Wir finden: Politisches kam hier bisher etwas zu kurz. Unser Anliegen ist es, dies zu ändern. Deswegen haben wir uns Verstärkung geholt, von einer erfahrenen Bloggerin, Mutter und vor allem: wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag.

Sabine Ponath kommt als Exil-Bayerin aus einem kleinen Dorf und lebt seit einiger Zeit in Berlin. Seit 2006 ist sie immer mal mehr, mal weniger politisch aktiv bei den Grünen. Zum Beispiel hat sie schon für den Bayerischen Landtag kandidiert oder war Sprecherin der Grünen Jugend Bayern. Die Leidenschaft hat sie sich zum Beruf gemacht und arbeitet seit 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Abgeordnete, erst im Landtag, dann im Bundestag. Dabei hat sie ihren Magister eigentlich in Pädagogik, Psychologie und Soziologie gemacht. Seit 2015 schreibt Sabine außerdem auf ihrem Blog „Mum & still me“, nicht nur über Politik, auch über ihr Leben als Zweifachmama und was sonst noch dazugehört. Für uns wird sie zukünftig regelmäßig eine politische Kolumne verfassen. Ich habe mit ihr über ihre Hintergründe, politische Themen, die sie bewegen und vieles mehr gesprochen..

Liebe Sabine, du stammst aus Bayern und lebst inzwischen mit Deinem Lebensgefährten und euren zwei Kindern in Berlin. Wie kam es dazu?

Mein Freund lebte schon länger in Berlin und ich bekam ein Jobangebot im Bundestag. Berlin schien mir damals zunächst ganz schön grau und riesig, also nicht gerade einladend. Inzwischen will ich diese Stadt aber nicht mehr missen, ich liebe die Vielfältigkeit.

Ich bin zwar Berlinerin, aber es geht mir genauso, dass ich mich in der Berliner Vielseitigkeit sehr wohl fühle. Du nutzt ja auch alle Chancen der deutschen Hauptstadt und arbeitest im Bundestag (derzeit bist du in Elternzeit) als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Studiert hast Du Pädagogik, Psychologie und Soziologie. Hattest Du mal andere Berufspläne?

Ganz ursprünglich wollte ich Kunstlehrerin werden. Aber was soll ich sagen, meine Mappe für die Kunstakademie wurde nicht angenommen und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Zwischenzeitlich habe ich an meiner Promotion in Pädagogik gearbeitet, weil ich das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung so spannend fand. Aber neben Job und Kindern war das einfach nicht mehr drin.

Das glaube ich sofort. Ich wüsste auch nicht, wann und wie ich eine Promotion in meinem Leben hätte einschieben sollen… Aber Pädagogik finde ich auch interessant. Ich habe zwar was anderes studiert, aber frage mich immer, ob ich eine andere Mutter (in Erziehungsfragen) wäre, wenn ich Pädagogik gelernt hätte. Was meinst Du, und was hat dir aus diesem Teil deines Studiums im Leben mit Deinen Kindern schon geholfen?

Puh, ich weiß nicht ob ich mich ohne das Studium anders verhalten würde. Es hat mir aber schon ein paar mal wirklich geholfen, zum Beispiel um die Sozialisation und Entwicklung der Minis besser verstehen zu können. Trotzdem bin ich weit davon entfernt mich als Expertin zu sehen – auch ich gerate mit den beiden Jungs immer wieder gehörig an meine Grenzen und dann sehe ich meine Situation nicht mehr aus einem professionellen Blickwinkel. 😉 Zumal ich mich damals eher mit Jugendlichen und Kompetenzentwicklung als Schwerpunkten befasst habe.

Du hast Dich schon viel politisch engagiert, seit wann hast du dieses politische Interesse und warum?

Das ist gar nicht so aufregend: 2005 fanden die ersten Bundestagswahlen statt, bei denen ich wählen durfte. Ich hab mir also Wahlprogramm für Wahlprogramm vorgenommen und geschaut, mit welcher der Parteien ich die meisten Schnittmengen habe. Eine der Parteien hat mich so überzeugt, dass ich dann selbst aktiv werden wollte. Mich hat es genervt, dass alle immer nur jammern und stammtischmäßig vor sich hin mosern, die wenigsten aber einfach etwas tun.

Was interessiert Dich an Politik besonders?

Auf dem Gymnasium war ich eine der ganz wenigen Schüler*innen mit Eltern ohne akademischen Hintergrund. Ich fand heraus, dass die wenigsten Kinder von Nicht-Akademiker-Haushalten später studieren. Der Bildungslebenslauf ist also total eng an die soziale Herkunft geknüpft. Wie sich ein Kind entwickelt und was aus ihm wird hängt in den wenigsten Fällen davon ab was es eigentlich gut kann und gerne machen würde. Bei einer Reise nach Finnland entdeckte ich dann, dass Schule auch anders geht. Das hat mich so fasziniert, Bildungspolitik wurde mein Steckenpferd.

 

Und das ist ja auch ein Feld in dem zwar schon in den Ländern viel gemacht wird, aber auch sicherlich noch verbessert werden könnte. Was siehst Du kritisch bzw. positiv an der Bildungspolitik in Deutschland und was denkst Du könnte wie verändert werden?

Die Frage zeigt schon direkt eines der größten Probleme: Bildungspolitik ist in Deutschland Sache der Bundesländer. Zwar gibt es Länder übergreifende Gremien, wie die Kultusministerkonferenz. Aber wie genau ein Bildungssystem aufgebaut ist, entscheidet die jeweilige Landesregierung. Das führt zu einem Flickenteppich verschiedener Lehrpläne und Schulsysteme. So kommt es dann auch, dass beispielsweise Abiturient*innen aus bestimmten Bundesländern große Probleme haben, einen Studienplatz zu finden. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber wichtige Stellschrauben wären für mich längeres gemeinsames Lernen und der Ausbau von Ganztagsschulen. Dass die Grundschule je nach System nur vier bis sechs Jahre andauert und dann die Befähigung der Kinder klar sein soll ist nicht lebensnah und ist für Familien und Kinder purer Druck. Toll wäre, wenn die Kinder dann mehr und mehr neben Pflichtfächern Wahlfächer belegen könnten, die sie besonders interessieren und die ihre jeweiligen Fähigkeiten unterstützen. Besonders findige Kinder könnten sich so professionalisieren, Kinder die sich schwerer tun bräuchten ein zusätzliches Auffangnetz. Die Klassengemeinschaft jedoch bliebe erhalten. Das stärkt gegenseitigen Respekt und Solidarität.

Und glaubst Du, dass sich die Auswirkung der sozialen Herkunft auf die Berufswahl weiter verringern wird?

Es wäre natürlich schön, aber man muss sich das ja mal ganz praktisch vorstellen: Schulbildung kostet. Es kostet Energie und Zeit am Ball zu bleiben, es kostet aber auch Geld. Davon nicht zu knapp. Geld für Klassenfahrten, für Ausstattung oder auch für Nachhilfe. Je länger man im Bildungs- und Ausbildungssystem verharrt, desto mehr muss man erst einmal investieren. Nicht alle können oder wollen das. So lange die, die sich diese Extras leisten können dadurch einen Vorteil haben, so lange haben die, die finanziell weniger stark dastehen einen Nachteil. Den können sie nur schwer einholen. Das Bildungs- und Teilhabepaket sollte diese Nachteile kompensieren, war aber so bürokratisch aufgebaut, dass nur die wenigsten davon profitiert haben. Ein anderer Aspekt ist, dass die Laufbahn Gymnasium und Studium als Nonplusultra gilt. Von hundert Akademiker-Kids studieren später fast 80. Dabei liegt einigen eine praktische Tätigkeit vielleicht viel besser. Besonders im Süden Deutschlands gibt es viel zu wenig Auszubildende.

Das sehe ich genauso. Ich persönlich glaube ja auch, dass es deswegen im Rahmen der Ausbíldungs- und Hochschulberufe noch einen Wandel geben wird. bzw. muss. Vielleicht kann ja auch dieser Mangel an Azubis dazu führen, dass diese wertvollen Berufe besser bezahlt werden könnten. Gibt es dazu Lösungsansätze?

Tatsächlich ist es so, dass es viel zu viele Studis gibt. Es ist nicht gesagt, dass diese dann auch attraktive Arbeitsplätze finden, was die Bezahlung anbelangt und überhaupt. Umgekehrt haben wir gerade erst die Erfahrung gemacht, dass es stellenweise echt zu wenige Handwerker gibt. Wer gerade in und um Berlin ein Haus baut, weiß wovon ich rede. Aber das mit den Ausbildungsplätzen ist halt so ne Sache: während im Süden Azubis und Fachkräfte fehlen, gibt es im Norden zum Teil überhaupt keine Ausbildungsplätze. So passiert es, dass jedes Jahr hundertausende Jugendliche nach der Schule in einer Übergangsschleife hängen bleiben und nicht mit ihrer Ausbildung anfangen können. Eigentlich unvorstellbar. Diese verlorene Zeit muss nicht sein, das Übergangssystem müsste vereinfacht und Hand in Hand mit den Ländern, Kommunen und der Wirtschaft überarbeitet werden. Gibt es beispielsweise gerade keinen Ausbildungsplatz, könnte man den Jugendlichen eine betriebsnahe Ausbildung in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte anbieten.

Vielen Dank liebe Sabine, wir freuen uns jetzt schon auf Deine Beiträge und verfolgen Dich zwischenzeitlich auf mumandstillme.com.

 

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