
Zwar war ich in diesem Jahr nicht länger als ein paar Tage am Meer, aber es gibt Urlaubserinnerungen, die bleiben hängen. Die salzige Luft, das Möwenkreischen, das Gefühl von nassem, schwerem Sand unter den Füßen. Das kalte, klare Wasser, das Rauschen der Wellen, älter als die Menschheitsgeschichte. Ich finde, ein Aufenthalt am Meer ist unglaublich heilsam und Kraft spendend.
Urlaubserinnerung: ein abgerissenes Stück Plastik?
Es bleiben aber auch weniger schöne Erinnerungen. Mir ist es passiert, dass ich nach ein paar Schwimmzügen ein abgerissenes Stück Plastiktüte zwischen den Fingern hatte. Dass ich beim Muschelsammeln alten Kunststoffmüll entdecken musste. So geht es nicht nur mir, denn es schwimmt unglaublich viel Plastik im Meer herum: Schätzungsweise 86 Millionen Tonnen (Quelle: Heinrich Böll Stiftung)… Sogar in der Tiefsee und – wie kürzlich berichtet wurde – in der Arktis wurden Plastikpartikel gefunden.

Dabei gibt es Plastik noch gar nicht einmal so lange. Erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts startete der Siegeszug von Kunststoff. Schaut euch doch einmal um, ein Alltag ohne Plastik scheint kaum mehr denkbar. Ein Alltag ohne Berge von Verpackungsmüll wohl auch nicht.
Kaum zu glauben, dass es noch vor nicht allzu langer Zeit einen ganz anderen, wertschätzenden Umgang mit unseren Ressourcen gab.
Stattdessen ist das Wegwerfen Normalität geworden. Eine Folge davon: überall, selbst in den entlegensten Orten der Welt ist Müll zu finden.

Wie kommt Plastik ins Meer?
Aber wir kommt der Kunststoff denn in die Arktis? Es geht schnell: Wir waschen unsere Kleidung in der Maschine, Kunstfasern lösen sich ab und gelangen in den Wasserkreislauf. Oder aber Mikroplastik in Kosmetika und Co. Nicht zu vergessen der sichtbare Müll:
„Ein To-go-Becher ist im Schnitt 15 Minuten im Gebrauch. Die verwendete Plastikbeschichtung benötigt aber Jahrzehnte bis Jahrhunderte, um sich in immer kleinere Teile zu zersetzen. Übrig bleiben Kleinstpartikel von weniger als fünf Millimetern. Dieses Mikroplastik verteilt sich überallhin.“
Heinrich-Böll-Stiftung / PLASTIKATLAS

Über Flüsse gelangen kleinste Teile ins Meer, verteilen sich auf dem ganzem Globus, gelangen in die Nahrungskette von Tier – und Mensch.
Tatsächlich stammt der Großteil des Plastiks im Meer aus Flüssen – mit großem Abstand führt hier der chinesische Fluss Jangtse. Jährlich trägt er geschätzte 333.000 Tonnen Kunststoff ins Meer (Quelle: https://www.nature.com/). An zweiter Stelle rangiert der indische Ganges mit etwa 115.000 Tonnen Plastik pro Jahr. Zwar sind europäische Flüsse weit weniger belastet. Allerdings haben die Industriestaaten über lange Zeit hinweg Kunststoffmüll nach Asien exportiert. Bis 2018 exportierte Deutschland gut 10 Prozent des eigenen Plastikmülls nach China. (Quelle: https://www.spiegel.de) Seit China im vergangenen Jahr den Importstopp erlassen hatte, verschifft Deutschland primär in andere asiatische Länder oder verbrennt mehr von dem schwer zu recycelnden Material.
Auch die Schifffahrt sorgt für verdreckte Meere, nicht nur wegen der Chemikalien im Schiffsanstrich, Einbringen von Abwasser oder Schadstoffen aus Abgasen oder Ölverunreinigungen, sondern auch wegen Müll, der über Bord geht. Zwar sind laut Umwelt Bundesamt etwa 80 Prozent der im Meer befindlichen Abfälle vom Land aus ins Meer gelangt, aber vor allem die Nordseeküste wird durch die dortige „Schiffsautobahn“ belastet. Bis zu 70.000 Kubikmeter pro Jahr gelangen auf diese Weise ins Meer und belasten die empfindliche Wattenmeerküste (Quelle: https://www.nabu.de/). Die Müllentsorgung „über Bord“ ist zwar eigentlich durch das MARPOL-Übereinkommen für den Umweltschutz in der Seeschifffahrt verboten, allerdings sind die Kontrollen so lax, dass das Übereinkommen in der Praxis nicht greift.
Müll ist ein Wohlstandsproblem
Deutschland ist in Punkto Verpackungsmüll übrigens auf einem schlechten ersten Platz: „Nirgendwo in der EU mehr Verpackungsmüll an als in Deutschland.“ (Quelle: https://www.spiegel.de) Auch die Heinrich-Böll-Stiftung zeigt im großartig aufbereiteten Plastikatlas auf:
„Deutschland steht auf Platz eins der größten europäischen Plastikproduzenten und -verarbeiter. Europa ist der zweitgrößte Plastikproduzent der Welt nach China. Hinzu kommt, dass Deutschland einen großen Teil des Plastikmülls nicht selbst recycelt, sondern in Drittländer exportiert, meist nach Asien. Dort wird der Müll häufig verbrannt oder er landet, wenn nicht auf Deponien, im Meer“
Heinrich-Böll-Stiftung / PLASTIKATLAS
Wir können im Alltag bewusster mit dem Thema umgehen lernen. Ich selbst habe noch vor wenigen Monaten regelmäßig meinen To-go-Becher in der Hand gehabt, bis ich mir endlich einen eigenen Wiederverwendbaren angeschafft habe. Und auch ich kaufe (noch) häufig verpackte Ware. Es geht auch anders, aber es ist im ersten Schritt eine Umgewöhnung, klar. Judith hatte mal ein paar Tipps gesammelt, wie der Einkauf beispielsweise auch mit weniger Plastik klappt. (Schaut mal hier: https://mummy-mag.de/plastikfreier-einkaufen/)
Ich finde, wir stehen hier in der Verantwortung. Wie so oft ist aber auch in dem Fall für mich klar: ohne systematische politische Veränderung werden wir diese Plastikseuche nicht in den Griff kriegen. Ich bin da ja oft sehr pessimistisch, habe aber die Hoffnung, dass von politischer Seite tatsächlich etwas passiert. Anlass zur Hoffnung geben zum Beispiel das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“, bei dem 2019 Verschärfungen beschlossen wurden: „Vom Jahr 2021 an müssen bei der Ausfuhr gefährlicher oder verunreinigter Kunststoffabfälle sowohl das Export als auch das Importland zustimmen. Das erschwert die Entsorgung in Länder mit geringeren Umweltstandards.“
Auch die Europäische Kommission hat die Muskeln spielen lassen und mit der im Januar 2018 vorgelegten Kunststoffstrategie zum Beispiel das Ziel gesetzt, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 zu 100 Prozent recycelbar sein müssen. Ein Verbot von verschiedenen Einwegplastikartikeln wie etwa Plastikstrohhalmen und Einwegbesteck sowie weitere Maßnahmen wie eine RezyklatQuote von 25 Prozent in PETFlaschen ab 2025 haben Rat, Parlament und Kommission im Dezember 2018 auf den Weg gebracht.
Warum schreibe ich das?
Wenn ich so etwas für euch aufschreibe, will ich euch nicht belehren und ich hoffe, ihr fasst meine Beiträge auch nicht so auf. Aber ich will euch informieren – denn wie tiefgreifend die Plastikkrise bereits ist, war mir lange selbst nicht so klar. Benutze ich deshalb nur noch Stofftaschentücher oder verbanne ich alle Kunststoffspielzeuge aus dem Haus? Natürlich nicht. Es geht aber auch nicht darum, dass wir alle perfekte Menschen mit einem reinen Öko Gewissen werden müssen. Sondern darum, uns weiter zu entwickeln, uns zu hinterfragen und einen Beitrag zum großen Ganzen zu leisten.
Mehr Infos erhaltet ihr im Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung (sehr sehr lesenswert!) oder bei https://www.breakfreefromplastic.org/ . Weitere Möglichkeiten sich zu informieren und engagieren gibt es bei https://www.oceancare.org/de/ oder bei http://plasticontrol.de/
Auch hier bei Mummy Mag haben wir schon einiges zum Thema gemacht:

Wie kann ein Einkauf mit weniger oder ganz ohne Plastik klappen? Ist gar nicht mal so schwer, fand Judith heraus.

Mikroplastik? Kommt in mehr Zeugs vor, als ihr denkt…
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