
Die Kitas und Schulen sind geschlossen, das öffentliche Leben steht nahezu still. Durch die Corona-Pandemie kommt auf viele Familien eine bislang nicht dagewesene Herausforderung zu. Die Maßnahmen der Regierung sind notwendig und absolut alternativlos. Das betrifft uns alle. Wir alle fragen uns: Wie sollen wir das nur schaffen? Wie Überleben wir als Familie die nächsten Wochen?
1. Erfindet eure Struktur
Alle Kinder brauchen eine klare Struktur, die ihnen hilft sich zu orientieren. Auch für die Eltern ist es gut, wenn sie nicht permanent improvisieren müssen. Das klappt vielleicht mal für ein Wochenende, aber nicht für längere Zeit.
Je nachdem, wie alt die Kinder sind, könnt ihr sie daran beteiligen, einen Plan für die nächsten Wochen zu erstellen. Dabei geht es nicht um einen minutengenauen Zeitplan, denn Zeitdruck gehört in den nächsten Wochen überhaupt nicht zu unserem Problem. Das heißt, alles, was ihr plant und macht, dauert so lange, wie es eben dauert.
Schlafens- und Mahlzeiten geben Struktur vor, ebenso Zeiten für gemeinsame Beschäftigung, Mediennutzung, Freispiel und Pausen. Entwickelt euren eigenen Stundenplan, und füllt diesen gemeinsam mit der Familie. Alle dürfen Vorschläge machen: Was gibt es zu essen? Was unternehmen wir gemeinsam? Welche Aufgaben erledigen wir? Welchen Film schauen wir an? Welches Gesellschaftsspiel wollen wir spielen?

Den Strukturplan schreibt ihr am Besten auf ein großes Blatt Papier o.ä. und hängt ihn in die Küche. Das bietet eine zusätzliche Orientierung. Die Visualisierung der gemeinsamen Verabredung erhöht auch deren Verbindlichkeit.
2. Aktiviert eure Fantasie
Kinder lieben es, wenn sich Fantasie und Wirklichkeit treffen. Sie können in Geschichten richtig aufgehen und sich stundenlang damit beschäftigen. Diesen kindlichen Flow könnt ihr euch zunutze machen, indem ihr eure Tage und Wochen unter ein Motto stellt. Ihr könnt eine Reise um die Welt, durch die Zeit oder durch eine Märchenwelt veranstalten. Unter eurem Motto könnt ihr dann Spiele, Filme, Bastel- und Ausmal-Ideen, sogar Mahlzeiten, Musik, Kleidung usw. aussuchen. Das Thema kann sich auch über mehrere Tage hinziehen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die eigenen vier Wände wirken nicht mehr so eng, wenn man sich z.B. eine eigene Bude baut und dann zu einer (Kuscheltier-)Safari aufbricht, sich durch den Dschungel (aus allen Zimmerpflanzen in einem Raum) schlägt und aus den Früchten des Waldes einen köstlichen Obstsalat schnippelt. Eine Dschungelbuch-Playlist-Karaoke-Party veranstalten, große Dschungeltiere ausmalen, Tiermasken schminken oder eine Jagd veranstalten (Schleich-Tiere mit Gummiband oder Nerfs abschießen), und dann mit der ganzen Familie den alten Dschungelbuch-Klassiker angucken.

Bei Mottotagen sind Humor und Improvisation wichtiger als eine perfekte Animation. Ihr sollt nicht jeden Tag zu einem Kindergeburtstag machen, sondern zusammen mit euren Kids Spaß haben und Zeit verbringen.
3. Beschäftigt die großen Kinder
Große Kinder können sich in den nächsten Wochen einem größeren Projekt widmen, das sie über mehrere Tage beschäftigt. Beispielsweise können sie eine eigene Lego-Foto-Story entwickeln und umsetzen, oder sie erstellen und schneiden ein eigenes Video. Sie könnten die Nähmaschine ausprobieren und eine Tasche nähen oder ihre Klamotten pimpen.
Andere begeistern sich für Experimente, die sie zu Hause durchführen können. Sie können sich auch handwerklich, musikalisch oder künstlerisch austoben. Der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, es gibt keinen Erfolgs- oder Zeitdruck. Im Internet finden eure Kinder (mit eurer Unterstützung) fast alles, was sie zur Vorbereitung und Durchführung brauchen: Hintergrundwissen, Tutorials, Apps usw.

Manche Schulen geben auch für die nächsten Wochen Aufgaben auf. Die sollten die Kinder dann zu festen Zeiten bearbeiten, etwa wochentags nach dem Frühstück für ein bis zwei Stunden. Denn der alte Merksatz „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ hat durchaus seine Berechtigung. Zeitfenster für Schulaufgaben sollten im Strukturplan klar festgelegt werden, dann vermeidet ihr tägliche Diskussionen.
Wer die Möglichkeit hat, sollte Garten oder Balkon frühlingsfein machen. Ein kleines Blumenbeet anlegen, Gemüse einsähen, ein bisschen dekorieren. Auch dabei übernehmen Kinder gern einen eigenen Part.
4. Lasst eure Kinder mitmachen
Vieles im Alltag läuft ja trotzdem irgendwie weiter, auch wenn die Kinder jetzt zuhause sind. Die Wohnung muss geputzt, Wäsche gewaschen, Essen gekocht werden usw. Bezieht eure Kinder in die Hausarbeit mit ein, lasst sie euch helfen. Das könnte dann zwar länger dauern, als wenn man die Arbeit selbst erledigt, denkt ihr vielleicht. Aber genau darum geht es doch, oder? Ihr wollt doch die Zeit mit euren Kindern irgendwie sinnvoll verbringen. Dann dauert es eben länger, ist doch super, wieder ein Vormittag geschafft.

Ganz zufällig ist jetzt auch genau die passende Zeit für einen ausgiebigen Frühjahrsputz und das Ausmisten des Kinderzimmers, Kleiderschranks, der vielen Kramschubladen, des Kellers usw. Da solltet ihr eure Kinder unbedingt mit einspannen. Das könnte doch dann zu viel Widerstand und Diskussionen mit ihnen führen, denkt ihr vielleicht. Auch kein Problem, denn ihr habt jetzt die Zeit für ausgiebige Diskussionen über den Sinn und die Freunde von Hausarbeit, über Kompromisse und Belohnung nach getaner Arbeit, über gemeinsame Verantwortung innerhalb der Familie usw. Feiner Nebeneffekt: Ihr schult die Konfliktfähigkeit und Argumentationsstrategien von euch und euren Kindern.
Also setzt euch mit euren Familienmitgliedern auseinander, hört einander zu, teilt eure Meinung, Wünsche und Erwartungen mit. Verhandelt. Findet Kompromisse und Lösungen. In Sachen Hausputz solltet ihr euch allerdings dringend auf eine gemeinsame Playlist einigen, und dann kann‘s endlich losgehen.
5. Nutzt unbedingt Medien
Wir haben das große Glück, dass wir Zugang zu vielen unterschiedlichen Medien haben. Den sollten wir in den nächsten Wochen unbedingt nutzen. Bücher, Hörspiele, Musik, Nachrichten, Filme, Serien, Games, Social Media, Kommunikation, Apps usw. stehen uns mehr oder weniger umfangreich und kostengünstig zur Verfügung. Viele Eltern sind unsicher, inwieweit sie ihren Kindern digitale Medien zutrauen können.

Das ist gut so, denn Kinder – fast egal welchen Alters – können sich nicht selbst regulieren, wenn es um Online-Games, Handy-Spiele oder Serien geht. Sie verlieren jedes Zeitgefühl und wollen immer weiter konsumieren. Die Spiele und Serien sind genau so aufgebaut, sie aktivieren das Belohnungssystem, damit die User, also unsere Kinder, immer weiter spielen wollen. Als Pädagogin habe ich grundsätzlich nichts gegen einen solchen Serien- oder Game-Flow, der sehr viel Spaß bereiten kann. Es gibt jedoch einiges zu beachten:
- Die Inhalte müssen altersgerecht sein, die FSK-Empfehlung ist eine ernst zunehmende Richtlinie.
- Die Eltern müssen auf einen Ausgleich achten. Pausen, analoge Beschäftigungen und Bewegung sind wichtig. Problematisch wird es, wenn Kinder sich nur noch am PC, Tablet oder der Playstation beschäftigen. Das wollen sie zwar am liebsten, aber Eltern müssen dagegen halten. Digitale Medien haben eine sehr große Sogwirkung auf Kinder. Das können Eltern sich zunutze machen und Medienzeiten als Belohnung einsetzen (etwa in Verbindung mit Punkt 4).

- Medien können aktiv oder passiv genutzt werden. Das sollten Eltern wahrnehmen und unterschiedlich einstufen. Wenn ein Kind zum Beispiel ein Video schneidet, dann sitzt es auch stundenlang vor dem PC/Tablet, aber es ist aktiv und kreativ dabei. Das ist ein großer Unterschied zu stundenlangem Youtube-Gucken.
- Bei Online-Games und Social Media sind leider viele Idioten unterwegs, die Kinder gezielt ansprechen, manipulieren und sogar sexuellen Missbrauch anbahnen (Cybergrooming) wollen. Daher sollten Eltern immer ein Auge darauf haben, was ihre Kinder im Netz treiben, und bestenfalls ihre Kinder im Netz begleiten.
6. Macht mal Pause
Eltern sind keine 24/7-Animateure für ihre Kinder, auch nicht in der Corona-Krise. Ihr solltet unbedingt kinderfreie Zeiten in eure Tage und kinderfreie Zonen in eurer Wohnung einrichten. Das teilt ihr dem Kind/den Kindern dann einfach mit. Ohne Diskussion, denn es ist eine Regel, von euch Erwachsenen, und die gilt genauso wie Händewaschen und Zähneputzen.

Sie klappt als Regel auch genauso gut wie Händewaschen und Zähneputzen, nämlich zunächst nur durch eure beharrliche und teils energische Unterstützung, später dann ganz automatisch. Wenn Pause ist, dann sollen die Kinder sich leise beschäftigen, selbst pausieren und vor allem ihre Eltern nicht stören. Das gilt natürlich erst für Kinder ab ca. drei Jahren. Dafür ist dann hoffentlich der Abend kinderfrei, weil die Kleinen schlafen.
7. Passt auf euch auf
Achtet auf eure Gesundheit. Die Hygienevorschriften sind inzwischen ausreichend bekannt, aber neben der körperlichen Gesundheit ist auch die seelisch-psychische Gesundheit von großer Bedeutung.
Geht regelmäßig nach draußen. Meiner Meinung nach sollte jede/r mindestens einmal am Tag die Wohnung verlassen, an die frische Luft gehen, die Sonne im Gesicht und den Wind um die Nase spüren. Ein kleiner Spaziergang im Viertel reicht schon aus. Das wirkt sich sehr positiv auf die Stimmung aus, beugt Lagerkoller vor und wirkt nachweislich antidepressiv.

Menschenansammlungen, öffentliche Verkehrsmittel und volle Spielplätze solltet ihr natürlich meiden. Wer es einrichten kann, geht in die Natur: in einen Park, den Garten, raus aufs Land oder in den Wald. Habt ihr Fahrräder oder ein Auto? Dann erkundet die Naherholungsgebiete in eurer Umgebung.
Für das seelische Wohlbefinden sind außerdem Sozialkontakte wichtig. Auch wenn wir größere Gruppen und den Kontakt zu Risikogruppen und älteren Menschen meiden sollen, heißt das nicht, dass wir nicht kommunizieren können. Bleibt also unbedingt vernetzt mit euren Freunden und der Familie. Schreibt Nachrichten, schickt Bilder, telefoniert, videofoniert, schreibt Briefe und Postkarten, tauscht euch aus und unterstützt euch.

Ihr könnt auch eure Kinder motivieren und unterstützen, mit ihren Freunden in Verbindung zu bleiben. Vielleicht haben sie Lust, ein Bild zu malen oder einen Brief zu schreiben, den ihr dann mit der Post verschickt. Das wäre doch mal was.
Titelbild von Jessica West von Pexels
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Ein toller Beitrag mit vielen praktischen Tipps: Beruf und Kinder während der Corona-Ferien von Stepfanie Poggemöller von Work&Family
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