
Corona – eine Krise die alle betrifft
Die Zahl der Infizierten in Deutschland steigt von Tag zu Tag stark, und die Empfehlungen, Warnungen und Verordnungen wurden im Laufe weniger Wochen immer drastischer. War es zunächst nur die häusliche Quarantäne einiger weniger betroffener Menschen, so kamen die Absagen von immer mehr Großveranstaltungen, Messen, Konzerten und Sportereignissen irgendwie nicht unerwartet. Da im Bereich der Unterhaltungsindustrie viel Geld verdient wird, sind die Verluste entsprechend hoch, aber in der Abwägung zur Gesundheit der Bürger durchaus vertretbar.

Hamsterkäufe
Die mediale Aufmerksamkeit liegt seit Wochen auf dem Unwort Hamsterkäufen von Nudeln, Konserven und Klopapier. Völlig außer Acht gelassen wird dabei jedoch die Tatsache, dass ein bestimmter Teil der Bevölkerung, sich eine Bevorratung gar nicht leisten kann. Beschäftigte im Niedriglohnsektor, viele Rentner und Harz-IV-Empfänger können sich einen vorsorglichen Einkauf von 200 bis 400 Euro extra nicht erlauben.
Zudem haben die Hamsterkäufe zu einem Rückgang der Lebensmittelspenden für die Tafel-Vereine geführt. Menschen, die auf deren Unterstützung angewiesen sind, haben schlicht Pech gehabt, denn es gibt keinen Anspruch auf Lebensmittelspenden. Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut, und sollte es durch Grenzschließungen o. ä. noch zu Versorgungsengpässen kommen, dann wird es diese Kinder und ihre Familien besonders hart treffen.
Kinder mit Unterstützungsbedarf
In den letzten Jahren ist die Zahl der Kinder mit psychischen oder sozial-emotionalen Störungen stetig gestiegen. Was ihnen im Alltag hilft, sind individuelle Förderung, verlässliche Strukturen und Bezugspartner. Was sie überhaupt nicht gebrauchen können, sind solche unerwarteten Krisen und Ereignisse, wie Schließungen und Absagen allerorten. Es sind ja nicht nur die Kitas und Schulen geschlossen, sondern auch die Sportvereine, Schwimmbäder, Büchereien, Kinos, usw. Was macht man mit dem ADHS-Kind in den nächsten Wochen zuhause? Wie strukturiert man den Tag mit einem Asperger-Autisten? Wer fördert das Sprachheil-Kind in den eigenen vier Wänden? Vor solchen Fragen stehen nun viele Eltern, denn sie sind auf sich allein gestellt, wenn das professionelle Unterstützungssystem runtergefahren wird.Eine Krise bezeichnet im Allgemeinen einen Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung in einem natürlichen oder sozialen System, dem eine massive und problematische Funktionsstörung über einen gewissen Zeitraum vorausging und die eher kürzer als länger andauert. Die mit dem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation bietet in der Regel sowohl die Chance zur Lösung der Konflikte als auch die Möglichkeit zu deren Verschärfung. Nimmt die Entwicklung einen dauerhaft negativen Verlauf, so spricht man von einer Katastrophe.
(Quelle: Wikipedia)
Schließung von Kitas und Schulen
Zu Beginn der Woche stellt nun auch die Schließung von Schulen und Kitas viele Menschen vor echte Probleme. Damit meine ich nicht die Sorge, sein Kind 24/7 bei Laune halten zu müssen, sondern ich spreche von den Eltern (überwiegend von Müttern), für die der Verlust ihres Einkommens existenziell ist. Gerade alleine Erziehenden fehlt oft ein Krisen-Netzwerk und sie reiben sich zwischen Job, Kindern und Haushalt sowieso schon auf. Wie soll die fragile Balance ohne Kita, Schule und Hort funktionieren? Stunden zu reduzieren oder unbezahlten Urlaub zu nehmen, sind keine Option, wenn das einzige Einkommen die Miete zahlt. Und Home Office ist in vielen Branchen, beispielsweise im Handel-/Dienstleistungssektor oder im Gesundheitswesen, gar nicht möglich.
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Kindeswohlgefährdung
Eltern, für die institutionelle Kinderbetreuung eine kurze Verschnaufpause von ihrem belasteten Alltag bedeutet, werden schnell an ihre Grenzen kommen, wenn ihre Kinder plötzlich die ganze Zeit zuhause sind. Eine Hauptursache für Vernachlässigung oder Misshandlung von Kindern liegt in der Überforderung von Eltern.
Bei reduzierten Sozialkontakten fehlt zudem das gesellschaftliche Korrektiv – sei es ein hilfreiches Unterstützungsangebot oder eine notwendige Ermahnung. Wird es zu einem weiteren Anstieg der Kindeswohlgefährungen kommen? Wer wird sich darum kümmern, wenn das Land in Quarantäne oder im Ausnahmezustand ist?
Hausarrest für alle
Auch alle anderen Eltern, die sich um die Versorgung und Beschäftigung ihrer Kinder angemessen kümmern und ihnen emotional, kognitiv und materiell etwas bieten können, werden an ihre Grenzen kommen, wenn sich das Leben über mehrere Wochen überwiegend daheim abspielt. Die Großeltern kann man auch nicht einspannen, weil man sie dem Risiko einer Ansteckung nicht auszusetzen will.
Nach spätestens drei Tagen bricht doch überall der Lagerkoller aus. Nicht jeder hat die Natur vor der Haustür, um die Kinder einfach zu „lüften“ und ihren Bewegungsdrang zu bändigen. Nicht jeder wohnt in einem großen Haus mit Garten. Playstation, Tablet und Netflix sind auch keine Dauerlösung.

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Unser Gesundheitssystem in Zeiten von Corona
Ebenfalls besorgniserregend ist die medizinische Versorgung, auf die viele Menschen angewiesen sind. Schon vor der Corona-Pandemie stand das überlastete Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps. Personal und Medikamente fehlen, geplante Operationen werden verschoben, Ärzte und Pfleger arbeiten bis zum Umfallen. Aus Italien gibt es Berichte, dass längst nicht mehr alle an COVID-19 Erkrankten angemessen behandelt werden können. Wie sieht das wohl bald in anderen Teilen Europas aus? Die vielen getroffenen Maßnahmen sollen die Ausbreitung des Virus verlangsamen, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht, sondern die Patienten mit stationärem Versorgungsbedarf auch behandelt werden können. Hoffentlich wird uns nicht zum Verhängnis, dass die Berufsgruppen der sogenannten kritischen Infrastruktur in den letzten Jahren und vernachlässigt wurden und jetzt nicht genügend Personal zur Verfügung steht.Die Corona-Krise als Chance
Ich mache mir viele Sorgen im Moment und kann meinen Kopf kaum abschalten. Ich habe Angst vor den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der Pandemie. Aber ich bin auch zuversichtlich und wünsche mir, dass wir alle neben unserer persönlichen Betroffenheit in der Corona-Krise den Blick auf die Menschen nicht verlieren, die in existenzielle Not geraten. Wir brauchen jetzt und in Zukunft kreative Ideen, unkonventionelle Lösungen, Solidarität und Zusammenhalt – natürlich mit 2 m Abstand.
Nutzen wir diese Krise als Chance. Überprüfen wir unsere Prioritäten und Reflektieren wir unser globalisiertes Leben. Was ist wirklich wichtig? Achten wir auf uns und unsere Mitmenschen! Lasst uns alle dazu beitragen, dass aus der Corona-Krise keine Katastrophe wird.
„Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen.“
Angela Merkel, Bundeskanzlerin am 13.3.2020
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