Es gibt einen von wenigen Hashtags, den ich gerne benutze: #iammyownvintage. Was ich damit sagen will? – Ich bin mein eigener Fundus. Denn ich trage (verwahre und pflege) meine Kleidung sehr, sehr viele Jahre lang. Mit fast 41 sind das bei Einzelteilen 28/29 Jahre. Und ich habe immer noch Freude an ihnen. Dazwischen gibt es natürlich eine große Bandbreite an Kleiderjahrgängen und vielleicht habe ich wirklich aus jedem noch ein Teil im Schrank. So haargenau zuordnen kann ich das manchmal nicht mehr. Bei anderen weiß ich es dann wieder ganz genau. Denn sie haben eine Geschichte, an der man sich zusätzlich zum Kleidungsstück auch immer wieder erfreuen kann. Ob das die erste Levis Jeans (1991 -> aktuelles Foto unten) war, das Kleidchen, dass dir dein (ok, schon fünfter) Freund im ersten gemeinsamen Urlaub (1998 -> Foto oben von 2019) gekauft hat oder das Ringelshirt, mit dem deine Schwester und du parallel den Übergang vom Kind-zum-Erwachsenwerden begleitet haben (1990).
Damit verkörpere ich zumindest in diesem Punkt wohl so ziemlich das Gegenteil vom Marie-Kondo-Hype. Ich rate auch Kunden, denen ich in Sachen Styling und neuen Kombinationen an ihrem Kleiderschrank beistehe, eher selten dazu, Dinge auszurangieren. Viel mehr sollten wir mit Freude vermeintliche Schrankleichen wiederbeleben und neu kombinieren. Mein persönliches Credo lautet da so ein bisschen: >>Je tiefer und länger es im Schrank vergraben war, desto neuer fühlt es sich beim tragen wieder an.<< Der Überraschungeffekt, ihr wisst schon.
Clutch vor 20 Jahren Second Hand gekauft.
Levis Jeans 1991 gekauft.
Immer schon wichtig ist mir die Qualität von Textilien. Qualität muss nicht vorrangig teuer sein, sondern ich sehe sie in erster Linie in den Materialien (der Verarbeitung natürlich on top). Ich kaufe seit jeher lieber und eigentlich fast ausschließlich natürliche Materialien und vermeide die klassischen Plastikstoffe. Durch meine jahrelange Stylingtätigkeit weiß ich aber, dass das in großen Onlineshops manchmal ein Spießrutenlauf ist. Denn 60 % unserer Kleidung enthält Polyester, weil sie dadurch billig und einfach zu produzieren ist. Nur deswegen ist der rasante Anstieg von Fast Fashion überhaupt möglich geworden. Und ein anderer fetter Minuspunkt – sie eignet sich vorrangig nicht für den Wiederverkauf!
Das Geschäft mit Second Hand Kleidung steht laut Greenpeace derzeit deswegen vor dem Kollaps. Unter dem Titel “Konsumkollaps durch Fast Fashion” hat Greenpeace einen Bericht herausgebracht, der zeigt, dass sich allein seit den Nullerjahren der Kleidungskonsum verdoppelt hat, die Menschen aber diese Kleidung nur noch halb so lange tragen. Die Trends von heute sind der Müll von morgen, so Greenpeace. Vorrangiges Problem sind dabei Polyesterstoffe, die aus Erdöl hergestellt werden und fast dreimal soviel CO2 Emissionen verursachen wie z.B. Baumwolle. Zudem lösen sich durch das Waschen Mikrofasern und landen in unseren Gewässern. Durch ihre mangelnde Qualität eignen sie sich außerdem nicht zum Wiederverkauf und lassen einen riesigen Müllberg entstehen, von dem niemand weiß, wohin.
Nur rund ein Viertel der gesammelten Altkleider wird recycelt. Und leider werden auch daraus nicht Fasern zur Herstellung neuer Kleider gemacht, sondern die geshredderten Reste werden als Putz- und Füllmaterial wieder verwendet und erhalten dadurch nur eine kurze Lebenszeitverlängerung. Eine Umwandlung in brauchbare Garne oder Stoffe findet leider so gut wie gar nicht statt, was verschiedene Gründe hat. Zum einen muss die Faser erstmal identifiziert werden, was nicht immer einfach ist, und auch dann machen die vielen Fasermixe es schwierig, die Stoffe brauchbar zu trennen. Das Recycling von synthetischen Stoffen ist noch deutlich begrenzter. Insgesamt sind diese Verfahren viel aufwendiger und teurer für die Hersteller, als neue Stoffe zu verwenden und kommen so für viele Produzenten nicht in Frage.

Länger Tragen spart Ressourcen und schont die Umwelt

aus "Konsumkollaps durch Fast Fashion", Greenpeace

Was brauchen wir also? Ein Umdenken. Beim Verbraucher, aber auch bei den Herstellern. Wichtig ist vor allem, dass die Kleidung eine höhere Qualität hat, um so in einen langen Lebenszyklus einzugehen und diesen auch zu überstehen. Und die Modelabels müssen insgesamt weniger produzieren.
Wir müssen sinnvoll konsumieren, auf die Qualität und vor allem die Materialien achten (sieht im Übrigen auch viel besser aus), uns durch immer neue Stylings den Spaß auch an älteren Stücken erhalten und dadurch mehr und mehr auf Neuware verzichten. Wer Einzelteile aber eben trotzdem mal wirklich satt hat oder was “Neues” braucht, sollte überlegen, ob er auch auf Second-Hand-Börsen, Flohmärkten oder in den (wie ich finde noch zu) wenigen Vintage-Onlineshops fündig wird, die es gibt. Und andersrum natürlich Ausrangiertes weitergeben, sprich nicht in die Altkleidersammlung oder gar Tonne stecken, sondern verkaufen, tauschen, verschenken.

Flohmarkt, Second-Hand-Börsen, Vintage-Shops, Swaps

– Wege zu neuer alter Kleider

Fakt ist, es ist schwieriger Second-Hand als First-Hand zu shoppen! Aber ich denke, die hier aufgezeigten Vorteile sind klar und hinzu kommt: Vintage-Funde machen unsere Garderobe um einiges individueller, liegen noch dazu im Trend und machen es vor allem möglich, dass wir uns auch mal ein Desigernteil leisten können, das ansonsten nicht in unserem Budget liegen würde. Hier ein paar Möglichkeiten, an der Vintage-Front durchzustarten. Vielleicht finden sich ja einige von euch auch schon am kommenden Sonntag auf dem nächstgelegenen Flohmarkt wieder?
Flohmarkt. Die einen hassen ihn, die anderen lieben ihn. Klar ist aber, wenn ihr den richtigen für euch gefunden habt, könnt ihr dort Schätze finden. Und vielleicht auch irgendwann mal verkaufen? Flohmärkte in eurer Nähe findet ihr im Internet. Magazine oder Labels machen hin- und wieder Second-Hand-Bazare, die zwar kleiner sind, aber dafür oft umso kuratierter.
Onlineshops. Haha, ja das ist so ein Sache. Denn es gibt sie natürlich. Leider sind die großen Player hier ganz schön teuer, haben dafür aber eben dann vielleicht auch das was wir suchen und garantieren die Echtheit der Designerwaren. Genannt werden müssen hier folgende: – Vestiaire Collective: vestiairecollective.com – Rebelle: rebelle.com – Catchys: Catchys.de – House of Lizia bietet online Vintagemode über Farfetch an: Farfetch.com – Deutschlands größter Second-Hand-Shop: ubup.de Kleiner z.B.: – The Leoniestore: theleoniestore.com – Out of Use Berlin: outofuseberlin.com
Second-Hand-Börsen. Ebay und Ebay Kleinanzeigen sind hier die Großen mit super Suchfunktionen. Kleider– und Mamikreisel sind ebenfalls sehr reich bestückt. Hier kann man auch selbst gut verkaufen und oft wollen die anderen Nutzer sogar am liebsten tauschen!
Vintage-Shops. Gibt es in jeder Stadt. Es gibt ganz kleine, feine und größere Bekannte. Humana ist die größte stationäre Kette und sicherlich weniger kuratiert als der Vintage-Shop im Kiez. Im Internet kann man leicht mit Ortssuche seinen nächsten finden. Größere kuratierte: – Berlin: z.B. Picknweight Kilo Store: Alte Schönhauser Str. 30, 10119 Berlin, – Berlin mehr Vintage: Gunvor, Steinstrasse 4, 10119 Berlin – Hamburg: Luxussachen Eppendorfer Weg 256, 20251 Hamburg – München: Vintage Love, Frauenstraße 22, 80469 München – Köln: Schnieders, Beneisenstr. 54, 50672 Köln – Beim nächsten Londonbesuch: House of Lizia, 9 Pearson Street, E28JD Lonon UK
Swaps. Tauschbörsen sind eine lustige und kommunikative Angelegenheit und sehr sinnvoll, wenn sie funktionieren. Laut meinen Umfragen, enden sie manchmal im Kaufen und Verschenken statt Tauschen, aber es ist eben noch schwieriger für jeden Second-Hand-Topf einen Deckel zu finden als nur ein kleines Portemonaie. Professionell haben sich dem jetzt Janine Dudenhöffer und Maren Assmus angenommen und plannen ihren ersten Berliner Swap am 26.10.2019. Falls euch in eurem Umfeld grad kein Swap begegnet, veranstaltet doch einach selbst mal einen. Kann ja auch eine Swap-Party mit den besten Freundinnen werden!
Mein ganz persönlicher Tipp: Sich einen guten Schneider seines Vertrauens suchen. Damit werden vermeintlich nicht richtig sitzende oder mal verschlissene Teile wieder schön & passend gemacht. Das ist Gold wert in unseren Zeiten, denn so haben wir wieder neue Freude an alten Teilen, die vielleicht dann sogar ENDLICH mal richtig passen! PS: Der Schneider macht auch Mamas oder Omas ausrangierte Garderobe fit für deine Maße…
Die von mir genannten Fakten zum Thema Modeindustrie sowie die Grafik, sind aus dem oben genannten Bericht „Konsumkollaps durch Fast Fashion“ von Greenpeace.

Demnächst folgt Part II des Artikels in dem ich Fachleute aus dem Bereich zu Vintage und der Zukunft der Modeindustrie zu Wort kommen lassen möchte.