
Vor einiger Zeit veröffentlichte Camilla ein Bild auf Instagram „from her point of view“ vom Sofa aus, auf dem sie saß, ein Buch las und die ungewohnte Stille in der Wohnung genoss. Weil Mann und Kinder ausgeflogen waren. Mummy time out! Yeah! Und während ich eigentlich gerne sowas wie „I feel you“ kommentiert hätte, fiel mir auf, dass ich es eigentlich gar nicht mehr feele. Ich habe es verlernt, dieses auf dem Sofa sitzen und ein Buch lesen.
Stattdessen bin ich gefühlt 24/7 auf Sendung. Unter der Woche und an den Wochenenden, an denen mein Sohn nicht bei seinem Vater ist, bin ich nämlich genau in dieser Eigenschaft unterwegs, empfangen/senden, immer. Jede Frage geht an mich, jedes Bedürfnis, jeder Wunsch wird in meine Richtung geäußert, jede kleine oder auch große Entscheidung wird von mir getroffen. Sehr oft genieße ich die Zweisamkeit mit meinem Kind und wir sind durch die Jahre die wir nun schon so, zu zweit, miteinander verbringen ein sehr eingespieltes Team und sehr eng miteinander verbunden. Aber irgendwo zwischen damals und heute, ist mir anscheinend die Fähigkeit abhandengekommen nicht immer mit einem Ohr auf der Lauer zu liegen. Oder schon die nächsten 3-5-8 Dinge im Kopf vor zu sortieren, durch zu denken, oder mir Gedanken über irgendwas zu machen. Das ist dann wohl dieses „Mental Load“.
Vergangenes Jahr im Januar war dann einfach auch der letzte Rest Energie verbraucht und ich wagte mich an ein Mummy Time Out 2.0: verreisen, ganz allein, nach Malta. Eine Woche. Also quasi die Königsdisziplin des Mummy Time Outs.
Noch am Flughafen überkam mich die Panik, dass ich eine riesengroße Scheißidee gehabt haben könnte. Was, wenn ich mich total unwohl fühle? Das Hotel eine Grotte ist? Ich irgendwo verloren gehe? Alles was einem halt so an völlig unsinnigen Szenarien durch den Kopf gehen kann.
Natürlich ist nichts davon passiert. Ich hatte eine wunderbare Woche nur für mich, bei schönstem Wetter in einem wirklich hübschen Hotel. Ich habe viel geschlafen, ein 400-Seiten-Buch ausgelesen, war wandern, hab Museen besucht und habe vor allem die Ruhe genossen.
Und damit meine ich wirklich die RUHE. Denn das was mich in der Zweisamkeit mit meinem Kind immer wieder zum Wahnsinn treibt, ist meine eigenen Stimme, die ich irgendwann nicht mehr hören kann.
Ganz besonders dann nicht, wenn es eben einer DIESER Tage war.

An dem ich wohl möglich viel zu wenig geschlafen habe, mit dem falschen Bein aufgestanden bin, Stress bei der Arbeit hatte, zu spät zum Abholen in die Kita kam und dann zum krönenden Abschluss im Briefkasten auch nur noch irgendeine Scheiße mit Geld war, was natürlich genau dann immer nicht da ist. An diesen Tagen ist der Klang meiner eigenen Stimme, wenn ich meinem Sohn was auch immer sage oder beantworte für mich oft schlecht zu ertragen.
Ich wünsche mir dann, das liefe so wie früher bei uns zu Hause. Meine Eltern hatten dieses „frag deine Mutter/frag deinen Vater“ Spiel wirklich perfektioniert und das keineswegs zu unserem Nachteil. Einfach auch mal auszuweichen oder weiter zu verweisen, wenn eben gerade keine Antwort- oder Entscheidungsressourcen zur Verfügung standen, hat uns Kinder bestimmt von der ein oder anderen „Stimmungsschwankung“ verschont.

Nun sollte an dieser Stelle eigentlich ein Bericht über ein weiteres Mummy Time Out 2.0 kommen, dass ich mir gönnen wollte. Weil jetzt, fast ein Jahr später, eben wieder dieser Punkt erreicht ist, an dem ich das Gefühl habe, mal eine Runde aussetzten zu müssen. Mal kurz Luft holen zu müssen.
Und da das mit dem Buch auf dem Sofa ja nicht klappt, bin ich nach Athen geflogen. Eine Stadt die ich schon lange auf meiner Reisezielliste hatte, ein perfektes Langes-Wochenende-im-Winter Ziel. Ich liebe Griechenland und konnte mir keinen besseren Ort vorstellen, um mal ein bisschen runter zu kommen. Die Sonne genießen, schön essen, Kaffee trinken, Museen besuchen, lesen, fotografieren. Hach!
Soweit der Plan. Die Realität sah anders aus. Ich habe es diesmal einfach nicht geschafft abzuschalten. Zu voll der Kopf, zu voll die To-Do-Liste, zu groß der Druck in den Tagen nach meiner Heimreise wichtiges abliefern zu müssen.
In Gedanken war ich so wenig im Hier und Jetzt, dass ich diese wirklich spannenden und schönen Stadt und alles, was ich an diesen Auszeiten eigentlich so genieße gar nicht wirklich wahr genommen habe. Ich war sogar SO wenig im Hier und Jetzt, dass mir am Ende noch etwas sehr wichtiges und leider auch sehr kostspieliges einfach irgendwo in einem Park in Athen abhandengekommen ist. Ich war im Kopf schon wieder ein paar Stunden weiter, zu Hause in Berlin. Aufgefallen ist es mir erst auf dem Weg zu Flughafen, ganz plötzlich, wie ein Einbruch in die Realität. Und dabei bin ich eigentlich wirklich gar kein schusseliger Mensch.
First of all die (nicht ganz neue) Erkenntnis, dass Stress natürlich im Kopf beginnt. Und dass es essenziell wichtig ist, auch im Alltag immer und immer wieder darauf zu achten, dass es kleine „Fluchten“ und Auszeiten gibt, in denen die eigenen Bedürfnisse an erster Stelle stehen dürfen.
Gott sei Dank ließ sich das, wieder zu Hause angekommen, problemlos regeln und mitgenommen habe ich (neben der erneuten Bestätigung des Klischees, dass es sich bei Touristen, die bei 10 Grad und Wind kurze Hose und Flip Flops tragen fast immer um Engländer handelt) natürlich doch einiges. First of all die (nicht ganz neue) Erkenntnis, dass Stress natürlich im Kopf beginnt. Und dass es essenziell wichtig ist, auch im Alltag immer und immer wieder darauf zu achten, dass es kleine „Fluchten“ und Auszeiten gibt, in denen die eigenen Bedürfnisse an erster Stelle stehen dürfen. Was auch bedeutet, sich nicht permanent mit Erwartungen zu überfrachten und sei‘s nur die, jetzt bitte unbedingt abschalten zu müssen. Klappt halt auch nicht immer.
Das ich wieder einmal nach Athen fliegen werde, steht trotzdem außer Frage. Denn wenn ich mir meine Fotos ansehen, ist „ein bisschen gestresst in Athen“ zweifelsfrei eine gute Alternative zu „ein bisschen sehr gestresst in Berlin“. Für den Moment versuche ich es dann aber doch erstmal wieder mit der Couch und dem Buch. Oder einem Kinobesuch mit einer Freundin. Da darf ich ja auch schweigen.
Und bis dahin genieße ich wieder die Zeit mit meinem Sohn. Denn allein für unser beider Wiedersehensfreude hat sich das alles mehr als gelohnt. <3
Unsere neuen Autoren im Interview:
Sabine
Judith
Mit unserer neuen Redakteurin Judith Möhlenhof haben wir nicht nur endlich auch die schöne Stadt Hamburg im Team (auch wenn unsere Berliner Wurzeln die gleichen sind), sondern auch eine sehr gefühlvolle und wortstarke Frau, die keine Scheu hat, auch über die schwierigen Momente im Mama-Dasein zu sprechen. HIER geht’s zu ihrem Interview.
Julia
Miriam
Miriam Bahr ist geborene Berlinerin. Die studierte Kommunikationswirtin hat sich vor etwas über 6 Jahren selbständig gemacht. Fast so lange ist sie auch schon Mutter vom kleinen Vorschulkind Jonathan, von dessen Vater sie sich trennte als er noch sehr klein war. Über Tücken und Glück in ihrem Alltag erzählt sie bei uns. HIER geht’s zu ihrem Interview.