Rund ein Drittel der Frauen leiden im ersten Jahr nach der Geburt an einer Blasenschwäche. Und im trubeligen Alltag mit Baby muss einer oft hinten anstehen: unser Beckenboden. Vor den Kindern hat er uns ehrlich gesagt wenig interessiert! Erst wenn das erste Pipi im Höschen landet, machen wir uns einen Kopf. Warum das nicht sein muss und was wir zur Stärkung unseres Beckenbodens tun können, darüber haben wir uns mit jemandem unterhalten, der es wissen muss: Einer Hebamme.
Liebe Sissi Rasche, nicht nur Hebammen predigen, dass frau den Beckenboden trainieren sollte. Was ist so wichtig am Beckenboden?
Eine Geburt ist Schwerstarbeit für den Beckenboden, vor allem für die innerste Schicht. Ist der Beckenboden fit und gut trainiert, bildet er eine Art innere Rutsche für das Baby. Bei einem Dammriss oder Dammschnitt können auch die mittlere oder äußere Schicht Schäden nehmen. Entgegen der weitläufigen Meinung, kann auch ein Kaiserschnitt den Beckenboden schwächen, z.B. dann wenn der Schnitt am Ansatz der Beckenbodenmuskulatur geführt wird und nicht ordentlich verheilt. Aber: Nicht alleine der Beckenboden ist wichtig, sein Muskel verbindet alles – den kompletten Halteapparat bestehend aus Blase, Uterus, Darm. Man kann sich das wie eine Hängematte vorstellen. Außerdem stehen alle wichtigen Muskeln im Körper mit dem Beckenboden in Verbindung: Becken, Rücken, Hüfte, Bauch, Rippen, Atemmuskulatur und Brust, Brustkorb und Schultern.
Ein gesunder Beckenboden ist also wichtig für eine stabile Haltung. Und mit einer guten Haltung hat man schließlich auch ein anderes, sogar überzeugenderes Auftreten.
Was können die Folgen sein, wenn man den Beckenboden vernachlässigt?
Erschlaffung der Beckenboden- und der Blasenmuskulatur. Gebärmuttersenkung, Inkontinenz, Hämorrhoiden, Rückenschmerzen, die Liste ist lang…
Was ist dann alles nicht mehr möglich?
Alles, bei dem der Beckenboden Druck bekommt – wie z.B. Sport wie Laufen, Springen, Hüpfen – oder reflexartig gegenhalten muss wie z.B. Husten oder Niesen. Letzteres ist zwar natürlich noch möglich, aber selten ohne Urinverlust. Viele Frauen mit Beckenbodenschwäche haben außerdem weniger Lust und beim Sex ein ungewohntes Gefühl.
Deiner Erfahrung nach, wie viele Frauen leiden während der SSW bzw. nach der Geburt unter Blasenschwäche?
Bei mir steht die Frauengesundheit an oberster Stelle. Schon durch die Schwangerschaft kann der ganze Beckenboden in Mitleidenschaft gezogen werden. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig die Blase zu entleeren und Verstopfungen vorzubeugen. Auch unter der Geburt. Ich persönlich bin ein schlechter Zahlenmensch vom Gefühl her, würde ich sagen, dass 80% aller Frauen Probleme mit dem Beckenboden haben – darunter auch Frauen, die noch kein Kind geboren haben, weil sich der Beckenboden auch altersbedingt und durch starke Inanspruchnahme senken kann wie z.B. gebückte Haltung beim Toilettengang, chronische Verstopfung oder Übergewicht. Die Crux ist: Manche Frauen – und sogar Männer – wissen oder merken es nicht, dass ihr Beckenboden geschwächt ist. Erst bei Inkontinenz oder Rückenbeschwerden gewinnt das Thema an Brisanz. Und auch dann wird leider häufig erst was dagegen unternommen.
Unsere Mütter wussten noch nichts von Beckenbodentraining und Co.
Wie erklärst du dir, dass dieses Thema erst in den letzten Jahren aufkam?
Prinzipiell glaube ich, dass auch vor hunderten von Jahren schon ein Verständnis für die Beckenbodenthematik da war und Hebammen genau wussten, wie wichtig der Erhalt der Frauengesundheit ist. Und auch bereits damals wurden die Nachbarorgane des Uterus, sprich, die Blase und der Darm, gepflegt. Mit dem Fortschritt der Schulmedizin hat die traditionelle Hebammenkunst an Ansehen und an Wichtigkeit verloren. Erst als Frauen anfingen, über ihr Leiden zu sprechen, bekam das Thema mehr Aufmerksamkeit – und Lösungen werden entwickelt.
Wann hast du das erste Mal von der Wichtigkeit des Beckenbodens gehört? Erst als Hebamme oder schon früher?
Ich muss gestehen, dass mein Erstkontakt über einen Pilateskurs mit 17 Jahren – dort ist vom sogenannten Powerhouse die Rede – auch nicht “life changing” war. Dem Beckenboden wird in der Hebammenausbildung definitiv zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wirklich bewusst wurde ich mir – wie die meisten Frauen – der gravierenden Ernsthaftigkeit erst, als ich mich mit anderen Müttern darüber unterhielt und in meiner praktischen Arbeit Erfahrungen sammelte. Deshalb kann man es auch jungen Frauen gar nicht oft genug sagen – auch wenn sie noch nichts davon hören wollen oder noch nicht dafür sensibilisiert sind: Achtet auf euren Beckenboden!
Gibt es Frauen, deren Beckenboden kaum bis gar nicht in Mitleidenschaft gezogen wird?
Ja, aber nur sehr selten.
Kann man irgendwie vorbeugen? Nach dem Motto: “Vorher gut trainiert hält auch hinterher besser?”
Ja, auf jeden Fall kann und sollte man vorbeugen. Weil der Beckenboden nicht erst ab dem Kinderkriegen eine Rolle spielt, sondern auch zu einem gesunden Körperempfinden beiträgt. Ich beispielsweise achte, während ich diese Interview gebe, auf eine gerade Körperhaltung.
Du empfiehlst deinen Frauen ja nichts, wovon du nicht restlos überzeugt bist. Wie kamst du auf INNOVO? Und wie hast du die Anwendung empfunden?
Ich kannte eine Frau, die nach der Geburt ihres ersten Kindes unter Senkungsbeschwerden litt, sprich, ihr Uterus hat sich in die Scheide gesenkt. Als sie mir davon erzählte, dass sie sich im Beckenbodenzentrum hat beraten lassen und ihr von der dort ansässigen Physiotherapeutin für den häuslichen Gebrauch ein spezielles Gerät empfohlen wurde, wollte ich natürlich wissen, welches Gerät das war – und habe es auch selbst getestet. INNOVO ist ein Beckenbodentrainer, der in Form von Manschetten auf den Oberschenkeln anliegt und über die integrierten Haftpads sanfte elektrische Impulse sendet. Bei regelmäßiger Anwendung wird der Beckenboden langfristig trainiert und gestärkt. Man hat dabei eigentlich auch nicht viel Aufwand, weil man das Gerät bequem zu Hause auf der Couch nutzen kann. Dennoch würde ich es in Kombination mit einem Training empfehlen, das auf den ganzheitlichen Körper ausgerichtet ist, weil Beckenboden und gute Körperhaltung eben – wie schon erwähnt – ineinander übergreifen.
Werden die Kosten für diese Behandlungen bzw. Geräte von der Krankenkasse übernommen?
Beckenbodenkurse werden von manchen Krankenkassen anteilig übernommen. Nachfragen und wiederholtes Einreichen der Kursquittung machen hier Sinn. INNOVO wurde entwickelt, um dauerhaft die Beckenbodenmuskulatur zu trainieren und Blasenschwäche vorzubeugen – unabhängig von Schwangerschaft und Geburt. Das Trainingsgerät kostet 399 Euro und wird nicht von der Krankenkasse übernommen. Ratenzahlung ist aber möglich. Wenn es allerdings eine medizinische Indikation – mindestens Harninkontinenz Grad 2 – gibt, dann kann ein ähnliches Gerät für die vom Arzt verordnete Behandlungszeit leihweise verschrieben werden.
Sissi Rasche (rechts) ist seit 8 Jahren Hebamme in Berlin. Sie hat selbst zwei Kinder und schon etliche zur Welt gebracht. Unter anderem auch Janines Quinn und Camillas Baby – ganz bald.
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