
Es ist ein komisches, fast wattig-taubes Gefühl im Hirn. Mein Sichtfeld wie durch Scheuklappen eingegrenzt auf diesen viereckigen, leuchtenden Bereich vor mir, auf den ich schon seit Stunden schaue. Arbeiten und Freizeit verschwammen in den ersten Corona-Wochen bei mir. Durch die Kinderbetreuung zwischendurch zog sich meine Arbeit manchmal dann bis in den Abend statt Nachmittags wie gewohnt den Rechner runter fahren zu können. Was macht das mit einem?
Digital Overload
Am seltsamsten war für mich, dass ich auch dann, wenn ich wusste, jetzt müsste eigentlich alles geschafft sein, nicht zur Ruhe kam. Unbewusst blieb ich weiter fahrig auf Empfang. Jederzeit könnte doch wieder eine E-Mail reinkommen, die ich schon einmal auf ihre Wichtigkeit hin scannte. Vor Corona empfing ich keine Arbeitsmails in meiner freien Zeit mit den Kindern. Jetzt: Ein digitaler Overload. Den ganzen Tag über Mails am Laptop oder Handy, dazwischen vielleicht kurz Yoga auf Youtube und Abend Serien streamen zum (vermeintlichen) runter kommen. Kurz vorm Einschlafen noch ein paar Seiten auf dem E-Book lesen.
Klar, das ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau. First World Problems ect. Aber was soll ich drum herum reden: wirklich gut ging es mir in diesen Tagen nicht. Das lag sicher auch an der Mehrfachbelastung, Kinderbetreuung und Arbeit quasi parallel im Wechsel mit meinem Partner stemmen zu müssen, vielleicht auch daran, dass die gesamte unsichere, unabsehbare Situation rund um die Pandemie psychisch nicht ganz spurlos an mir vorbei gingen. Aber zweifellos hat auch die digitale Dauerberieselung ihren Teil beigetragen.
Immer online – kann das gut gehen?
So wie ich mich in den ersten Wochen der Coronapandemie fühlte, ging es vielen meiner Bekannten und Freund*innen. Ein Großteil des ohnehin schon vernetzten Lebens verschob sich noch mehr in den digitalen Raum. Am Ende des Tages fühlt man sich aufgekratzt und matt-erschöpft zu gleich.

Aber schadet online sein denn wirklich? Tatsächlich ist die Studienlage widersprüchlich und vielfältig. Nicht zwingend kann man behaupten, die Nutzung digitaler Tools sei schlecht für die Psyche. Was man aber inzwischen weiß:
- Schon allein die Anwesenheit eines Smartphones im Raum verändert die Konzentrationsfähigkeit. In einer Studie mit 800 Teilnehmer*innen fanden Forscher*innen heraus, dass es schon ausreicht, wenn das Handy mit im Zimmer ist, dazu muss es nicht einmal offen auf dem Tisch liegen. In der Studie wurde festgestellt, dass allein die Möglichkeit, das Smartphone in Reichweite zu haben, dazu führt, dass das Gehirn Energie dafür benötigt, konzentriert zu arbeiten anstatt aufs Telefon zu schauen. (Quelle: https://www.journals.uchicago.edu/ )
- Für ohnehin gefährdete Menschen kann die Nutzung rein digitaler Kommunikationsmittel, also Social Media, Video Games und mehr eine Verstärkung von Symptomen verursachen. Die Betonung liegt hier auf dem Wörtchen kann. Andere Menschen wiederum finden in speziellen Foren und Gruppen eher Halt und Hilfe als im analogen Leben. Der Medienforscher Dr. Christoph Klimmt stellt zumindest fest: Wissbegierige werden schlauer, Gesellige beliebter, Traurige depressiver. Vielleicht verstärkt die neue Technik also das Bestehende, im Guten wie im Schlechten, erweitert den Horizont der Erlebnisse und die Reichweite von Kommunikation um den Preis der Überlastung. Vielleicht reichen die Folgen aber auch tiefer, und wir werden gerade Zeuge eines regelrechten Umbaus der menschlichen Psyche. (Quelle: https://www.zeit.de/ )
- Die Nutzung digitaler Medien kann den Schlaf negativ beeinträchtigen oder zu Einschlafstörungen führen. Bildschirme mit LED-(Hintergrund-)Beleuchtung, kann die Ausschüttung des entspannungsfördernden Hormons Melatonin reduzieren und die des Stresshormons Kortisol fördern. Dabei spielt es also keine Rolle, ob digitale Medien aus beruflichen Gründen oder als Freizeitbeschäftigung genutzt werden. (Quelle: https://www.barmer.de/ )
Die Pausen und den Ausgleich nicht vergessen

Keine Ahnung, wieso ich das so vergessen konnte. Ich hatte für meinen eigenen Blog schon über die Wirkung von Social Media im vergangenen Jahr einiges zum Thema zusammenrecherchiert und bin dort auf diese Fakten gestoßen. Diese ersten Wochen der Coronapandemie waren aber für mich wie ein Rush, ein Film, bei dem ich selbst gefühlt wenig steuern konnte. Ich reagierte, versuchte mit der Arbeit hinterherzukommen. Versuchte trotz Kinderpausen und Betreuungsfenstern auch beruflich weiter verlässlich Leistung zu erbringen. Und war abends dann so platt, dass ich nur noch wie gelähmt in meinen Sofakissen versinken konnte und mich von Serien berieseln ließ.
Als ich spürte, dass es mir nicht gut damit ging, bekamen wir fast zeitgleich in Aussicht gestellt, dass die Notbetreuung der Kitas auch für Familien gelten würde, in denen nur ein Elternteil als „systemrelevant“ (oh dieses Wort….) eingestuft wird. Entlastung und Besserung für alle Familienmitglieder war also in Sicht. Zu dieser Zeit gab ich im Büro auch wieder Bescheid, mehr auf meine freien Zeiten achten zu wollen, also nicht mehr immer erreichbar zu sein (was ja dort übrigens auch niemand von mir erwartet hätte. Eher so ein verkorkstes eigenes Perfektionismus Ding, aber das ist ein anderes Thema…).
Ich nahm mir wieder mehr Zeit ohne digitale Geräte um mich herum. Mein Kopf fühlte sich wieder klarer an. In mir wurde es ruhiger. Eine Studie der International School of Management (Hamburg) belegt übrigens tatsächlich, dass bewusste Smartphone-Auszeiten sowohl den Stress als auch das Abhängigkeitspotential reduzieren können. Und: das E-Book erlaube ich mir zwar weiterhin vor dem Einschlafen (hat ja auch kein blaues Licht), aber das Handy hat in meinem Schlafzimmer nichts verloren. Ich hab ja ohnehin zwei zuverlässige kleine Weckerchen, die mich davor bewahren jemals zu verschlafen (leider auch am Wochenende)…
Was mir also gerade in diesen Corona-Zeiten, in denen wir weniger ausgehen und mehr Zeit zuhause verbringen, gut als Ausgleich von der digitalen Dauerberieselung getan hat:
- Bewusst Offline-Zeiten nehmen;
- Bei Ausflügen das Handy zuhause lassen oder zumindest die mobilen Daten deaktivieren;
- Vor dem Zubettgehen, bzw. im Bett wirklich zur Ruhe kommen, blaues Bildschirmlicht meiden;
- So viel es geht raus an die frische Luft, bewegen und Tageslicht tanken…
Habt ihr weitere Tipps? Wie geht es euch in der Situation momentan und seid ihr mehr online als vorher? Schreibt es gerne in den Kommentaren!
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