Wir haben Glück. Alle unsere drei Söhne gehen an eine gute staatliche Grundschule mit einer sehr engagierten tollen Schulleiterin, die ich sehr schätze. Wir freuen uns für unsere Kinder. Ich selber habe in meiner Schullaufbahn starke Unterschiede was unser Schul- und Bildungssystem und vor allem die Lehrtechnik betrifft kennengelernt. Meine Oberschulzeit begann in der 7. Klasse auf einem sehr konservativen Gymnasium, auf dem sehr viel Druck herrschte. Ich persönlich, bin damit gefühlt nicht so gut zurecht gekommen. Doch durch meine Fremdsprachenfolge musste ich dort verharren – vier Jahre lang. Dann konnte ich endlich wechseln. Und das passierte nicht auf Grund meiner Leistungen, denn die waren gut. Die neue Oberschule war völlig anders in ihren Lehrformen, aber vor allem in der Zugewandtheit uns Jugendlichen gegenüber. Plötzlich spielte nicht mehr nur die Leistung eine Rolle, sondern viel mehr das was wir zu einzelnen Themen dachten. Ich kann wirklich sagen, dass diese an der einzelnen Persönlichkeit orientierte Lehrweise, mich (nach einer bis zu diesem Zeitpunkt schwierigen Pubertät) im wahrsten Sinne aufblühen lies. Mich erst so richtig glücklich machte.
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Ich freue mich deswegen total über das folgende Gespräch mit dem stellvertretenden Schulleiter einer Refomschule. Uli Marienfeld ist zur Zeit an der ESBZ in Berlin tätig. Davor war er 8 Jahre Schulleiter eines Gymnasiums in Düsseldorf und ein Jahr an einer Grundschule in Berlin. Er spricht genau über diese Abwendung vom klassischen Frontalunterrischt und mit Druck angewandten Lehrmethoden hin zu einem refomierten Ansatz, der an den individuellen Potenzialen der Schüler orientiert ist.
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Lieber Herr Marienfeld, was genau ist eine Reformschule?Für mich bedeutet es, dass an dieser Schule das traditionelle Bildungsverständnis hinterfragt und konstruktiv mit einem anderen Entwurf umgesetzt wird, wobei die Persönlichkeit der Kinder/Jugendlichen und ihre Potenziale deutlich stärker in den Mittelpunkt gestellt werden als dies in der Regelschule der Fall ist.Es gibt also keine einheitliche Definition?Nein – es gibt eine bunte Fülle reformpädagogischer Ansätze, die in ihren Ausprägungen sehr unterschiedlich sind. Alle gemeinsam ist das Anliegen prinzipiell vom Kind her zu denken.
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Alle reformpädagogischen Ansätze haben das Anliegen prinzipiell vom Kind her zu denken.
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Was ist das besondere ihrer Schule, der Ev. Schule Berlin Zentrum, einer Gemeinschaftsschule?Wir sind eine Schule, die inklusiv arbeitet, darum bemüht ist, die Stärken und Fähigkeiten der Schüler*innen zu entwickeln. Wir sind davon überzeugt, dass dies in heterogenen Lerngruppen – so wie es auch sonst im Leben üblich ist – gut gelingen kann. Wir haben Unterrichtsformate neu entwickelt und arbeiten kontinuierlich daran uns so zu verändern, dass ein Umfeld entsteht, dass der Unterschiedlichkeit unserer Kinder und Jugendlichen gerecht wird.Wieviel Psychologie steckt im Bildungsverständnis ihrer Schule?Jede am Menschen orientierte Bildung wird Grundkenntnissen positiver Psychologie berücksichtigen. Achtsamer Umgang miteinander, einander Mut machendes Verhalten und die Zuversicht, dass Menschen Herausforderungen bewältigen wollen und können, prägen unser pädagogisches Handeln.
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Wie unterrichtet man Mathematik anhand von gesellschaftlich relevanten Problemstellungen?Das Arbeiten in fächerübergreifenden Projekten und die ständige Bezugnahme auf unterschiedliche Lebensbereiche (Zeiten in Sportwettkämpfen, Geometrie in der Kunst wie Symmetrie und Perspektive, Aussagen auf Werbeplakaten u.v.a.) sind ebenso wesentlich, wie das “Warten können”, dass sich mathematische Fragestellungen aus beobachteten Phänomen und Ereignissen “zufällig ergeben”.Im Schulvergleich, schneiden ihre Schüler mit diesen Lehrtechniken besser ab als die von “klassisch unterrichtenden” Schulen? Und falls ja, warum wird diese Lehrform nicht an mehr Schulen umgesetzt?Schulvergleiche messen in aller Regel nur Durchschnittsnoten. Alles andere, was in Schulen sonst an emotionalen, sozialen, kognitiven und kreativen Kompetenzen erworben wird entzieht sich solchen Vergleichen. Aber wenn man sich tatsächlich auf den Abiturdurchschnitt bezieht, dann lagen wir mit 1,9 im letzten Jahr tatsächlich ganz weit vorne. Lehrformen sind Ausdruck einer Schulkultur und diese erwächst aus Werten, denen ein Menschen- und Weltbild (meist unausgesprochen) zugrunde liegt. Es geht also nicht um “irgendeine andere Methode” sondern tatsächlich um einen Paradigmenwechsel – und das ist bei einem System noch schwieriger als bei Einzelnen.Wie leicht ist es für Schüler in Berlin an ihrer Schule angenommen zu werden? Was muss dafür erfüllt sein/ getan werden?Wir haben leider nur 75 Plätze pro Jahr im Jahrgang 7 und geben den 50 Kindern der mit uns kooperierenden Grundschule die Chance sich zuerst bei uns vorzustellen. Da wir in der Regel auch Geschwisterkinder aufnehmen, bleiben oft nur wenige Plätze. Die einzige Bedingung für die Aufnahme ist, dass sich Kinder und Eltern bewusst für unsere Schule entscheiden und dies im Rahmen eines Aufnahmegesprächs auch überzeugend darstellen können.Was meinen sie was gegen den aktuellen Schul- und Lehrermangel getan werden kann/soll/muss?Es würde viel helfen, wenn die guten Beispiele von gelingender Schule mehr kommuniziert werden und von offiziellen Stellen als mögliches Modell für andere gefördert wird. Außerdem würde es den pädagogischen Elan vieler beflügeln, wenn man Vorgaben minimiert und Freiräume schafft. Zentrale Abschlussprüfungen haben vieles für sich, aber den Weg, wie man sich auf diese erfolgreich vorbereitet – und was man “nebenbei” noch so für sein Leben mitnimmt – da sollten höchstens Leitlinien, aber keine detaillierten Kataloge vorgegeben sein.
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Was ist der Nachteil und was der Vorteil von Noten?Noten reduzieren die erbrachte Leistung auf eine vermeintlich in einer Skala messbaren Größe. Lernfortschritt und unterschiedliche Kompetenzen werden dadurch nicht reflektiert. Als Teil eines breiten Portfolios aus gemachten Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten haben die Noten in einer zentral gestellten Abschlussprüfung (MSA oder Abitur) durchaus eine Bedeutung. Das regelmäßige Benoten jeglicher Leistungen führt jedoch zu unguten Vergleichen und setzt viele Kinder unter einen enormen Leistungsdruck. Hier sind dann die Ergebnisse vergleichbar.Werden an ihrer Schule Noten vergeben?Wir beginnen am Ende der Klasse 9 mit Zeugnissen – auch damit unsere Schüler*innen nach den 10 den MSA bescheinigt bekommen und sie sich an diese Art der Rückmeldung gewöhnen können.Ist Frontalunterricht wie vor 30 Jahren heutzutage noch aktuell?Es gibt bestimmte Inhalte, die von manchen Pädagog*innen auch heute noch gut frontal vermittelt werden, aber in der Regel sind kooperative Lernformen und selbstgesteuertes Lernen in allen Phasen der Schulzeit zu bevorzugen.
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Wie zeitgemäß ist unser Bildungssystem?Es gibt glücklicherweise immer wieder erfrischende Beispiele von Schulen, die lebensbejahend und zukunftsorientiert konzipiert und gestaltet sind – trotz eines Bildungssystems, das schon lange nicht mehr zeitgemäß ist. Unausgesprochen orientiert sich das pädagogische Handeln ebenso wie die Mehrzahl der Schulgebäude an der frühen Industrialisierung. Menschen werden gleichförmig gedacht und vieles erinnert an Produktionsketten in Fabriken. Pink Floyd hat das mit “Another Brick in the Wall” schon vor 40 Jahren sehr treffend formuliert.Also glauben sie, dass das Bildungssystem wie es jetzt an staatlichen Schulen in Deutschland umgesetzt wird überholt werden muss?DRINGEND !
Wir sind schon seit mindestens 30 Jahren überfällig.Was ist das ihrer Meinung nach wichtigste was sich ändern muss?Schulen sollten menschenfreundliche Orte sein, an denen mit Neugier und Leidenschaft die Vielfalt und Schönheit des Lebens entdeckt werden kann.
Kinder und Jugendliche sollen hier einen Raum finden, in dem sie kreativ gestalten können, lernen Herausforderungen zu bestehen und verantwortlich zu leben.
Es kann nicht darum gehen “Stoff zu vermitteln” sondern, einer Kultur der achtsamen Beziehungsorientierung zu entwickeln.
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Alle Bilder hat uns freundlicherweise Uli Marienfeld zur Verfügung gestellt.
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Sie haben ein Jahr ein Berliner Grundschule geleitet? Was halten sie von JÜL und SAPH Klassen?Lernen in altersheterogenen Gruppen ist das natürlichste der Welt. In fast allen Familien mit mehreren Kindern sind diese altersheterogen – seit Generationen, in allen Kulturen!
Die vermeintliche Homogenität von Lerngruppen ist eine der unausgesprochenen Irrtümer unseres Bildungssystems. An der ESBZ unterrichten wir die Kinder der Jahrgänge 7-9 gemeinsam und auch die Jugendlichen der Jahrgänge 10 und 11. Was halten sie von der frühen Einschulung mit 5 Jahren?Für die meisten Kinder kommt die Schule früh genug! Sollte es im Einzelfall der kindlichen Entwicklung gut tun – und eine Schule in der Lage sein heterogene Gruppen zu begleiten, kann dies durchaus möglich sein. Da ich überzeugt bin, dass Menschen sich unterschiedlich entwickeln, gibt es m.E. nicht “das ideale Alter für die Einschulung”.Würden sie ihre Kinder auf eine staatliche Grundschule schicken?Wenn es eine freundliche, ermutigende Schule ist, in der Kinder ermutigt werden sich zu eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln, dann natürlich.Für wen ist diese weniger geeignet?Gute Schulen – egal ob öffentlich oder in freier Trägerschaft – sind für alle Kinder geeignet, schlechte Schulen werden von manchen Kindern überstanden, aber zu wünschen sind sie keinem.Vielen lieben Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Spaß mit den heranwachsenden Persönlichkeiten.
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Schulen sollten menschenfreundliche Orte sein, an denen mit Neugier und Leidenschaft die Vielfalt und Schönheit des Lebens entdeckt werden kann.Kinder und Jugendliche sollen hier einen Raum finden, in dem sie kreativ gestalten können, lernen Herausforderungen zu bestehen und verantwortlich zu leben.
Saskia Hilgenberg hat mit ihren drei kleinen Orgelpfeifen die volle Ladung Jungspower zu Hause und weiß, was es heißt, auch mal an seine Grenzen zu stoßen. Sie trägt es mit Fassung und vor allem viel Liebe, denn die häusliche Sisyphusarbeit hat sowieso kein Ende. Doch auch wenn die Geburten ihrer drei Söhne ihr Leben auf den Kopf gestellt haben, blieb sie ihrer Leidenschaft für Fashion treu und lässt das Familienleben eher anekdotisch in ihren Beiträgen durchblitzen. Die Mitbegründerin des Mummy Mag arbeitet seit vielen Jahren frei als persönliche Stylistin, Fashionberaterin und Redakteurin. Muttersein ist für Saskia von jeher ein positiv besetztes Bild und das möchte sie auch mit dem Mummy Mag transportieren, um den Frauen in Deutschland Mut bei der inzwischen viel zu häufig gestellten Kinderfrage zu machen.