Für die aktuelle Ausgabe 8 des MUMMY MAG Paper war ich gemeinsam mit Oskar und Fotografin Malina Ebert im SOS-Kinderdorf Berlin in Moabit. Das war nicht nur intensiv, sondern hat auch viele Erinnerungen in mir wachgerüttelt. Denn das Haus mit der modernen Glasfassade ist nicht nur Anlaufstation, wenn man Unterstützung braucht, sondern auch Treffpunkt für die Nachbarschaft in Moabit, also meinem Kiez in Berlin.

 

 

Als Helene klein war (sie ist natürlich immer noch klein, aber so in den ersten zwei Lebensjahren), habe ich den einen oder anderen Tag dort verbracht. Meine Mütter-Truppe und ich trafen uns dort zum Austausch, während die Minis miteinander rumkugelten. Wir haben andere Mütter kennengelernt und hatten einfach mal einen Tapetenwechsel. Viele Mütter haben Pekip-Kurse und Co. dort besucht, was ich bei Helene bewußt und bei Oskar aus Orga-Gründen tatsächlich alles ausgelassen habe. Worauf ich aber hinaus will: Ich kannte das SOS-Kinderdorf in Moabit schon recht gut und wusste es schon vor meinem Besuch im Oktober zu schätzen. Warum ich den Laden seitdem noch mehr schätze? Dazu muss ich ein bisschen ausholen…

Die aktuelle Ausgabe des MUMMY MAG Papers steht unter dem großen Thema „Patchwork“. Es geht um den Wandel in unserer Gesellschaft, darum, dass das klassische Familienmodell „Vater-Mutter-Kind“ schon längst nicht der das einzige Modell ist, welches heute dominiert. Immer mehr andere Familienkonstellationen prägen unseren Alltag. Natürlich kann man Diskussionen darüber führen, wie man das jetzt findet und sinnieren, wie unsere Kinder später damit umgehen werden. Ich für meinen Teil finde diese Entwicklung vor allem spannend, wobei es natürlich in unserer Verantwortung liegt, wie das Wort Familie in zwanzig oder dreißig Jahren definiert wird. Natürlich wünscht man sich erst einmal, mit dem Partner, den man von ganzem Herzen liebt, eine Familie zu gründen und gemeinsam alt zu werden. Keiner träumt wirklich davon, alleine ein Kind bzw. Kinder groß zu ziehen, alle Verantwortung und finanzielle Herausforderungen alleine zu tragen. Und wenn man schwanger ist, stellt man sich sicherlich auch nicht vor, dass man eventuell ein paar Jahre später in einer komplett neuen, zusammengewürfelten Familienkonstellation lebt. Aber das Leben ist nun mal so wie es ist und hat so einige Höhen und Tiefen für uns parat, die wir meistern müssen.

Knapp 40 % der Alleinerziehenden in Deutschland leben von HARTZ IV, gleichzeitig leben Alleinerziehende fünfmal häufiger in Armut als Paarhaushalte.

Heutzutage bedeutet das, dass mittlerweile fast jede fünfte Familie alleinerziehend ist, in Zahlen bedeutet das etwa 2.300.000 Kinder bei Alleinerziehenden leben. In Deutschland gibt es also rund 1,5 Millionen Alleinerziehende, das entspricht 18% aller Familien. Und jedes 10. Kind wächst zeitweilig in einer Patchwork-Familie auf, im Schnitt sieben Jahre lang. Knapp 40 % der Alleinerziehenden in Deutschland leben von HARTZ IV, gleichzeitig leben Alleinerziehende fünfmal häufiger in Armut als Paarhaushalte. Wie die liebe Dani in ihrem Artikel geschrieben hatte, macht der Staat zwar mehr für Familien, jedoch haben Kinder deren Familien von HARTZ IV leben nicht wirklich viel davon: Das Kindergeld wird vom Bedarf abgezogen, ebenso der Steuerfreibetrag, der Unterhaltsvorschuss, Kinderzuschlag und Wohngeld. In einem reichen Land wie Deutschland leben heutzutage also 15,1 % der Kinder in relativer Armut und fast 5 % (!!!) der Kinder unter 15 Jahren leben in Familien, die nicht genug zu essen haben. All das sind Zahlen, die mir erst mit der aktuellen Ausgabe des MUMMY MAG Paper so richtig Magenschmerzen bereitet haben. All das sind Zahlen, die ein Armutszeugnis für das Land sind, in dem wir doch eigentlich so gut leben. Zumindest solange wir nicht alleinerziehend sind, uns der Unterhalt nicht gezahlt wird und man nur in Teilzeit (oder gar nicht) arbeiten kann, weil es keine ausreichende Betreuung für die Kinder gibt.
Im SOS-Kinderdorf waren wir mit einer Mutter verabredet. Nursel K. ist 48 und hat zwei Pflegekinder, die sie großzieht. Sie selbst war immer alleinerziehend und hat in den vergangenen zwölf Jahren all diese Herausforderungen, von denen ich oben geschrieben habe, alleine gemeistert. Ohne das SOS-Kinderdorf hätte sie das wohl nicht geschafft. Es wurde zu ihrem zweiten Zuhause. Dort hat sie all die Unterstützung bekommen, die sie so dringend gebraucht hat. Von kostenfreier Kinderbetreuung und Kursen, sowie der Möglichkeit andere Mütter zu treffen und sich auszutauschen – auch individuelle Erziehungs- und Familienberatung oder Pädagogen als Ansprechpartner stehen einem jederzeit zur Seite. Nursel und viele andere haben in schwierigen Zeiten dort eine zweite Familie gefunden, die sie auffängt und sie unterstützt. Und genau das ist es, was ich dort auch kennengelernt habe: Im Prinzip ein kleines Bild von der Gesellschaft, die ich mir eigentlich wünsche. Eine Gesellschaft, in der man Verantwortung auch füreinander übernimmt, in der man sich gegenseitig unterstützt und in der vor allem denjenigen geholfen wird, die vielleicht nicht ganz so privilegiert sind, wie wir es sind.
Mich selbst hat es wieder darin bestärkt, dass ich auch mit Oskar dorthin gehen werde, andere Mütter treffen möchte und diese auch unterstützen möchte. Und wenn es nur mal ein Nachmittag ist, an dem ich mit drei Kindern mehr als sonst spiele, damit die Mama mal ohne Stress und Kinder im Schlepptau zum Arzt gehen oder Einkaufen kann. Denn wir Mamas sollten uns auf jeden Fall gegenseitig unterstützen – egal ob wir alleinerziehend, in einer Partnerschaft oder sonst was sind. Am Ende geht es um unsere Kinder und darum, ihnen Vorbild zu sein sowie eine Zukunft aufzubauen, in der sie später gut leben und vielleicht (hoffentlich) auch selbst Kinder bekommen möchten und können. So, let’s make it together!
Übrigens, HIER könnt ihr auch direkt etwas spenden. Besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit nehmen wir da doch gerne etwas in die Hand, oder? Und alle, die eine Selbstständig sind oder eine Firma haben – tut zum Jahresende doch gemeinsam mit uns noch etwas Gutes!

Über SOS-Kinderdorf: 

Auch 60 Jahre nach der Eröffnung des ersten Kinderdorfs bilden die SOS-Kinderdörfer den Kern der Arbeit bei SOS: Dort wachsen Kinder, deren leibliche Eltern sich aus verschiedenen Gründen nicht um sie kümmern können, in einem familiären Umfeld auf. Aber auch in zahlreichen anderen Einrichtungen betreut und fördert SOS-Kinderdorf heutzutage Kinder, Jugendliche und Familien. Darüber hinaus ist SOS-Kinderdorf in über 130 Ländern der Welt aktiv.

Das Angebot des SOS-Kinderdorfs
Berlin in Moabit:

Angeboten werden diverse Kurse für alle Eltern, Alleinerziehende, aber auch Kinder jeden Alters. Die angebotenen Kurse sind teils kostenfrei, teils kostengünstig, oft gegen eine Spende oder eine monatliche Kursgebühr von max. 15 Euro zu besuchen. Das aktuelle Programm mit detaillierten Informationen findet ihr HIER. Dort kann man sich auch direkt anmelden.

Dieser Artikel ist in freundlicher Zusammenarbeit mit dem SOS Kinderdorf entstanden.

Fotos: Malina Ebert