Mein wunderbares Kind ist vor einigen Tagen sechs Jahre alt geworden. Und natürlich wächst mit zunehmendem Alter auch die Wahrnehmung für die AUSSERORDENTLICHE Wichtigkeit dieses Ereignisses. Schon Tage vorher war die Vorfreude und Aufregung riesig! Die Geburtstagsparty! Nun muss man wissen, ich veranstalte nicht nur von Berufs wegen sehr gerne Feierei, sondern liebe es auch Geburtstagspartys für meinen Sohn zu schmeißen, die den „normalen“ Rahmen ein wenig sprengen. Wir laden halt einfach alle ein. Und „alle“ bedeutet neben sämtlichen Freunden mit Familie natürlich auch die gesamte eigene Familie: seinen Vater mit seiner Frau und den Kindern, alle vier Großeltern, Onkel, Tanten, wer auch immer Zeit & Lust hat. Dieses Jahr waren wir 40 Leute.
Mittlerweile haben sich eigentlich alle Freunde & Bekannte an diese Konstellation gewöhnt. Aber immer wieder, wenn neue Freunde dazu kommen, gibt es erstaunte Kommentare dazu, wie es augenscheinlich so problemlos möglich ist, dass getrenntlebende Eltern einen solchen Nachmittag in familiärer Vollbesetzung gemeinsam verbringen. Was für mich also als völliger Normalzustand gilt, scheint für viele immer noch die Ausnahme zu sein. Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass wir – gesellschaftlich gesehen – da auch wirklich schon mal weiter waren. Denn entgegen aller Versuche der Inklusion sämtlicher Familienmodelle rechts und links von „klassisch“, scheint es für mein Empfinden aktuell mal wieder keine denkbar größere Katastrophe zu geben, als in einer familiären Situation zu leben, die sich außerhalb der klassischen Zwei-Eltern-Familien-Norm bewegt. Die spontane Reaktion ist zumindest ganz oft erstmal Mitleid.
Und das geht schon viel früher los, das Katastrophale, das Bemitleidenswerte. Entscheiden sich zwei Menschen, ihre partnerschaftliche Beziehung zu beenden und sich auf eine neue Art des Miteinanders zu verständigen, erfahren sie dabei in der Regel wenig konstruktive Hilfe.

Da ist dann die Rede von Familien, die „Auseinandergerissen“ werden, Beziehungen die „gescheitert“ sind und von „Kriegen“, die Eltern um die Kinder führen. Und das Sorgerecht! Und das Aufenthaltsbestimmungsrecht! UND DAS GELD!

Generell wird also erstmal unterstellt, dass es hässlich ist. Eine Niederlage. Und dass die Kinder leiden. Ganz ehrlich, ich kann absolut nichts Hässliches oder Gescheitertes daran finden, wenn sich zwei Menschen, die sich über viele Jahre begleitet, etwas aufgebaut und gemeinsam Kinder in die Welt gesetzt haben, entscheiden ihre Beziehung zu verändern. Man entscheidet sich ja nicht nur 1x im Leben für den einen Partner, sondern über die Jahre immer wieder.

Wenn nun also die Entscheidung irgendwann nicht mehr für die Partnerschaft, sondern nur noch für die Elternschaft fällt, ist das im Zweifelsfall nicht mal egoistisch, sondern eher sehr vernünftig. Kinder haben nämlich, auch wenn sie noch echt klein sind, ein SEHR ausgeprägtes Gespür für den Vibe der Beziehung ihrer Eltern. Und merken definitiv, meistens schon früher als uns Erwachsenen lieb ist, wenn der nicht (mehr) stimmt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich möchte hier kein Plädoyer für „Gefällt mir nicht mehr, dann lassen wir`s halt“ halten. Weiß Gott nicht. Es ist immer bedauerlich, wenn Eltern eine Entscheidung treffen (müssen), die das Leben eines Kindes so nachhaltig verändert, aber deswegen muss sie nicht falsch sein. Und schon gar nicht das Ende der Welt bedeuten.

Auch bei uns war das natürlich nicht immer alles so entspannt wie es jetzt ist. Auch wir mussten uns das wirklich erarbeiten. Aber für mich war das immer alternativlos. Ich war und bin fest in meinem Willen ein Miteinander zu leben, dass meinem Sohn ermöglicht sich innerhalb seiner Familie frei bewegen zu können, ohne das Gefühl zu haben, dass er irgendwelche (Eltern)Gefühle verletzt, die – so sie denn da sind – ihren Ursprung eigentlich IMMER in der Beziehungsdynamik der Eltern haben.

Dabei gibt es so viel Hilfe, die man in Anspruch nehmen kann! Nach wie vor scheint es für viele Menschen wie die letzte Instanz sich an eine Beratungsstelle zu wenden oder einen Mediator aufzusuchen, der helfen kann, die Fäden aufzunehmen und Gespräche in die richtige Richtung zu lenken. Das es aber wichtig und sinnvoll ist, sich ggfs. Hilfe zu holen BEVOR auch der letzte Rest Geschirr geworfen ist – womit wir wieder bei den starken, hässlichen Bildern sind – scheint sich häufig erstmal nicht zu erschließen. Uns jedenfalls hat es sehr geholfen eben diese Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Es ist ja auch nicht immer einfach den Weg, den Übergang zu finden, weg von der partnerschaftlichen Beziehung, hin zu der elterlichen, gemeinschaftlich verantwortlichen Beziehung. Es ist anstrengend. Erfordert es doch, auch sich selbst zu hinterfragen, manchmal auch dort wo`s weh tut. Bei sich zu bleiben und die eigenen Animositäten außen vor zu lassen. Und sich nicht von einer gesellschaftlichen Vorstellung in die Knie zwingen zu lassen, die gefühlt nur ganz oder gar nicht impliziert. Und es erfordert vor allem auch wirklich Geduld und Vertrauen in sich selbst. Und immer auch ein bisschen den Glauben daran, dass am Ende alles gut werden wird. Fast immer tut es das nämlich.  Auch wenn Patchwork fortwährend „Arbeit“ bleibt. Eine Patchworkfamilie ist wie ein großes Mobile. Verändert einer sein Gewicht, hat das Auswirkungen auf alle anderen. Dann muss man ein neues Gleichgewicht finden.

Mich jedenfalls hat all das schon bis Hierher getragen. Bis Hierher, wo wir alle zusammen den 6. Geburtstag unseres Kindes feiern, einen wirklich schönen und entspannten Nachmittag gemeinsam verbringen können und die (tolle!) Frau des Vadders den Kindern eine Piñata bastelt, die ich auch für viel Geld nicht hätte kaufen können. Geschweige denn basteln können. Wie gut das ich beides nicht muß! 😊  

Mich macht das stolz. Und unser Kind glücklich.

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Hallo, ich bin Miriam und ich bin alleinerziehend. Nicht, dass ich mich jemals irgendwo so vorgestellt hätte. Aber ich werde seit etwas über 4 Jahren in schöner Regelmäßigkeit beim ersten Elternabend nach dem Sommer bei den neuen Eltern im Kinderladen so „geoutet“: Miriam, unsere Alleinerziehende. HIER geht’s zum Artikel.
Befragt man die Suchmaschine des Vertrauens zum Thema „Reisen für Alleinerziehende“, bekommt man das erst mal in der Autovervollständigung gar nicht angeboten. Diese bietet mir Reisen für Alle/ Singles/ Schwangere/ Menschen mit Behinderung/ Alleinreisende und diverse andere Personengruppen mit besonderen Wünschen und Bedürfnissen an. Ich allerdings, ich muss es ausschreiben: „Reisen für Alleinerziehende“, bitte. HIER geht’s zum Artikel.