Mobilität? Jupp, nicht unbedingt das ’sexy‘ Thema für einen Lifestyleblog. Allerdings verändert die Geburt von Kindern nicht nur das gewohnte Leben von Eltern. Durch das Elternwerden und den neuen Alltag mit den Kindern gewinnen Eltern häufig auch ein neues Verständnis von “gesunder Umwelt”, entwickeln Interesse an Umweltschutz und wie unsere Gesellschaft sicherstellen kann, dass diese Welt länger als die eigene Generation überlebt. Mobilität ist dabei ein entscheidender und vor allem beeinflussbarer Faktor.

Mobilität ist sexy

Im übertragenen Sinne definiert sie, wie wir uns bewegen. Sie bewegt unsere Kinder und zeigt ihnen, wie gut unsere Nerven sind, wie toll wir manchmal fluchen können, wie wichtig Umsichtigkeit und Rücksichtnahme auf andere ist, dass ein Moment der Unkonzentriertheit gefährlich sein kann und überhaupt, im Verkehr müssen alle Sinne wach sein.

In unserer ersten Mummy Mag Mobilitätswoche beschäftigen wir uns sieben Tage lang mit Themen rund um die “Fortbewegung”. Dabei soll nie der Zeigefinger geschwungen werden, sondern vielmehr stellen wir auf den Prüfstand, wie leicht oder schwer es ist, auf gewohnte oder bequeme Fortbewegungsmittel zu verzichten und dafür auch mal andere Wege zu gehen.

Fange ich bei mir selber an, muss ich gestehen, bevor ich Mutter wurde, war ich glühende Anhängerin des ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehrs). In Berlin schien mir das immer leicht mit all seinen Bussen und Bahnen und der Ur-Berliner Weisheit „Egal wo du hin willst, du brauchst immer 30 Minuten“. Mit der Geburt meines ersten Kindes war dann schlagartig alles anders. Haustür-zu-Haustür kam für mich nur noch mit dem Auto infrage, weswegen ich mir eigens dafür das erste Mal in meinem Leben ein Auto anschaffte. Ich fühlte mich im ÖPNV gehandicaped, Fahrstühle und Rolltreppen gab es nicht an jedem Bahnhof oder wenn, funktionierten sie häufig nicht. In Bussen hatten maximal 3 Kinderwagen Platz und zu oft musste ich auf den nächsten oder übernächsten Bus warten, weil ich schlicht nicht mehr hinein passte. Wege, die ich zu Fuss machen konnte, lief ich. Trage und Kinderwagen immer dabei, damit ich auf jede Transport-Laune meiner Kinder vorbereitet war.

Saskia ist schon lange Vorbild

Saskia ist mir schon lange einen Schritt voraus, sie legt einfach so gut wie jeden Weg mit dem Fahrrad zurück. Es gibt kaum Tage an denen sie das nicht tut und ihr Mann macht das sogar bei richtigem Mistwetter genauso. Ihre drei Jungs sind so groß, die können auch immer besser selber mitfahren und außerdem lieben und brauchen sie ihre Bewegung. So wird bei Saskia das Auto ausschließlich zu großen Besorgungen benutzt oder wenn alle 4/5 Familienmitglieder das Auto brauchen. Bei weiteren Ausflügen werden die Fahrräder oder Roller oder Skateboards auch einfach mal mit eingepackt. Saskia ist es bei uns im Team auch die, die immer über neue Gesetze oder über Bestrebungen des ADFC (Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club) Bescheid weiß. Sie war es auch, die uns alle davon überzeugt hat, wie wichtig das Berliner Mobilitätsgesetz ist und erklärt euch in unserer Mobilitätswoche auch noch warum.

Fahrrad fahren ist Sanfte Mobilität

Das Fahrrad ist, seitdem die Kleinsten in den Fahrradsitz passen und die größeren selber Fahrrad fahren können, mitunter unser liebstes Fortbewegungsmittel. Mit ihm fahren wir zur Arbeit, zur Kita, zum Einkauf. Früher durfte man in Berlin auf seine ÖPNV-Monatskarte (Umweltmarke) noch ein Fahrrad gratis mitnehmen, heute braucht das Fahrrad selber einen Fahrschein, sonst fährt es ’schwarz‘. Wenn wir uns etwas bei der Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Regine Günther wünschen dürften, dann wäre es die freie Mitnahme von Fahrrädern im ÖPNV.

Ja, wir wissen, die Fahrzeuge sind jetzt schon zu Stoßzeiten mehr als voll und jeder Fahrgast mehr, der mit seinem Fahrrad auch noch in den Zug steigt, bereitet den Verkehrsplanern Bauchschmerzen. Andererseits glauben wir, wären die Kosten für Fahrscheine weniger hoch, würden vielleicht wesentlich mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren, wenn sie wüssten, sie könnten bei Atemnot oder Mistwetter galant in die Öffis damit springen. Der ÖPNV könnte so etwas durchatmen und das Mobilitätsgesetz hätte so noch mehr Befürworter. Nur wer auch selber mal die Perspektive wechselt, anstelle mit dem Auto, die gleiche Strecke zu Fuß mit Öffis oder mit dem Fahrrad zurücklegt, der kann nützliche Impulse für Verbesserungen beisteuern.

Lasst uns „Wünsch dir was“ spielen

Alles kann, nichts muss – ABER bitte sicher(er)! Das wäre ein toller Ansatz für Städte, denn uns ist klar, in ländlicheren Regionen, wo Wohnort, Arbeitsstelle, Kinderbetreuung und Nachmittagsbeschäftigung der Kids in alle 4 verschiedenen Himmelsrichtungen verstreut liegen, ist das Hauptfortbewegungsmittel eben das Auto. Und wo E-Tankstellen noch nicht flächendeckend verbreitet sind, geht das Argument mit E-Autos auch noch nicht auf. Wenn es in Ballungszentren aber bereits die infrastrukturellen Voraussetzungen aus einem guten Mischverkehr gibt, dann nehmen Menschen dieses Angebot auch gerne in Anspruch.

Dieses Fazit deckt sich auch mit den Ergebnissen aus dem Kurzreport Mobilität in Deutschland*, mit Erhebungen rund um das Verkehrsaufkommen, der Struktur und Trends in Deutschland. (Ausgabe Februar 2019)

Darin heißt es auch, gleich zu Beginn im Ergebnistelegram:

  • Das Verkehrsaufkommen ist insgesamt nahezu stabil, aber regional sehr unterschiedlich.
  • Bundesweit gesehen haben sich Verkehrsaufkommen und Verkehrsleistung gegenüber den letzten MiD-Erhebungen 2002 und 2008 nur wenig verändert, aber diese Gesamtentwicklung täuscht über regionale Unterschiede hinweg. Insbesondere in den Großstädten steigen beide Werte nicht zuletzt durch den dortigen Bevölkerungszuwachs teilweise erheblich – mit entsprechenden verkehrlichen Belastungen in den Ballungsräumen einer- und Vorteilen für den öffentlichen Verkehr andererseits.
  • Eine Betrachtung der zurückgelegten Personenkilometer, zeigt ein deutliches Plus für das Fahrrad wie für den öffentlichen Verkehr. Die Fahrleistungen der Pkw-Fahrer steigen in kleinerem Ausmaß. Die Werte für die Pkw-Mitfahrer gehen etwas zurück.
  • Junge Erwachsene in den größeren Städten sind weniger Auto-orientiert als ihre Altersgenossen in den vergangenen Jahren. Dies drückt sich auch in rückläufigen Führerscheinbesitzquoten aus. In den höheren Altersgruppen sieht es anders aus. So unterscheidet sich die Alltagsmobilität der 30- bis 60-Jährigen nur wenig von der dieser Altersgruppe in den MiD-Erhebungen 2002 und 2008.
  • Das Mobilitätsniveau von Kindern und Jugendlichen verändert sich. Sie sind seltener unterwegs als die gleichen Altersgruppen 2002 und 2008. Dies unterscheidet sich jedoch nach Haushaltssituation und ökonomischen Status.
  • Carsharing-Organisationen finden in den Großstädten ihre Mitglieder. Dort verfügt schon mehr als jeder zehnte Haushalt über mindestens eine Mitgliedschaft. Die tatsächliche Inanspruchnahme kann dabei aber nicht mithalten. Vier von zehn Carsharern greifen fast nie auf dieses Angebot zurück.

„Dort, wo ein gutes Radverkehrsangebot besteht, wird dies von den Bürgerinnen und Bürgern auch in Anspruch genommen. Ähnliches gilt für die Angebote von Bus und Bahn und sogar für die Situation im Fußverkehr. Aktive Bemühungen um Verbesserungen zeigen also Wirkung.“

Abb.: Übersicht zu Autobesitz, Besitz von Fahrrad nach Status und Region, übliche Fahrkartenartennutzung im ÖPNV, aus dem Mobilitätsbericht für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Regine Günther und ihr Mobilitätsgesetz

Aus all der gefühlten Wahrnehmung und den erhobenen Fakten lässt sich ablesen: eine Verkehrswende ist in Ansätzen erkennbar, aber bei weitem noch nicht vollzogen. Die erwartete Gesamtdynamik geht nur sehr langsam voran, deswegen braucht es zum Verkehrsglück vielleicht doch mehr Druck von außen. Die Dieselverbote für die Metropol-Städte machen es zwingend nötig, über alternative Konzepte nachzudenken. Sie könnten auch besagte Daumenschrauben sein, um Konzepte wie das Mobilitätsgesetz schneller in der Umsetzung voranzutreiben.

Im Rahmen eines Interviews** mit der Welt vom 13. März 2019, antwortete Verkehrssenatorin Regine Günther auf die Frage hin, ob die Maßnahmen aus dem Mobilitätsgesetz, zur „vernetzten Mobilität, bei der dem Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr der Vorrang gegeben wird“ nicht viel zu wenig und langsam umgesetz werden:

„Wir haben auch schon viel geschafft – und wir drehen, um im Bild zu bleiben, an einem sehr großen Rad: Wir haben begonnen, Berlins Infrastruktur sukzessive so umzubauen, dass die schwächsten Verkehrsteilnehmer, Fußgänger und Radfahrer, besser gesichert sind – mit breiteren Geh- und ersten geschützten Radwegen, mit Radschnellwegen, mit Tausenden von Radstellplätzen. Das öffentliche Fahrradverleihsystem Nextbike ist mit immer mehr Stationen auf der Straße.

In diesem Jahr werden die ersten Elektrobusse geliefert – bis 2030 soll die komplette Flotte auf Elektro umgestellt sein. Wir investieren in nie gekanntem Ausmaß in den öffentlichen Nahverkehr. Unsere Vision ist es, dass im Jahr 2030 die Menschen aus aller Welt zu uns kommen, um sich anzuschauen, wie gut wir in Berlin das Mobilitätsthema gelöst haben. Wir haben den Anspruch, für Vernetzung, für Dekarbonisierung und für neue Mobilität in eine Vorreiterrolle zu kommen.“

Wenn das stimmt, haben wir es gut. Allerdings erst in knapp 10 Jahren. Das ist eine lange Zeit und so tun wir gut daran, nicht auf alle anderen zu warten, sondern unsere eigene Mobilitätswende Tag für Tag zu leben.

Wie? Das zeigen wir euch diese Woche.

 

Quelle:
* Kurzreport ‚Mobilität in Deutschland‘ vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
** „Stadtraum ist zu wertvoll, um ihn für Autos zu reservieren“ v

Unser Aufmacher-Bild stammt von dem Fotoshooting für unser MUMMY MAG PAPER #6 und zeigt die Familie von Maria Ueberschaer mit einem Lastenfahrrad in Berlin.

Unsere erste MUMMY MAG MOBILITÄTSWOCHE beschäftigt sich sieben Tage lang mit dem Thema “Fortbewegung”.

Wir lassen euch ganz nah heran an unsere mobile Seiten, an unser Verständnis von Verkehrserziehung und an nützliche, lebensrettende Accessoires die ihr für den Verkehrs-Dschungel kennen solltet. Ist euch eigentlich bewusst, wie sehr Kinder die Mobilität ihrer Eltern beeinflussen, sobald sie auf der Welt sind? Uns schon, deswegen stellen wir uns eine Woche lang den neuen Herausforderungen im Straßenverkehr.

–> ZU ALLEN BEITRÄGEN