tröstete. Am nächsten Tag sollten wir in der Praxis anrufen und fragen, ob es zu einer Befruchtung gekommen war und die Zellteilung voranschritt. Als man mir sagte, dass es tatsächlich geklappt hatte, kamen mir die Tränen. Am Montag, den 16ten, wurde uns das sich bestens entwickelnde Ei zurückgegeben. Wir waren voller Euphorie und Hoffnung. Wir hofften und beschworen, dass es dieses Mal klappen würde. Und wir hatten beide so ein Gefühl, dass es sich um ein weibliches Embrion handelte. Mein Mann flog ein paar Tage später zum Arbeiten nach Kuba und ich war allein in Berlin. Ich stürzte mich in die Arbeit und versuchte so wenig wie nötig und doch so hoffnungsvoll wie möglich daran zu denken, dass in mir möglicherweise etwas heranwächst. Nach 14 Tagen dann der Besuch bei meiner Ärztin und die Blutabgabe. Ich sollte ein paar Stunden später wieder anrufen und nach dem Ergebnis fragen. Es war 15 Uhr und mein Puls raste, als ich die Nummer der Praxis wählte. Dann die Stimme der Sprechstundenhilfe, die meinte, sie müsse erst nachschauen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich versuchte, mich auf ein negatives Ergebnis vorzubereiten, sagte sie: „Herzlichen Glückwunsch, sie sind schwanger!“ Ich konnte es kaum fassen. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich schnappte nach Luft. Ich konnte kaum antworten, so sehr übermannten mich meine Gefühle. Dann legte ich auf. Und schrieb meinem Mann eine SMS. „Wir sind schwanger!“ Als er anrief, heulte ich Rotz und Wasser vor Glück und auch er wurde von seinen Gefühlen überrollt. Meine Schwangerschaft verlief sehr gut und ich liebte es schwanger zu sein. Der Babybauch war bereits im dritten Monat kaum noch zu verstecken und es bereitete mir große Freude, mir diverse Schwangerschaftsoutfits zuzulegen. Ich liebte meinen Bauch und genoss bewusst jeden Augenblick dieser – für mich höchstwahrscheinlich einmaligen – Zeit in meinem Leben. Ich war kurz davor gewesen aufzugeben und ein Leben ohne Kind für mich zu akzeptieren. Doch dann passierte es. Das Glück! Die ersten Herztöne und der kleine Punkt, der sich immer mehr zu einem Menschen entwickelte. Beim ersten 3D-Ultraschall bescheinigte mir die Ärztin Werte wie eine 30-jährige, aber auch eine Plazenta praevia (was bedeutet, dass meine Plazenta sich im unteren Bereich der Gebärmutter befand und den Muttermund voll bedeckte. Das kommt vor, weil sich die Plazenta immer dort entwickelt, wo sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutterwand einnistet, und passiert bei drei bis sechs von 1000 Schwangeren). Bei künstlichen Befruchtungen kommt es wohl recht häufig vor. Ich versuchte mich nicht selbst zu beunruhigen und vertraute darauf, dass dieses Kind mein Kind sein würde.

In der 20. Woche konnten wir ganz deutlich erkennen, dass es sich nicht um ein Mädchen handelte, sondern ein kleiner Junge da in mir heranwuchs. Beim zweiten 3D-Screening wurde uns nahegelegt, uns eine Uniklinik mit Kinderstation für die Entbindung zu suchen, da es bei Plazenta praevia oft zu frühzeitigen Blutungen kommen kann und es möglicherweise ein Frühchen werden könnte. Auch würde ich nur mit Kaiserschnitt entbinden können, da es auch bei der Entbindung zu starken Blutungen der Plazenta kommt. Wir entschieden uns für die Charité in Mitte. Ich wollte unbedingt eine Baby-Shower feiern und fing an diese zu planen. Ja, ich weiß, das sollten eigentlich die Freundinnen tun, aber ich wollte es selbst übernehmen. Am Tag der geplanten Party hatte mich eine starke Erkältung erwischt und ich musste sie 14 Tage verschieben. Dann 14 Tage später war alles soweit vorbereitet. Ich stand morgens in meiner Küche und wollte den letzten Kuchen backen, als ich merkte, dass etwas nicht stimmte und es sich anfühlte, als würde ich meine Tage bekommen. Im Badezimmer stieg Panik und Angst in mir hoch. Was war mit dem Baby? Ging es ihm gut, warum blutete ich und was jetzt? Hebamme anrufen? In die Klinik fahren? In meinem Kopf rauschte es! Und was wird aus der Baby Shower? Würde diese heute noch stattfinden? Ich ging ins Schlafzimmer und weckte meinen Mann. Der sprang auf und war noch etwas kopflos, als wir 10 Minuten später im Auto auf dem Weg in die Charité saßen. Zum Glück spürte ich immer mal wieder Kindsbewegungen, was mich etwas beruhigte. In der Klinik angekommen, wurde ein CTG gemacht und wir waren gleich entspannter, da die Hebamme nicht den Anschein erweckte, es handele sich um eine kritische Situation. Nach der Untersuchung durch die Ärztin sagte man mir, ich sollte drei Tage zur Beobachtung bleiben. Die Blutung hatte zwar wieder aufgehört, trotzdem bekam ich in den nächsten zwei Tagen zwei Spritzen für die Lungenreife des Kindes, falls ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden müsste. Wir überlegten lange und diskutierten die Risiken. Ich entschied in der Klinik zu bleiben. Meinem Sohn war wohl nicht nach Party. Ich war enttäuscht. Und schickte meinen Mann zum Bäcker, um den vorbestellten Kuchen abzuholen. Wir hatte es tatsächlich geschafft, dass wir die Bestellung vom ersten Termin auf heute verlegen konnten. Als die Verkäuferin dort von meinem Mann erfuhr, dass ich im Krankenhaus lag, gab sie ihm einen Gutschein. Im Krankenhaus erfuhr ich von meiner Bettnachbarin, welche ebenfalls knapp 40 und durch künstliche Befruchtung schwanger war, dass es bei Plazenta praevia oft einen 14-Tages-Rhythmus der Blutungen gibt. Sie sollte Recht behalten, denn in SSW 34, knapp 20 Tage nach der ersten Blutung, bekam ich am 24. Dezember meine nächste Blutung und diese war wesentlich stärker als die erste. Erneut waren wir nach 20 Minuten in der Klinik. Es war der Weihnachtsmorgen und die Familie quasi schon auf dem Weg zu uns. Auch diese Party musste also abgesagt werden und es sollte das erste Weihnachten im Krankenhaus für mich werden, aber mit dem Besuch von guten Freunden und der Familie, Weihnachtsessen in Tupperdosen sowie Live-Videos vom Weihnachtsfest im Hause meiner Schwester überstand ich auch das. Jetzt hatte etwas anderes Priorität, „die Gesundheit von Mutter und Kind“. Ich sollte mich schonen. Nun, ich gebe zu, die 120 qm-Wohnung vor Heiligabend zu putzen war sicher nicht meine beste Idee gewesen. Und ganz sicher auch nicht förderlich. Aber auch das gehörte wohl zum Nestbautrieb dazu und mein Mann hatte mich nicht davon abbringen können. Jetzt musste ich einsehen, dass sich einiges ändern musste, wenn ich nicht den Rest meiner Schwangerschaft liegend verbringen wollte. Mir wurde empfohlen, nun doch nicht mehr bis zum geplanten Entbindungstermin Ende Januar zu warten und aufgrund der Blutungen den Termin in 14 Tagen, sprich auf die SSW 37, vorzuverlegen. Das gefiel mir gar nicht, wollte ich doch den kleinen Mann so lange wie möglich in mir tragen. Auch wurde ich wehmütig, dass meine Schwangerschaft jetzt plötzlich vier Wochen kürzer sein sollte als von Mutter Natur angedacht. Ich durfte am 26. Dezember wieder nach Hause. Und nun tickte die Uhr.

Neuer Termin war Montag, der 9. Januar und wir hatten noch nicht alles vorbereitet. Da war die Kliniktasche, die ich immer noch nicht gepackt hatte und schon zwei Mal gebraucht hätte. Das Kinderbett, die Babysachen, die noch gewaschen werden mussten, die Hängematte (als Wiege) fürs Baby und, und, und. Nach drei Tagen war dann aber alles erledigt, mein Mann fix und fertig und ich wieder auf meiner Couch – meinem Lieblingsplatz seit SSW 30, seit der von Tag zu Tag alles viel beschwerlicher wurde. Auch die Müdigkeit nahm wieder zu, ganz zu schweigen vom Sodbrennen. Die letzten Tage vor der geplanten Entbindung verbrachte ich damit, meine Beine noch einmal zu waxen und zur Pediküre zu gehen. Ich hoffte, ich würde mich dann im Wochenbett besser fühlen. Haha. Aber es hat meine Nervosität gemildert. Mitte der Woche dachte ich darüber nach, wieso ich nicht schon am 07. Januar entbinde, das wäre doch mal ein schönes Datum. Als ich am Morgen des 07. Januars mich an meine Nähmaschine setzte und den Betthimmel fertig nähte, spürte ich erneut die Anzeichen für eine Blutung und da war klar: Heute wird es passieren. Mein Sohn wird geboren. Ich hatte schrecklichen Hunger und so aß ich vor Abfahrt ins Krankenhaus noch einen Joghurt. Wir hatten alles gepackt, auch den Koffer für die Nabelschnurbluteinlagerung und dann ging es ab ins Krankenhaus. Da ich was gegessen hatte, mussten wir 6 Stunden warten, bis ich wieder nüchtern war. Diese Zeit wurde genutzt, um in Ruhe alles vorzubereiten und Blutkonserven zu kreuzen (rote Blutkörperchen von Spender- und Empfängerblut werden im Reagenzglas oder auf einem Objektträger zusammengebracht und auf ihre Verträglichkeit getestet), da bei einem Kaiserschnitt mit Plazenta praevia mit einem erhöhten Blutverlust zu rechnen ist. Anderthalb Stunden vor der Sectio wurde nach dem CTG noch ein Ultraschall durchgeführt und geschaut, wie das Kind liegt, denn er hatte sich in den letzten 14 Tagen mehrmals gedreht. Aber alles schick, er lag genau richtig rum mit dem Kopf nach unten. Wir waren frohen Mutes und ich versuchte nicht zu aufgeregt zu sein und mich auf ihn zu freuen. Die Stunden flogen vorbei und es ging los. Nach der Anästhesie wird erst einmal alles normal, dachte ich (war ja mein erster Kaiserschnitt). Eigentlich wollte ich unbedingt die Kaisergeburt (sprich Tuch runter, wenn er rausgezogen wird), aber es kam mal wieder alles anders.

Er hatte sich noch einmal gedreht und so kam er mit den Füßen voran auf die Welt. Ein zaghafter, kaum zu hörender Schrei und er war da. Mein Sohn Milan war geboren und das Schönste, was ich je gesehen habe. Ich schluchzte und weinte, als sie ihn uns kurz danach zeigten. Dieser Moment war atemberaubend schön und zutiefst emotional. Dann brachten sie ihn raus zur Untersuchung und kurz danach wieder zurück, um ihn mir auf die Brust zu legen. Leider hatte sich mein Zustand extrem verschlechtert und ich begann am ganzen Körper zu zittern. Etwas stimmte nicht, ich hatte plötzlich Schmerzen, wo ich eigentlich keine haben sollte. Ich bekam weitere Katheter gelegt und man forderte noch mehr Blutkonserven für mich an. Ich konnte mich nicht mehr auf mein Kind konzentrieren und hatte Angst vom OP-Tisch zu fallen, so sehr zitterte ich und klapperte mit den Zähnen. Dann wurde mein Mann mit unserem Sohn rausgeschickt und ich bekam eine Vollnarkose. Was war passiert? Dort, wo die Plazenta saß, gab es eine Blutung, die nicht gestoppt werden konnte. So wurde ich wieder aufgemacht, ein Ballon eingesetzt und ich wurde erneut zugenäht. Ich verlor 2,2 Liter Blut und damit insgesamt knapp die Hälfte meines Blutes, wie man mir später mitteilte. Ich kam auf der Intensivstation mit Atemmaske wieder zu mir. Ich konnte meine Augen kaum öffnen, was sehr schlimm war, da ich meinen Mann und mein Kind kaum sehen konnte. Nachts um 23 Uhr durften sie dann noch einmal zu mir. Um unseren Sohn nicht allein zu lassen, musste mein Mann mit ihm zusammen in einem der Kreißsäle übernachten. Egal, Hauptsache die beiden waren zusammen und Milan war nicht allein in den ersten Stunden seines Lebens. Ich war traurig für mich, aber gleichzeitig glücklich, dass die zwei eine so intensive Zeit miteinander hatten, inklusive der ersten Nacht und dem ersten Mal Füttern (5 ml – ein Fingerhut voll). Am nächsten Morgen ging es mir schon sehr viel besser und die beiden kamen mich wieder auf der Intensivstation besuchen. Der Ballon wurde entfernt und meine Sauerstoffsättigung in der Atemluft nahm zu. Ich durfte auf die Wochenstation und endlich neben meinem Sohn liegen, seine Hand halten und ihm über das Haar streicheln. Er hatte schon eine richtige Frisur. Leider gab es kein Familienzimmer für uns, aber endlich waren wir zu dritt. In der Nacht vom 3ten zum 4ten Tag kam dann auch endlich der Milcheinschuss, auch dieser war durch den hohen Blutverlust verzögert. Aber ich war happy! An Tag 5 durfte ich tatsächlich schon nach Hause. Und als wir mit Milan mit dem Auto vom Klinikgelände fuhren, fing es an zu schneien. Binnen kurzer Zeit lagen 10 cm Schnee. Und Milan? Der hat den ersten Schnee einfach verschlafen. Und wir haben uns mit ihm auf dem Bauch ins Bett gekuschelt, ganz gemütlich.“

 

*Mit dem Programm zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion bietet das Land Berlin ungewollt kinderlosen Ehepaaren die Möglichkeit, bei der Durchführung von Kinderwunschbehandlungen eine Unterstützung aus Landes- und Bundesmitteln zu erhalten. Die Zuständigkeit hat sich geändert, so dass die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung übergangsweise die Information zum Förderprogramm und die Entgegennahme der Anträge übernimmt. Als Kontaktadresse für Rückfragen sowie für die Übersendung von Anträgen steht vorerst die E-Mailadresse foerderung-kinderwunsch@sengpg.berlin.de zur Verfügung.

Wer mehr zu den Themen Kinderwunsch und künstliche Befruchtung erfahren will, findet im Netz aufschlussreiche Seiten zu den häufigsten Fragestellungen:

 

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Das kostet unerfüllter Kinderwunsch

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