Mein Beckenboden ist nach der zweiten Geburt, sagen wir, etwas lädiert. Ich kann kaum noch an mich halten. Was kann ich tun? Der Beckenboden wird schon während der Schwangerschaft stark belastet. Das zusätzliche Gewicht, die Strapazen des Alltags und die statischen Veränderungen sorgen für eine dauerhafte Belastung des Beckenbodens. Die vaginale Geburt ist dabei das Tüpfelchen auf dem „i“. Während der natürlichen Geburt werden Teile der Beckenbodenmuskeln bis auf das 3,5-Fache gedehnt. Hinzu kommt, dass Vagina und Uterus sowie das Becken auf knöcherner Ebene sich zurückbilden müssen. Der weibliche Körper ist ja ganz schlau, viele der Rückbildungsvorgänge finden automatisch statt und wir bekommen gar nicht mit, was unser Körper Tolles macht. Es kann aber sein, gerade wenn Frauen eine lange Austreibungsphase hatten, dass Beckenboden und Becken ein wenig Unterstützung benötigen, damit der Körper heilen bzw. sich erholen kann. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Frauen Steißbeinproblematiken, Symphysenschmerzen und ISG- Beschwerden entwickeln und/oder beschreiben, dass es sich so anfühlt, als befände sich im Inneren des Beckens nichts mehr dort, wo es hingehört. Du hast dann zum Beispiel die Möglichkeit, eine Beckenbodenphysiotherapeutin aufzusuchen, die dich mittels Ultraschall und vaginaler Palpation untersucht und ggf. behandelt. Denn ein verspannter oder dysfunktionaler Beckenboden kann mit der Zeit sehr unangenehm und problematisch werden. Hinzu kommt, dass das gesamte Muskelkorsett am Rumpf nach der Schwangerschaft noch für lange Zeit geschwächt ist. Das bedeutet im Klartext, dass die Bauch- und Beckenbodenmuskeln erst wieder lernen müssen, richtig miteinander zu kommunizieren. Gleiches gilt für Mamas nach einer Bauchgeburt. Machen das Alter und/oder die Anzahl der spontanen Geburten einen Unterschied? Ja, absolut. In jungen Jahren ist unser Gewebe viel elastischer und wir regenerieren viel besser. Natürlich spielt da auch die Genetik eine Rolle, wie wir uns ernähren und wie ernst wir die Rückbildung nehmen. Trotzdem muss man wissen, dass der Beckenboden und die Bauchmuskeln nicht wieder zu dem Zustand vor der Schwangerschaft zurückkehren. Mit Schwangerschaften und Geburten verändern sich sowohl das Gewebe als auch die Form der Bauchmuskeln. Kann ich auch, ohne Kinder geboren zu haben, inkontinent werden? Ja, das geht. Das Thema Leistungssport ist hier anzuführen. In Studien wurde berichtet, dass unter jungen Trampolinspringerinnen im Alter von 12 bis 22 Jahren Inkontinenz ein großes Thema ist, über das nicht gerne gesprochen wird. Die Mädchen werden durch das Trampolinspringen stark belastet, hinzu kommen das oftmals niedrige Gewicht und/oder Mangelernährung. Ähnliches gilt für Turnerinnen und Volleyballerinnen. Aber auch Stress am Arbeitsplatz, wenn Mitarbeiterinnen z.B. im Krankenhaus kaum Pausen haben, wenig trinken und aufgrund von Zeitmangel nur selten auf die Toilette gehen, kann zu einer Form von Inkontinenz führen. Diese Frauen entwickeln dann eher eine Drangsymptomatik, während die Sportlerinnen oftmals unter einer Belastungsinkontinenz bzw. einer Mischform leiden. Gibt es irgendwann den Moment, an dem man sagt: Trainieren bringt nichts mehr (z.B. aufgrund eines gewissen Alters)? Es gibt klare Kontraindikationen, die eine Kräftigung mittels Training nicht sinnvoll erscheinen lassen. Generell muss man sagen, dass Beckenbodentraining aus viel mehr Komponenten als Kräftigung besteht. Der Beckenboden muss reaktionsfreudig, elastisch und ausdauernd sein und gut entspannen können. Training ist immer gut und wichtig, auch im hohen Alter. Ebenso sollte vor Operationen am Beckenboden unbedingt trainiert werden, damit die Rehabilitation hinterher besser vonstattengeht. Es muss halt immer ein individuell passendes Training sein. Beziehungsweise muss man auch wissen, dass der Beckenboden aus sehr viel Bindegewebe besteht: Wenn dieses stark verletzt ist, hat man mit reinem Muskeltraining wenig Erfolg und muss über Alternativen nachdenken. Welche Übungen würdest du auf jeden Fall empfehlen und wie oft? Ich empfehle jeder Frau, die geboren hat, zuallererst eine Beckenbodentherapie. In Frankreich ist das ganz normal. Warum wir das in Deutschland nicht hinbekommen, verstehe ich bis heute nicht. Das Üben macht nämlich nur Sinn, wenn die Mama auch die richtigen Muskeln rekrutieren kann. Das kann man von außen nicht feststellen, sondern nur mittels Ultraschall. Danach empfehle ich den Frauen, dem Beckenboden täglich Aufmerksamkeit zu schenken. Es reichen 10 Min., wenn diese effektiv genutzt werden.
Lesestoff für alle, die gerade eine Schwangerschaft hinter sich haben!
Vom Wochenbett zum Workout von Juliana Afram ist am 10. April 2019 im TRIAS Verlag erschienen und hilft dir dabei, nach der Geburt deine Wohlfühlmitte zu finden. Juliana zeigt dir einen Weg, wie wir alle mit geringem Aufwand eine optimale Basis für starke Bauchmuskeln, einen gesunden Beckenboden, eine aufrechte Haltung und eine schlanke Silhouette schaffen können. Aber nicht gleich morgen oder zwei Wochen nach der Geburt. Der Weg ist etwas länger, dafür aber gesund. Eine ausführliche Rezension folgt!
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