Katja Hentschel lebt mit ihrem 3jährigen Sohn Atlas, den sie allein erzieht, in Berlin. Meistens jedenfalls, denn rund 5 Monate im Jahr sind sie auf Reisen. Aber die Fotografin und Reisebloggerin begnügt sich nicht damit, ein Blog zu führen. Sie ist inzwischen zu lesen auf glamcanyon.comTravelettes.net und glowbus.de. Und: Der 35jährigen reicht „kein  entweder…oder, sondern nur ein sowohl…als auch. Karriere und Kinder. Herausforderungen und Entspannung. Inspiration und offene Fragen.“ Wie sie auf einem ihrer Blogs schreibt. Klar, dass wir ihr ein paar Fragen im Zusammenhang mit unserer neuesten MUMMY MAG PAPER Ausgabe 8 stellen mussten. Denn da geht es ja um alle Familien jenseits des klassischen Modells!

Liebe Katja, Du bist schon schwanger Single gewesen. War das alles so geplant?

Nichts war geplant, wie es letztlich kam. Ich war gerade mal die erste von 10 Wochen geplanten Road Trips durch die USA in New York, als ich nach einer kurzen Affaire mit einem attraktiven Redakteur unerwartet schwanger wurde. Kondom und Pille danach hatten versagt und 10 Tage später, allein in einem Highway Hotel, hielt ich dann den positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Da wurde aus dem Road Trip auf einmal eine emotionale Achterbahnfahrt.

Was ist die größte Sorge, wenn man als Single Mom den positiven SS-Test in den Händen hält? – Die Geburt, die Erziehung, das Finanzielle oder die alleinige Verantwortung ein kleines Leben groß zu ziehen?

Ich rief als erstes den Vater an, der erst einmal total in Panik verfiel und mir mitteilte, dass er nichts mit all dem zu tun haben wolle. Meine Ängste und Sorgen kreisten weniger um das Alleinerziehend sein – das hatte ich schon immer als sehr wahrscheinliches Modell angesehen, da ich nur selten ernsthafte Beziehungen hatte – sondern viel mehr um die Tatsache, dass ich jetzt eine schlechte Statistik sei. Wer will schon gerne bei einem One-Night Stand schwanger werden, und dann auch noch mit einem ignoranten Vater! Die nächsten 4 Monate waren aufgrund dieser Tatsachen ziemlich schwer und traurig für mich. Zum Glück hat sich mittlerweile auch mit dem New Yorker Vater alles eingependelt und wir haben eine gute Lösung für unser kreuzatlantisches Familienmodell gefunden.

Was sind im Alltag die Vor- und Nachteile als Alleinerziehende?

Ich arbeite zeitlich unabhängig und verdiene ganz gut, damit habe ich zwei sehr wesentliche Grundvoraussetzungen abgedeckt, die es mir relativ leicht machen ein Kind alleine groß zu ziehen. Seit Atlas 2 Monate als ist, habe ich eine Babysitterin, die bis zu 3 Mal die Woche aushilft und manchmal auch mit uns verreist. Ich muss mich mit niemanden um die Erziehung streiten, muss keine Rechenschaft ablegen, warum die Wohnung gerade mal nicht ganz so aufgeräumt ist, kann mehrere Monate am Stück mit meinem Kind verreisen und ein sehr selbstbestimmtes Leben leben. Ich sehe wirklich viele Vorteile! Nachteile gibt es natürlich auch. Gerade im Urlaub und an den Wochenenden wäre es schön, wenn man auch mal zu jemand sagen kann „Mach du heute mal Frühstück mit dem Kleinen“ und man selbst schläft noch eine Stunde mehr. Überhaupt Partnerschaft und Austausch sind Dinge, die ich mir manchmal wünsche, sofern es der Richtige ist.

Was sind die größten Learnings aus Deinem Weg und was würdest Du gerne diesbezüglich anderen Frauen mit auf den Weg geben?

Vor allem würde ich mir wünschen, dass viel mehr Austausch zwischen Alleinerziehenden stattfindet, denn wir brauchen die Unterstützung. Als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, hatte ich sofort viele Fragen an andere alleinerziehende Mütter und war mitunter schockiert, wie wenig positiver Diskurs im Netz zum Thema zu finden war. Da waren gefühlt nur die Stimmen, die alles super schwer fanden und unglücklich waren. Damit konnte und wollte ich mich nicht identifizieren. Es ist wichtig zu wissen, dass es ganz viele gute Seiten haben kann alleine zu sein und je eher man diese Denkweise für sich annimmt, desto glücklicher kann man sein.

Wird Atlas eher Einzelkind bleiben oder kannst Du Dir weitere Kinder vorstellen?

Ich wollte immer viele Kinder, am liebsten 4. Natürlich traue ich mich nicht alleine so viele Kids zu haben, aber mindestens noch eines wünsche ich mir sehr. Sollte sich der richtige Mann für mich in den kommenden zwei Jahren nicht finden lassen, könnte ich mir auch ein Coparenting Modell sehr gut vorstellen. Entweder mit einem schwulen Freund oder einem bekannten Spender. Zum Glück hat man da heutzutage Optionen.

Besonders Alleinerziehnde sind in Deutschland häufig auf Hartz IV Leistungen angewiesen. Was denkst Du sollte sich in der Familienpolitik ändern, um es Alleinerziehenden (zu 89% Frauen) leichter zu machen?

Zuerst einmal sollte die Politik stark überdenken, warum sie kinderlose Ehepaare soviel mehr unterstützt als Alleinerziehende, die mitunter 2, 3, 4 Kinder bei sich haben (Stichwort: Ehegattensplitting). Ich kann auch nicht verstehen, warum ich allein mit Kind soviel mehr Steuern zahle, als eine verheiratete Frau ohne Kind. Damit fühle ich mich von unserer Regierung diskriminiert. Der Staat will, dass die Geburtenrate steigt, aber tut níchts, um Müttern das Gefühl zu geben, sie würden aufgefangen, sollte es mit dem Vater in die Brüche gehen. Ein nicht ganz unwahrscheinliches Szenario in der heutigen Zeit.

Liebe Katja, vielen Dank für Deine starken Antworten!