Auch ohne die Corona-Pandemie ist die Situation für viele Alleinerziehende herausfordernd genug, nun spitzt sie sich mit jeder Woche Einschränkungen zu. Oder? Ich habe vier alleinerziehende Mütter zu ihrer aktuellen Situation befragt und ihre Antworten stehen beispielhaft für viele, denen es gerade ähnlich geht. Mit Kristin, Tanja und Jessica habe ich in den letzten Wochen gesprochen, heute spreche ich mit Anne.

#CoronaAlone – 2 Kinder und ein Job in der Pflege

Anne ist 39 Jahre alt und arbeitet als Hauswirtschaftskraft in einem Pflegedienst. Sie wohnt mit ihren zwei Kindern, 5 und 9 Jahre alt, in einer 3-Zimmer-Wohnung mit Garten. Anne gehört zu den Menschen, die während der Corona-Pandemie einen lieben Menschen verloren haben und in dieser schweren Zeit, eine Beerdigung organisieren musste. Wir wünschen Anne unser herzliches Beileid.

Was sind Deine alltäglichen Herausforderungen als Alleinerziehende, auch ohne Corona-Krise? Wie haben sich diese nun, seit den Einschränkungen, verändert? Seit über sechs Wochen sind die Kitas und Schulen zu. Wie hast du diese Zeit überstanden? Was war besonders herausfordernd und was vielleicht sogar einfacher?

Anne: Herausfordernd ist, alles alleine zu stemmen: Job, Haushalt, Kinder, Termine usw. wahrzunehmen und dabei den Überblick nicht zu verlieren. Gute Organisation macht das alles möglich. Da ich in einem Pflegedienst arbeite, können meine Kinder in die Notbetreuung. Zusätzlich zu allem anderen, muss ich nachmittags die Schularbeiten mit meinem Sohn zu Hause machen, was nicht einfach ist. Ich muss auch die Kinder mehr beschäftigen als vorher, da der Sportverein zu und Freunde zu treffen nicht möglich ist. Da in der Corona-Zeit mein Vater pflegebedürftig wurde und ich ihn beim Sterben begleitet habe, sind die letzten fünf Wochen der Corona-Krise eher nebenbei an mir vorbei geflogen. Das alles auf einmal war sehr schwer und herausfordernd.

Wie geht es deinen Kindern? Was machen sie den ganzen Tag? Wie kommen sie mit dir und ihren Geschwistern zurecht? Was genießen eure Kinder gerade, und was vermissen sie besonders?

Anne: Meiner Tochter geht es in der Corona-Zeit wesentlich besser als vorher. Sie hat nicht mehr diesen Druck von der Außenwelt und ist seitdem viel ruhiger geworden. Sie genießt die viele Zeit mit Mama. Mein Sohn verbringt viel Zeit an seiner Konsole, mittlerweile vermisst er seine Freunde und den Fußball-Verein.

Gab es in den letzten Wochen Situationen, in denen du oder deine Kinder überfordert waren? Was hast du dann gemacht?

Anne: Überfordert waren wir durch Corona nicht, da die Kinder ja in Kita und Schulbetreuung gehen können. Schwer war nur, gleichzeitig den Tod meines Vaters zu erleben.

Welche Unterstützung hast du von dem jeweils anderen Elternteil? Hat sich da seit Corona etwas verändert? Wer unterstützt dich noch in deinem Umfeld?

Anne: Die Kinder sind so beim Vater wie vor der Corona-Zeit. Den ein oder anderen Tag war meine Tochter mehr bei ihrem Vater, da ich die Beerdigung organisieren musste. Auch unsere Familienhelferin hat mich in dieser Zeit unterstützt.

Wie hat sich die wirtschaftliche/finanzielle Situation in den letzten Wochen verändert? Kannst du von den Hilfsprogrammen (Kinderzuschlag, Notbetreuung, Kurzarbeit usw.) profitieren?

Anne: Bisher hat sich finanziell noch nichts für uns geändert, außer dass wir beim Einkaufen mehr auf teure Produkte zurückgreifen müssen. Das merke ich natürlich im Portemonnaie. Die Notbetreuung hilft mir total, sodass ich meinen Job weiter ausführen kann. Die Kurzarbeit tritt bei mir seit der letzten April-Woche ein; ich muss noch gucken, was mich dann finanziell erwartet. Ärgerlich finde ich, dass mir die Bonuszahlung von 1.500 Euro für Pflegekräfte vom Jobcenter wieder abgezogen wird, denn ich erhalte aufstockende Leistungen.

Was hat sich im Alltag verändert? Gibt es Engpässe bei der Versorgung oder Schwierigkeiten beim Einkaufen? Was vermisst ihr am „alten“ Leben am meisten bzw. worauf freut ihr euch besonders, wenn das alles mit Corona vorbei ist?

Anne: Verändert hat sich, dass ich viel mehr Zeit mit meinen Kindern habe, da die Nachmittage zuhause stattfinden. Ich finde es mal ganz schön, dass der Alltag ruhiger ist. Was fehlt ist, dass man nicht mal in die Stadt oder in den Zoo mit den Kindern fahren kann. Auch meine Freundin in Rostock kann ich zurzeit nicht besuchen, dabei bräuchte ich das gerade besonders, nach dem Tod meines Vaters. Einfach mal wieder raus, etwas anderes sehen und mit meiner Freundin quatschen. Das geht jetzt nur per Telefon. Und einkaufen kann ich nur das, was da ist. Wenn es kein Brot gibt, muss ich eben auf die deutlich teurere Alternative beim Bäcker zurückgreifen.

Irgendwann wird diese Pandemie vorbei sein, hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft. Welche der jetzigen Veränderungen würdest du gerne in die „neue“ Zeit mitnehmen?

Anne: Den Zusammenhalt und mehr Zeit mit den Kindern würde ich gerne mit in die neue Zeit nehmen.

Noch viele Wochen ohne Kita/Schule stehen uns bevor. Wie geht es dir damit? Wie wirst du das überstehen? Hast du vielleicht sogar einen Überlebenstipp für andere?

Anne: Wie gesagt, viel hat sich für mich im Alltag nicht verändert, da ich die Notbetreuung in Anspruch nehmen kann. Mein Tipp: Die Schulaufgaben nicht so ernst nehmen. Das meiste lernen die Kinder durchs tägliche Leben und nicht durch ein Deutschheft. Man kann nur versuchen, den Kindern, so gut wie es geht, bei den Schulaufgaben zu helfen. Wir sind Eltern und keine Lehrer.

Vielen Dank für deine Bereitschaft, uns diese doch sehr persönlichen Einblicke in dein Leben zu geben!

Zum Schutz der Privatsphäre ist der Name geändert und die Antworten anonymisiert. Die Familie und ihre Geschichten ist aber echt.

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