Tina Spellbrink ist eine tolle starke Frau. Für unser Lehrerzimmer Interview hat sie schon kein Blatt vor den Mund genommen und heute erzählt sie uns nun die wundervolle Geschichte ihrer Tochter Marla und wie diese in ihr Leben kam. Denn bis dahin war es ein steiniger Weg für Tina und ihren Partner, der viele gynäkologischen Praxen, Kinderwunschkliniken und auch Ämter beinhaltet hat. Bis zu dem einen Tag in einem Säuglingszimmer…

„Unser Weg eine Familie zu sein, führte uns über Umwege – sowohl räumlich, als auch emotional. Wir landeten nicht romantisch im Bett und dann am Ende hochschwanger in einem Kreißsaal, sondern in vielen verschiedenen gynäkologischen Praxen und Kinderwunschkliniken, wir zogen berufsbedingt von Berlin nach Frankfurt am Main, verbrachten viel Zeit in Amtszimmern, weniger Zeit als gedacht in einem griechischen Hotelzimmer und landeten schließlich vollkommen aufgewühlt in einem Säuglingszimmer einer Frankfurter Klinik. Und da lag sie! Und sofort war sie in unserem Herzen und unser Kind.

Diese vielen Wege, die uns zu ihr geführt haben, die uns zu ihren Eltern gemacht haben, waren so einzigartig, dass ich sie heute aufschreiben möchte als eine besondere Art von Geburtsbericht – „The day that“ eben…

Denn was kann auf der Strecke bleiben? Wir Frauen und Männer… Familien, die mit ihren Gefühlen nach jedem erneuten Versuch der künstlichen Befruchtung danach im Auto, in der Bahn oder Zuhause sitzen und mit Diagnosen, Ergebnissen, Entscheidungen klar kommen müssen. 

Tina Spellbrink

Nachdem wir viele Ebenen durchlaufen hatten in diesem riesigen medizinischen Dschungel, den man ja kaum verstehen kann; wir also die vielen körperlichen Untersuchungen, Spritzen, Tabletten, Schwangerschaftstests, Zyklustracker und einige Jahre der Ungewissheit hinter uns gebracht hatten und wir immer wieder feststellen mussten, dass sich der natürliche Wunsch eine Familie zu gründen, für uns nicht einfach erfüllen würde und keiner so richtig helfen konnte, entschieden wir uns, diesen Weg zu verlassen. Ja, wir wollten ein Kind. Wir wollten uns und unsere Liebe dabei aber nicht verlieren. Und ich traute meiner eigenen psychischen Stabilität auch nicht soweit, dass sie das bis zum Äußersten mitmachen würde.

Denn was kann auf der Strecke bleiben? Wir Frauen und Männer… Familien, die mit ihren Gefühlen nach jedem erneuten Versuch der künstlichen Befruchtung danach im Auto, in der Bahn oder Zuhause sitzen und mit Diagnosen, Ergebnissen, Entscheidungen klar kommen müssen. Und um einen herum werden Freundinnen schwanger, schieben sich die hippsten Kinderwägen an dir vorbei und du stehst so oft allein mit diesem Gefühl der Unvollkommenheit und Unfähigkeit und einem Kissen unterm T-Shirt vor dem Spiegel und weinst heimliche Tränen.

Ich wollte das so nicht mehr. Und als wir unseren Neuanfang in Frankfurt am Main verdaut hatten, war uns klar: Dann adoptieren wir eben! Wir wussten darüber eigentlich nicht viel und ich recherchierte, wo man sich in der Stadt Informationen holen kann. Das Jugendamt veranstaltete einmal im Monat einen offenen Informationsabend für Interessierte. Den besuchten wir im Oktober 2013.

Mit diesen Informationen im Gepäck, schrieben wir eine Art Bewerbung, in der wir uns persönlich vorstellen und unseren Adoptionswunsch begründen sollten. Und im November hatten wir schon den ersten Gesprächstermin mit unserer „Dame vom Jugendamt“.

Mein Mann kam nach 10 Minuten zurück und sagte, dass gestern Nachmittag ein kleines Mädchen geboren wurde und wir jetzt sofort nach Hause fliegen müssten.

Tina Spellbrink

Es fanden dann ungefähr sechs solcher sehr intensiven Gespräche im Amt statt, zwischendurch gab es noch an einem Wochenende einen richtig tollen, sogenannten Vorbereitungskurs und einen ganz entspannten Hausbesuch unserer Jugendamtsdame. Ende April waren wir mit all diesen Dingen durch und für uns begann die ungewisse Wartezeit. Aber wie die Dame vom Jugendamt immer so schön sagte „Eine Schwangerschaft dauert ja auch nicht nur vier Wochen“ Recht hat sie! Wir arbeiteten viel, besuchten über die Wochenenden oft unsere Berliner Freunde oder unsere Familie in der niedersächsisch-westfälischen Heimat und versuchten ein normales Leben zu führen. Wir buchten einen tollen Urlaub für Mitte Juni auf der griechischen Insel und versuchten uns so locker wie möglich zu machen.

Wir flogen am Sonntag in den Urlaub, am Montag schauten wir in einer netten Taverne zu, wie Thomas Müller drei Tore gegen Portugal bei der WM in Brasilien schoss, am Dienstag chillten wir am Strand. Ich machte gerade ein Handyfoto von der Liege aus für meine Mutter und nur deswegen sah ich auf einmal die Frankfurter Nummer auf meinem Display aufleuchten. Ich ahnte es vielleicht und gab völlig irritiert meinem Mann mein Telefon. Er ging ran und ging auch direkt weg. Ich saß auf der Liege und spielte nervös mit einer kleinen Muschel, die vor mir im Sand lag. Mein Mann kam nach 10 Minuten zurück und sagte, dass gestern Nachmittag ein kleines Mädchen geboren wurde und wir jetzt sofort nach Hause fliegen müssten. Es begannen wirklich verrückte Stunden, die wir mit vielen Tränen und Ouzo und Telefonaten mit unseren Eltern und wegen des spontanen Rückflugs. Mein wunderbarer Mann organisierte alles so toll, ich war zu gar nichts mehr richtig in der Lage. Wir schliefen kaum und mussten mitten in der Nacht auch schon los zum Flughafen. Wir landeten in Hannover und fuhren mit einem Mietwagen direkt zum Jugendamt in Frankfurt. Dort erzählte uns unsere Jugendamtsdame von dem kleinen Mädchen und ihrem Hintergrund. Und dann gingen wir drei zu Fuß in das Krankenhaus und es fühlte ich an, wie der längste Tag und der längste Weg meines Lebens. Doch dort in diesem Säuglingszimmer blieb plötzlich die Zeit stehen und wir standen vor dem Bett dieses wunderschönen Mädchens, unserer Tochter. Und von dieser Sekunde an waren wir ihre Eltern.

Doch dort in diesem Säuglingszimmer blieb plötzlich die Zeit stehen und wir standen vor dem Bett dieses wunderschönen Mädchens, unserer Tochter. Und von dieser Sekunde an waren wir ihre Eltern.

Tina Spellbrink

Ja, wir lernten an diesem Tag auch die leibliche Mutter noch kennen. Und wir verbrachten wegen des Feiertags leider mehr Zeit in dem Krankenhaus als uns lieb war. Wir hatten dort kein Zimmer und ich saß viele Stunden mit meinem Baby auf dem kalten Eisenstühlen auf dem Stationsgang, mein Mann und ein guter Freund besorgten schnell alles, was man am Anfang so braucht. Und am Freitag konnte wir dann nach der U2 endlich mit unserem Kind das Krankenhaus verlassen und als Familie Zuhause ankommen…

Vielen Dank liebe Tina, dass Du eure wundervolle Geschichte für uns aufgeschrieben hast!

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Für unsere Serie “The Day that…” freuen wir uns über jede Mummy unter Euch, die einen Gastbeitrag schreiben und ihre Erlebnisse mit uns teilen möchte – Bei Interesse schreibt uns eine Nachricht an: info@mummy-mag.de