
Auch ohne die Corona-Pandemie ist die Situation für viele Alleinerziehende herausfordernd genug, nun spitzt sie sich mit jeder Woche Einschränkungen zu. Oder? Ich habe vier alleinerziehende Mütter zu ihrer aktuellen Situation befragt und ihre Antworten stehen beispielhaft für viele, denen es gerade ähnlich geht. Letzte Woche habe ich mit Kristin gesprochen, diese Woche spreche ich mit Tanja.
#CoronaAlone – ein Kind, ein Vollzeitjob , ein Interview
Tanja wohnt mit ihrem 12-jährigen Sohn zusammen in einer 3-Zimmer-Wohnung mit Balkon. Glücklicherweise hat sie einen Schrebergarten, so wie zum Beispiel auch Camilla. Dort verbringt sie gerade die meiste Zeit. Sie arbeitet in Vollzeit bei einer Tankstelle.
Was sind Deine alltäglichen Herausforderungen als Alleinerziehende, auch ohne Corona-Krise? Wie haben sich diese nun, seit den Einschränkungen, verändert? Seit über sechs Wochen sind die Kitas und Schulen zu. Wie hast du diese Zeit überstanden? Was war besonders herausfordernd und was vielleicht sogar einfacher?
Tanja: Mein Sohn hat ADHS, und es ist sowieso schon herausfordernd, ihn jeden Tag auszupowern. Er macht sonst sehr viel Sport und ist im Fußballverein. Seit Corona ist das alles weggefallen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt, und wir versuchen mit Spielen, Bauen, Basteln, Gärtnern, Radfahren usw. miteinander die Tage irgendwie herumzukriegen.
Wie geht es deinem Sohn? Was macht er den ganzen Tag? Wie kommt er mit dir und der Situation zurecht? Was genießr er gerade, und was vermisst er besonders?
Tanja: Mein Sohn genießt es, dass er keine Schule hat und den ganzen Tag chillen kann. Aber er vermisst seine Freunde und das Fußballspielen sehr. Wenn ich nicht da bin, weil ich arbeiten muss, dann zockt er viel mehr als sonst. Aber ich gebe ihm kleine Aufgaben im Haushalt, die er dann auch erledigt, wie Wäsche aufhängen, Tisch abräumen, Müll runterbringen. Ab nächste Woche darf er endlich auch in die Notbetreuung. Ich bin gespannt, wie das klappt, und hoffe, dass sich das schnell einspielt.
Gab es in den letzten Wochen Situationen, in denen du oder dein Sohn überfordert waren? Was hast du dann gemacht?
Tanja: Nee, überfordert waren wir nicht. Das Leben als berufstätige Alleinerziehende ist allgemein anstrengend und herausfordernd, aber das hat nur bedingt mit Corona zu tun. Wir sind ein eingespieltes Team und kennen es ja seit vielen Jahren nicht anders.
Welche Unterstützung hast du von dem anderen Elternteil? Hat sich da seit Corona etwas verändert? Wer unterstützt dich noch in deinem Umfeld?
Tanja: Vom Vater gab es noch nie Unterstützung. Er zahlt Unterhalt, weil er muss – der kam auch diesen Monat trotz Corona. Sonst haben wir keinen Kontakt zum Vater. Unterstützung habe ich durch meine Familie und Freunde. Momentan muss ich auch Nachtschicht machen, da kann mein Sohn bei Freunden übernachten, damit er nicht allein ist.
Wie hat sich die wirtschaftliche/finanzielle Situation in den letzten Wochen verändert? Kannst du von den Hilfsprogrammen (Kinderzuschlag, Notbetreuung, Kurzarbeit usw.) profitieren?
Tanja: Ich bin sehr gespannt, was Ende des Monats übrig bleibt. Seit der Corona-Zeit habe ich viele Minusstunden. Erst wenn meine Abrechnung kommt, weiß ich, ob ich überhaupt Anspruch auf Kinderzuschlag habe. Inzwischen hat meine Chefin auch Kurzarbeit beantragt. Nächsten Monat wird sich zeigen, ob wir finanziell über die Runden kommen.
Was hat sich im Alltag verändert? Gibt es Engpässe bei der Versorgung oder Schwierigkeiten beim Einkaufen? Was vermisst du am „alten“ Leben am meisten bzw. worauf freust du dich besonders, wenn das alles mit Corona vorbei ist?
Tanja: An meinem alten Leben vermisse ich alles. Mir fehlt das normale Leben und meine festen Arbeitszeiten, sodass ich wieder genug verdienen kann, um gut über die Runden zu komme. Wir müssen das Geld gerade sehr zusammen halten, es ist ja noch völlig unklar, wie das weiter gehen wird. Mein Kind möchte sich endlich wieder mit seinen Freunden verabreden können.
Irgendwann wird diese Pandemie vorbei sein, hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft. Welche der jetzigen Veränderungen würdest du gerne in die „neue“ Zeit mitnehmen?
Tanja: Nichts. Ich finde das alles doof und will unser altes Leben zurück. Unsere eingespielten Strukturen waren gut für mich und meinen Sohn.
Noch viele Wochen ohne Kita/Schule stehen uns bevor. Wie geht es dir damit? Wie wirst du das überstehen? Hast du vielleicht sogar einen Überlebenstipp für andere?
Tanja: Mir fällt da nichts Besonderes ein, einfach die Zeit, so gut wie es eben geht, miteinander verbringen und die Möglichkeiten nutzen, die man gerade hat. Und: einfach durchhalten!
Vielen Dank für deine Bereitschaft, uns diese doch sehr persönlichen Einblicke in dein Leben zu geben!
Zum Schutz der Privatsphäre ist der Name geändert und die Antworten anonymisiert. Die Familie und ihre Geschichten ist aber echt.
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Foto Credits: Aufmacherbild von Milo English von Pexels
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