Nach Monaten der Diskussion um die hartnäckigen Impflücken in der deutschen Bevölkerung hat der Bundestag am 14. November geschlossen einer gesetzlichen Impfpflicht zum Schutz vor den Masern zugestimmt. „Masernschutz ist Kinderschutz“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. Stimmt dem Gesetz nun noch der Bundesrat zu, tritt es am 1. März 2020 in Kraft. Wir haben das Masernschutzgesetz (wie das Gesetz tatsächlich heißt), gefeiert und uns quer durchs Netz gelesen, was Politiker sagen, Medien schreiben, Leser denken. Dabei haben wir selber Kritik einstecken müssen, über die Art des Starts der Diskussion. 

Impfen erhitzt die Gemüter – egal was man sagt, egal wer etwas sagt

Dass sich im Zuge des Beschlusses aus dem Bundestag Kritiker melden – davon war auszugehen. Was wir unter den Instagram-Kommentaren auf den Post, den Jens Spahn in seinem Profil abgegeben hat, gelesen haben, zementiert leider das so unnötige Klischee über Impfgegner: „mit denen lässt sich schwer reden“. Bei all den krassen Beschimpfungen und übelsten Beleidigungen bis hin zu Todeswünschen ist ein offener Dialog nur sehr schwer vorstellbar.

Das ist es aber was wir und ihr euch wünscht. Einen offenen Dialog, einen ruhigen Austausch von Argumenten, einen Ort, an dem Fragen gestellt werden können, Fragen ernstgenommen beantwortet werden und Raum, darüber nachdenken zu können wie man handelt, ohne verurteilt zu werden.

Auf Websites wie impfpflicht-nein-danke.de werden Argumente gegen die Impfpflicht aufgezogen, die diesen neutralen Raum aber leider auch nicht schaffen aufzumachen. Pro und Contra sind total klar verteilt, die Mauern werden hochgezogen, die Fronten gegeneinander weiter genährt. Linda von the urban nature hat uns zu recht daran erinnert, dass wir dabei helfen können, nicht aufeinander zu zeigen, sondern aufeinander zuzugehen. Wenn wir akzeptieren, dass alle Eltern zunächst Mal grundsätzlich die beste Entscheidung für ihr Kind treffen wollen, ist der erste Schritt gemacht. Allerdings ist der zweite Schritt ein großer, denn dann geht es darum, die Argumente des anderen auch wirklich anhören zu wollen und Klischees in den Schubladen stecken zu lassen.

Wir wollten von euch auf Instagram wissen, wie ihr über einen offenen Impf-Dialog miteinander denkt? Ob ihr das Gefühl habt, in dieser ganzen Impfdebatte zu wenig Infos zu haben, um überhaupt qualifiziert mitreden zu können (und daraus abgeleitet, auch eine ‚richtige‘ Entscheidung für eure Kinder treffen zu können)? (einiges Feedback von euch dazu, anonym)

Es geht ersteinmal um den solidarischen Ansatz, dass man mit einer Impfung nicht nur seinem Kind oder sich selbst eine Krankheit erspart, sondern eben auch seinen Mitmenschen. Und ob ihr dazu jetzt ein ‚ironischen‘ Beitrag postet oder nicht ändert ja nichts daran, dass das Gemeinwohl vom Staat gefördert werden muss und das passiert ja nun mit der Impfpflicht endlich einmal.“

Empfinde ich auch so.“

Nein, ich denke, es wird ausreichend beraten und es es gibt online auch ausreichend seriöse Seiten, die darüber informieren. Man muss sie nur lesen wollen.

Welche Beratung? Conspiracy theories kursieren doch die ganze Zeit durch diese Köpfe. Sind doch nur Ausreden. Sie informieren sich doch selbst im Internet auf einschlägigen Seiten und gefährden sich, ihre Kinder und andere. Immer andere ausreden und Schuldzuweisungen. Wird nie aufhören. Und die Ärzte sind sowieso unglaubwürdig, Beratungen werden nicht ernst genommen, wenn sie nicht ernst genommen werden wollen. Und das ist leider das Mindset von Impfgegnern. Man muss klar Stellung beziehen. Pragmatisch. Entweder, oder.

Nein. Nicht bei Masern. Was gibt es da zu überlegen?“

Checke das grade nicht ganz. Aber ich muss auch sagen, dass zu wenig aufgeklärt wird, wenn es um Impfungen geht und sobald man Fragen hat z.B über Inhaltsstoffe oder über sanftes Impfen spricht wird man direkt verurteilt. Es wird nicht darüber gesprochen welchen großen Anteil die Pharmaindustrie hat / wie in so vielen gesundheitlichen Maßnahmen (z.B. Chemo) / und es wird auch nicht gut genug besprochen welche Impfzeiträume es abseits der deutschen Norm gibt oder über Genmanipulation der Inhaltsstoffe gesprochen… Es ist ein breites, extrem sensibles Feld. Wie immer ohne schwarz und weiß ausschließlich. Ich habe mir zum Glück einen  Arzt gesucht der in dem Feld toll ist… da die erste Kinderärztin einfach nichts gesagt hat oder ihre Antwort war ‚man muss das alles selber wissen und herausfinden, sie kann nichts dazu sagen‘.“

Was denkt ihr? Redet ihr noch mit Leuten die anders übers Impfen denken oder habt ihr das aufgegeben?

Bullshit. Beratung gibt es an jeder Ecke, bei jedem Kinderarzt. Impfen ist kein Diskussionsthema. Das man abwägen muss. Das Robert Koch Institut bzw. die Stiko gibt klare Empfehlungen raus. Punkt. Und nicht jede verfügbare Impfung wird empfohlen. Ich verstehe nicht, habe nie verstanden und werde nie verstehen, wie Laien der Meinung sind, ihre Kompetenzen würden das Fachwissen von einem Expertenkonsortium übertrumpfen, weil „ihr Instinkt das sagt“. Das macht mich fuchsteufelswild.“

Klar gibt es die diese Menschen die Klischees bedienen. Die ihre Argumente von fragwürdigen Websites haben und auch ansonsten eher weniger selbst zu denken scheinen. Aber Idioten gibt es halt überall und unabhängig vom Thema. Genau so habe ich erlebt wie in einer Diskussion eine Mutter die pro Impfen ist den anderen gewünscht hat, dass ihr Kind an einer schlimmen Krankheit erkrankt, die durch Impfen zu verhindern gewesen wäre. Extreme auf beiden Seiten. Aber diese Darstellung ist dann ja einfach eine sehr vereinfachte. Viel mehr denke ich, sind sie sich ihrer Entscheidung sehr bewusst und haben sie mit bestem Wissen und Gewissen getroffen. Da dann reinzugrätschen und zu sagen „ihr seid ja alle total doofe Klangschalen Hippies“ ist ja null dienlich für uns alle. Und ich danke für den guten Austausch.“

Ich begrüße die Impfpflicht als Tagesmutter sehr. Ich erlebe leider des Öfteren wie Eltern die Gefahr für Andere einfach egal ist, aber erst sobald sie selber wieder schwanger sind oder es plötzlich doch eine Gefahr für sie selbst oder ihre Kinder besteht, entscheiden sie sich doch für das impfen, obwohl sie vorher so sehr ihre Meinung verteidig haben. Komplett asozial. Wir leben in einer Gesellschaft und wir haben auch eine Verantwortung für andere wenn wir soziale Einrichtungen nutzen, U-Bahn fahren etc. Vielen können sich nicht schützen, kleine Babys. Ich habe diese Fälle wirklich mehrmals leider bei uns in der Betreuung gehabt. Ich hatte sogar eine Ärztin, die mir erklären wollte warum sie ihr Kind nicht impft, aber als ich sagte ‚bei uns werden aufgrund unserer Erfahrung nur geimpfte Kinder genommen‘, sagte sie am Ende, dass wenn sie den Platz bekommt, dann wird sie ihr Kind impfen… immer wieder erlebe ich diese Einstellung, meine Ideale zuerst und der Rest der Welt ist egal, sobald es aber für mich oder meine Kinder heikel ist, dann werden doch die Ideale über Bord geworfen. Dass diese Ideale für meine Mitmenschen gefährlich sind, egal. Danke, dass ihr immer wieder diese Thema ansprecht und ich bin auch dankbar, dass ich mich als Tagesmutter nicht mehr länger mit den Eltern in Gespräche über die böse Pharma-Industrie-Lobby verwickeln lassen muss… anders kann man viele nicht ernst nehmen, weil sie emotional mit dem Thema umgehen und nur nach Bestätigung suchen, aber nicht nach neutralen Informationen.“

Das sagt das Robert-Koch-Institut (RKI)

Eine wichtige Aufgabe des Arztes besteht darin, für einen ausreichenden Impf­schutz der von ihm betreuten Patienten zu sorgen. Bedeutsam ist dabei, die Grundimmunisierung bei Säuglingen und Kleinkindern frühzeitig entspre­chend den STIKO-Empfehlungen und ohne unnötige Verzögerungen zu beginnen sowie zeitgerecht abzuschließen. Nach der Grundimmunisierung stellen regelmäßige Auffrischimpfungen bis zum Lebensende sicher, dass der notwendige Impf­schutz erhalten bleibt und – wenn indiziert – ein Impfschutz gegen weitere impfpräventable Infektionskrankheiten aufgebaut wird. Individuelle Fragen zu Impfungen sollten mit dem verantwortlichen Arzt im Rahmen der gesetzlichen Aufklärungspflicht besprochen werden.

Für Ärzte und Fachpersonal bietet das RKI eine telefonische Beratung zur Auslegung der STIKO-Empfehlungen täglich von Mo-Do an.

Fühlt ihr euch alleingelassen oder fühlt ihr euch sicher in eurer Entscheidung?

Eine gute Quelle sind die Empfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission) und des Robert-Koch-Instituts, kurz RKI. Die Impf-Internetseiten des RKI sind von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf die Liste der zertifizierten Informationen zu diesem Thema aufgenommen worden. Die Internetseiten vom Robert Koch-Institut werden regelmäßig überprüft und werden aktualisiert, sobald neue Informationen über das Impfen vorliegen. Dies ist mindestens einmal jährlich der Fall, wenn nach den Sommerferien in der 34. Kalenderwoche neue Empfehlungen der STIKO veröffentlicht werden. Diese weiterführenden Links geben Auskunft über:

Oh ha, da haben wir bei MUMMY MAG auch übers Impfen geschrieben …

„Die Krankheit durchzumachen
ist besser als eine Impfung“
Bullshit!

Interview mit Anousch Müller, Autorin des Buches Unheilpraktiker

Impfen
Gemeinsam gegen Masern

Interview mit Dr. med. Alexander Rosen, Leiter der Kindernotaufnahme der Charité in Berlin und Vater von zwei kleinen Kindern

Die Bilder stammen von Instagram. Das Poster-Bild stammt vom Robert-Koch-Institut.