
Auch ohne die Corona-Pandemie ist die Situation für viele Alleinerziehende herausfordernd genug, nun spitzt sie sich mit jeder Woche Einschränkungen zu. Oder? Ich habe vier alleinerziehende Mütter zu ihrer aktuellen Situation befragt und ihre Antworten stehen beispielhaft für viele, denen es gerade ähnlich geht.
#CoronaAlone – 2 Kinder, keine Hilfe, ein Interview
Kristin ist zu dritt: eine Mami, ein Erstklässler und ein Krippenkind. Sie wohnt in einer 3-Zimmer-Wohnung und hat einen kleinen Balkon. Sie ist zum Glück noch in Elternzeit und wollte ab August wieder arbeiten. Ob das überhaupt klappt, ist momentan aber noch völlig unklar.
Was sind Deine alltäglichen Herausforderungen als Alleinerziehende, auch ohne Corona-Krise? Wie haben sich diese nun, seit den Einschränkungen, verändert? Seit über sechs Wochen sind die Kitas und Schulen zu. Wie hast du diese Zeit überstanden? Was war besonders herausfordernd und was vielleicht sogar einfacher?
Kristin: Unsere alltäglichen Herausforderungen waren eigentlich nur, morgens alle pünktlich aus dem Haus zu kommen. Im Moment ist es schwer, jeden Tag gesund und abwechslungsreich zu kochen. Mir fehlen inzwischen die Ideen, und ich stehe gefühlt nur noch in der Küche. Ich muss auch viel mehr einkaufen, was mit zwei kleinen Kindern sehr anstrengend ist. In einige Supermärkte komme ich nicht rein, manche Türsteher verweigern uns den Eintritt („Nur eine Person pro Einkaufswagen“). Das ist teilweise richtig diskriminierend, ich kann doch meine Kinder nicht allein lassen. Meinen Sohn bei den Schulaufgaben zu unterstützen, ist auch schwer, weil die Kleine gleichzeitig Aufmerksamkeit braucht.
Wie geht es deinen Kindern? Was machen sie den ganzen Tag? Wie kommen sie mit dir und ihrem Geschwisterchen zurecht? Was genießen deine Kinder gerade, und was vermissen sie besonders?
Kristin: Der Alltag ist für die Kinder total langweilig geworden. Mein Sohn hat gerade mehr Medienzeit (TV und Tablet). Die Kleine kriegt das alles noch nicht so mit, aber sie vermisst ihre Oma sehr. Nach der Corona-Zeit können wir in der Krippe mit der Eingewöhnung wahrscheinlich wieder von vorn beginnen – dann, wenn ich eigentlich wieder arbeiten gehen soll. Ich überlege schon, ob ich die Elternzeit verlängern muss. Mein Chef wird nicht begeistert sein.
Gab es in den letzten Wochen Situationen, in denen du oder deine Kinder überfordert waren? Was hast du dann gemacht?
Kristin: Ostern war ganz schlimm. Als typischer Großfamilien-Mensch war ich richtig niedergeschlagen, weil ich meine Familie nicht sehen konnte. Wir sind dann einfach trotzdem zu meinen Eltern gegangen, haben vor ihrem Balkon auf der Wiese ein Picknick gemacht und auf Distanz mit ihnen Ostern gefeiert.
Welche Unterstützung hast du von dem jeweils anderen Elternteil? Hat sich da seit Corona etwas verändert? Wer unterstützt dich noch in deinem Umfeld?
Kristin: Es gibt keinen Kontakt zu den Vätern. Der Vater meiner Tochter hat den Unterhalt einfach eingestellt – da ist das Jobcenter kurzfristig eingesprungen. Das war glücklicherweise ganz unkompliziert. Die Unterstützung durch meine Familie ist da, aber natürlich ohne persönliche Kontakte. Meine Oma hat uns neulich etwas zu essen gebracht, sie hat extra für uns gekocht und es vor die Tür gestellt. Das war rührend, aber auch traurig, denn es ist nicht das Gleiche wie bei ihr zum Essen eingeladen zu sein.
Wie hat sich die wirtschaftliche/finanzielle Situation in den letzten Wochen verändert? Kannst du von den Hilfsprogrammen (Kinderzuschlag, Notbetreuung, Kurzarbeit usw.) profitieren?
Kristin: Kinderzuschlag bekomme ich nicht, weil ich im Jobcenter-Bezug bin. Vor Corona habe meine Kinder in der Schule und in der Krippe warm gegessen. Jetzt muss ich das auffangen, und die günstigen Produkte sind oft vergriffen. Dann muss ich auf Marken-Dinkel-Vollkorn-Nudeln zurückgreifen, die 1,50 Euro mehr kosten und meinen Kindern nicht mal schmecken.
Was hat sich im Alltag verändert? Gibt es Engpässe bei der Versorgung oder Schwierigkeiten beim Einkaufen? Was vermisst ihr am „alten“ Leben am meisten bzw. worauf freut ihr euch besonders, wenn das alles mit Corona vorbei ist?
Kristin: Ich vermisse, dass ich mit meiner Oma vormittags in Ruhe in der Innenstadt in einem Café sitzen und mit ihr quatschen kann. Mein Sohn wünscht sich nichts mehr, als endlich wieder seine Freunde zu sehen. Er will sogar freiwillig wieder in die Schule.
Irgendwann wird diese Pandemie vorbei sein, hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft. Welche der jetzigen Veränderungen würdest du gerne in die „neue“ Zeit mitnehmen?
Kristin: Ich würde mich freuen, wenn es auch nach Corona mehr Homeoffice geben könnte. Für meinen Job als Disponentin kann ich mir das gut vorstellen. Auch der digitale Ausbau an den Schulen sollte weiter vorangebracht werden. Ich erlebe das bei meinem Neffen: der hat an seiner Schule ein Tablet, und vieles läuft über E-Mails. Eine andere positive Veränderung kann auch bleiben: Ich hatte eine Wohnungsbesichtigung ganz allein für die Kinder und mich in unserer möglichen neuen Wohnung. Gegen meinen Ausweis habe ich den Schlüssel bekommen und hatte eine Stunde Zeit, mir alles in Ruhe anzugucken. Das war sehr entspannt und kein Vergleich zu den Massenbesichtigungen von früher.
Noch viele Wochen ohne Kita/Schule stehen uns bevor. Wie geht es dir damit? Wie wirst du das überstehen? Hast du vielleicht sogar einen Überlebenstipp für andere?
Kristin: Eine Freundin sagte: „Ich kann mich nicht mal vor einen Zug schmeißen, es fährt ja keiner.“ Ich bin auch zwischendurch echt verzweifelt. Meine Kinder gehen wohl frühestens Ende August wieder in Krippe und Grundschule. Koffer packen und einfach mal wegfahren, das kann ich gerade auch nicht. Also Augen zu und durch, gelassen bleiben, selbst wenn das Kind mal eine Stunde mehr Netflix schaut. Es kommen auch wieder andere Zeiten.
Vielen Dank für deine Bereitschaft, uns diese doch sehr persönlichen Einblicke in dein Leben zu geben!
Zum Schutz der Privatsphäre ist der Name geändert und die Antworten anonymisiert. Die Familie und ihre Geschichte ist aber echt.

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