Nicht, dass ich mich jemals irgendwo so vorgestellt hätte. Aber ich werde seit etwas über 4 Jahren in schöner Regelmäßigkeit beim ersten Elternabend nach dem Sommer bei den neuen Eltern im Kinderladen so „geoutet“: Miriam, unsere Alleinerziehende. In ebenso schöner Regelmäßigkeit mache ich dann einen Scherz darüber und erkläre, dass der Vater natürlich auch im Kinderladen, so wie im Leben meines Sohnes präsent ist und eine Rolle spielt. Ohne irgendeinen konkreten Anlass werden also erstmal die Familienverhältnisse dargelegt. Macht man halt so bei Leuten die man erstmal gar nicht kennt.

Auch außerhalb dieses Mikrokosmos Kinderladen ist mein alleinerziehend sein immer schnell ein Thema, wahlweise interpretiert als Kernkompetenz und leider immer mal wieder auch als Stigma. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

In Gesprächen zu unserer Familiensituation, fällt dann früher oder später fast immer einer der folgenden Sätze:

Also, ich könnte das ja nicht! (Doch, könntest du. Weil alternativlos.)

Ja, krass, wie du das immer alles so schaffst. (Na geht so. Ungefähr die Hälfte schaffe ich halt einfach nicht. Gott sei Dank fällt das dann meistens nur mir auf.)

Super, wie ihr (der Vater & ich) das so mit eurer Familiensituation hinkriegt. (Das ist kein Selbstläufer. Es war und ist Arbeit. Am Miteinander und an sich selbst.)

Und mein Lieblingssatz: Wenigstens hast du auch mal wirklich Zeit für dich!!

Jaahahaha, genau!

Okay, streng genommen habe ich vermutlich wirklich mehr Zeit für mich allein als Mütter, die mit dem anderen Elternteil* ihrer Kinder zusammenleben. Mein Sohn ist alle 14 Tage von Freitag bis Montag bei seinem Vater und wenn ich arbeiten muss oder einen anderen wichtigen Termin habe, kann ich mich auch immer an ihn wenden. Das klappt dann oft, aber auch nicht immer.

Theoretisch habe ich also sogar Zeit, all die Wäsche zu waschen und die Staubmäuse ein zu fangen die sonst liegen bleiben.

Und die Mails zu lesen und zu beantworten die ich nach 16.00 Uhr sonst nur überfliege und mit Sternchen markiere (wie viele Sternchenmails ich in meinen diversen Posteingängen habe, habe ich aufgehört zu hinterfragen). Ich habe Zeit, ohne das Kind einkaufen zu gehen, mal zu bügeln (ja, ich bin so spießig), das dreckige Bad zu putzen und den Papierstapel auf dem Schreibtisch von rechts nach links zu sortieren. Und vielleicht, ganz vielleicht habe ich Zeit mal kurz zum Sport zu gehen. Und dann – ja, dann ist das Wochenende vorbei. Praktisch habe ich dann meistens nicht mal die Hälfte davon geschafft. Von Zeit für mich ganz zu schweigen.

Abgesehen davon, ist Zeit, also wirkliche Auszeit, die man sich als Mutter vom Muttersein sein nimmt etwas ganz anderes als Zeit, die man hat, weil es so verabredet ist. Die natürlich auch wichtig und richtig und notwendig für das Kind ist, dass ja ein recht auf Zeit mit beiden Elternteilen hat.

Aber nicht immer passt die verabredet Zeit mit dem Wunsch nach Auszeit zusammen. Ich habe lange gebraucht, mich daran zu gewöhnen, dass mein Kind regelmäßig nicht da ist. Und ich in dieser Zeit wirklich nicht zuständig und auch nicht gefragt bin, weil es Papazeit ist. Als Jonathan das erste Mal bei seinem Vater übernachtet hat, war er etwas über 1 Jahr alt und ich kann mich noch bis heute an diesen wenig ruhmreichen Abend erinnern. Meine damalige Nachbarin feierte ihren Geburtstag und hatte mich – zur Ablenkung und damit ich auch mal richtig „Spaß“ haben kann – eingeladen.

Auf dieser Party mit ca. 20 voll berufstätigen Frauen, die fast ausnahmslos kinderlos waren, kamen meine monothematischen Gesprächsversuche weder besonders gut an, noch hatte irgendwer Verständnis für meinen großen Frust darüber, auf dieser Party und nicht bei meinem Kind zu sein. Irgendwann wurde mir vom Prosecco schlecht und ich ging nach Hause, ohne mich zu verabschieden. Wie ihr euch vorstellen könnt, wurden meine Nachbarin und ich danach auch nicht mehr die besten Freundinnen.

Ganz so schlimm ist das natürlich schon lange nicht mehr, aber ich habe immer noch – fast 4 Jahre und x Wochenende und Urlaube später – Tage, an denen ich das Kind wirklich sehr vermisse. Und auch über mich gelernt, dass es dann nichts bringt mich zu irgendwas zu zwingen, sondern es auch in Ordnung ist zu Hause zu sein und sich die Zeit mit Dingen zu vertreiben die eben auch gemacht werden müssen. Siehe oben.

Abgesehen davon, ist Zeit, also wirkliche Auszeit, die man sich als Mutter vom Muttersein sein nimmt etwas ganz anderes als Zeit, die man hat, weil es so verabredet ist. Die natürlich auch wichtig und richtig und notwendig für das Kind ist, dass ja ein recht auf Zeit mit beiden Elternteilen hat.

Miriam Bahr

Aber – und ich glaube, das ist wirklich etwas „positives“, dass diese Familienkonstellation mit sich gebracht hat – ich bin schon sehr früh in die Situation gekommen mich zu fragen/fragen zu müssen wer ich als Frau sein möchte. Wenn ich gerade nicht Mutter bin. Wie ich mein Leben gestalten möchte außerhalb dessen was mir mein Alltag als Mutter vorgibt. Das hat mir wirklich eine andere persönliche Freiheit gegeben, gerade auch in meinem Job.

Und, last but not least, genieße ich die Zeit mit meinem Kind bewusster. Aufmerksamer und zugewandter als ich es vielleicht sonst im Alltag wäre, weil ich eben im Zweifelsfall doch alles andere aufs Wochenende schieben kann. Dann sind‘s halt 5 Staubmäuse mehr. Oder ich schreibe Texte eben auf den letzten Drücker.

*ich möchte hier bewusst auf „Vater“ verzichten

Unsere neuen Autoren im Interview:

Sabine

Sabine Ponath unsere Ex-Bayerin lebt seit einiger Zeit in Berlin, arbeitet im Bundestag und ist immer wieder politisch bei den Grünen aktiv. Mit diesem Wissen ist sie die Frau für’s Wesentliche und gewährt uns einen tieferen Blick – nicht nur in sensible, politische Themen.  HIER geht’s zu ihrem Interview.

Valeska

Für’s leibliche Wohl haben wir jemanden, der einfache Rezepte für jeden Tag umsetzt. Und das für einen ACHT Personenhaushalt! Denn Valeska ist die selbsternannte „mother of six dragons“ bei Instagram und kocht täglich für sechs Kinder plus Mann. HIER geht’s zu ihrem Interview.

Judith

Mit unserer Contributorin Judith Möhlenhof haben wir nicht nur endlich auch die schöne Stadt Hamburg im Team (auch wenn unsere Berliner Wurzeln die gleichen sind), sondern auch eine sehr gefühlvolle und wortstarke Frau, die keine Scheu hat, auch über die schwierigen Momente im Mama-Dasein zu sprechen. Ihr Steckenpferd ist deswegen ganz besonders die Selbstfürsorge von uns Müttern. HIER geht’s zu ihrem Interview.

Julia

Julia Lippert-Henningsen ist schon seit einiger Zeit in unserem Team (bisher vor allem im Backoffice). Neu ist jetzt, dass auch Julia uns mit eigenen Beiträgen als Contributorin unterstützen wird. Sie wird uns zukünftig mit DIYs unter anderem auch vor einem nachhaltigen Hintergrund versorgen. HIER geht’s zu ihrem Interview.