The Day That…Etti was born

Während der Schwangerschaft und Geburt meiner zweiten Tochter Etti erlebte ich persönlich, warum eine ganzheitliche, respektvolle Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung auf Augenhöhe so unfassbar wichtig und wegweisend ist – und welche Auswirkungen es haben kann, wenn Gebärende hier im wahrsten Sinne des Wortes schlecht beraten und nicht gut betreut sind.

„Also, ich glaub’ da nicht dran.“ Mit zusammengekniffenen Augen schaute ich auf den Bildschirm des Ultraschallgerätes. Ich erkannte nicht viel, doch was meine Frauenärztin da im Mai 2023 sah, gefiel ihr nicht. Als ich aus dem Untersuchungszimmer trat, beantwortete ich den fragenden Blick meines Freundes mit einem Kopfschütteln und gab die Worte meiner Frauenärztin wieder: entrundete Fruchthöhle, kein Herzschlag sichtbar, ich solle schon mal Einlagen kaufen, falls über das lange Pfingstwochenende die Schwangerschaft ende. Wir verließen geknickt die Praxis. Die kommenden Tage bis zum nächsten Termin fühlten sich an wie Jahre. Beim Kontrolltermin Ende Mai dann die 180-Grad-Wende: Es habe sich alles super entwickelt, herzlichen Glückwunsch. Im Gegensatz zu mir hatte meine Gynäkologin ihre unüberlegten Worte von vor ein paar Tagen vergessen. In mir hingegen waren sie auf fruchtbaren Boden gefallen und hatten lange Wurzeln geschlagen.

So befand ich mich neun Monate lang in einer ungesunden Schwebe zwischen Selbstvertrauen und Unsicherheit. Durchgehend begleitete mich das diffuse Gefühl, dass diesmal „etwas“ nicht stimmt und sich die rücksichtslose Bemerkung meiner Frauenärztin noch bewahrheiten könnte. Dass meine zweite Schwangerschaft soweit ohne Komplikationen verlief, beruhigte mich da nur wenig. Beim Vorsorgetermin am ET+7 teilte meine Frauenärztin mir dann mit, dass sie meine Schwangerschaft nicht mehr betreuen werde. Wer so weit über Termin ginge, der müsse das selbst verantworten. Zum Abschied gab sie mir noch einen Katalog an Unsicherheiten mit.
Danke für nichts.

Lisa, denk’ dran: Es ist das zweite und letzte Mal!

Ich war sehr nervös, als wir am ET+11 zur Einleitung ins Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe fuhren. Am Abend zuvor hatten mich schon meine Nerven verlassen, was so gar nicht zu mir passt. Aber Schlafmangel, fehlendes Vertrauen in mich und meine Kraft und mein ständig einschlafender Hintern (neben einigen anderen unangenehmen Schwangerschafts-Wehwehchen) forderten langsam ihren Tribut. Es war ein Samstagvormittag, mein Freund setzte mich ab und ich verabschiedete mich mit einer Mischung aus Vorfreude und Respekt. Einleitung also, das habe ich absolut nicht kommen sehen. Doch bevor besagte Einleitung überhaupt richtig begann, wurde auch schon wieder die Stopp-Taste gedrückt: der Kreißsaal war ausgelastet und eine angemessene Betreuung konnte bei einem Geburtsbeginn nicht gewährleistet werden. Enttäuschung kroch in mir hoch. Jede Minute, die ich im Rennen um meine Geburt noch an der Startlinie stand, kam mir vor wie Stunden und nach fast 42 Wochen Schwangerschaft war ich einfach ausgebrannt und meine Moral auf ihrem Tiefpunkt. Enttäuscht legte ich mich abends in meinem Stationszimmer ins Bett und versuchte, diesen Korb nicht persönlich zu nehmen.
Gegen halb vier Uhr morgens wachte ich auf, meine Gedanken rasten, ich konnte nicht mehr einschlafen. Mein Blick wanderte durch das dunkle Zimmer zum Fenster und ich schaute in den düsteren Wald hinter der Scheibe. Fünf Minuten lag ich so da, als plötzlich ein energischer Schmerz vom hinteren oberen Rücken über die Seiten nach vorne in meine Leisten wanderte. Nochmal. Wieder. Well, here we go … Mit der nächsten Wehe rollte ich aus dem Bett, schlüpfte in meine Hausschuhe und verließ das Zimmer. Als ich auf Station Bescheid gab, dass meine Geburt losginge, merkte ich, dass ich nicht bereit war. Ich hatte in so vielen schlaflosen Nächte an diesen Moment gedacht und jetzt fühlte ich mich plötzlich schwach und müde.

Um fünf Uhr rief ich meinen Freund an und als er gegen sechs Uhr eintraf, saß ich bereits in der Badewanne in ebenjenem Kreißsaal, in dem ich im Frühjahr 2021 auch Polly geboren hatte. Ich ließ mir warmes Wasser nach und musste die Wehen schon summend veratmen. Sie waren sehr regelmäßig und sehr stark, als um sieben Uhr die neue Schicht auf Station begann und plötzlich ein bekanntes Gesicht vor uns stand: Franzi, unsere Hebamme bei Pollys Geburt. Im gleichen Kreißsaal zu sein, wie zu meiner ersten positiven Geburtserfahrung, hatte mir bereits viel Kraft gegeben. Nun auch noch von derselben großartigen Hebamme betreut zu werden, glich einem Lottogewinn und gab mir Mut.

Die Geburt schritt sehr schnell voran. Mein Freund tupfte mir fleißig den Schweiß von der Stirn und feuerte mich an. Die Wehen wurden schnell stärker. Trotzdem gelang es mir noch, über das „Lisa, denk’ dran, es ist das zweite und letzte Mal!“ von meinem Freund zu lachen. Umso mehr, da er es absolut ernst meinte. Unsere Hebamme führte uns in einer ausgewogenen Balance aus Anleiten und Alleinlassen durch den Prozess. Die Phasen, in denen wir auf uns allein gestellt waren, machen mich rückblickend sehr stolz. Weil wir in ihnen als richtig krasses Team diese Naturgewalt zähmten und gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiteten. Das hat mir sehr viel Vertrauen gegeben.

Hauptrolle und Logenplatz zugleich im Kreißsaal

Die Presswehen rollten mit so einer Wucht an, dass es mir fast den Atem raubte. Ich brüllte mir zehn Monate Verunsicherung, Angst, Wut, Ungeduld und Schmerzen von der Seele. Doch es bewegte sich nichts. Drei Stunden, zwei Blasenkatheter und etliche Positionen später hielt ich die Schmerzen und den Frust nicht mehr aus. Was war das hier für eine Shitshow? Ich wurde wütend und hatte gleichzeitig große Angst, dass ich auf eine traumatische Geburtserfahrung zusteuerte. Die Schmerzen waren inzwischen fast unerträglich. Ich wollte einfach nur noch, dass es aufhört. Egal, wie. Gemeinsam mit Franzi ging ich den Status der Geburt und meine Optionen durch und wir einigten uns darauf, einen Anästhesisten dazu zu holen, um eine PDA zu besprechen. Tatsächlich stand dieser trotz voll geöffnetem Muttermund nichts im Wege und die Erleichterung überwog meine irrationale Enttäuschung darüber, dass ich nicht auch meine zweite Geburt ohne Interventionen über die Bühne brachte. Seltsam, welche Ansprüche man in den härtesten Momenten an sich selbst stellt, oder? Nach den vielleicht zehn schmerzhaftesten Minuten meines Lebens, in denen mir unter Presswehen die PDA gelegt wurde, kehrte auf einmal Ruhe ein. Es fühlte sich an wie die Windstille nach einem Orkan und ich bekam die so ersehnte Pause. Ich hörte auf zu schwitzen, ich konnte atmen, meine Gedanken sortieren, etwas essen und trinken – und scherzen. Ich glaube ich habe noch nie in meinem Leben so eine Erleichterung verspürt.

Die Wehen waren nurmehr ein dumpfer Druck und fast hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass wir diesem Tiger so sehr die Zähne gezogen hatten. Aber die Erleichterung überwog und ich konnte mental gefestigt und fast schon ausgeruht gemeinsam mit Franzi die weiteren Schritte durchgehen. Da die Geburt nicht voranschritt, riefen wir den Oberarzt hinzu. Der schaute sich das Spektakel kurz an und sagte dann: „Na, das sieht doch alles super aus.“ Was daraufhin folgte, sind die unvergesslichsten 45 Minuten meines Lebens. Ich brachte mit viel Zeit und Gefühl meine Tochter Etti auf die Welt. Während der Oberarzt immer wieder Platz für ihr Köpfchen machte, leitete er mich an und sagte mir, wann ich wie und wohin pressen sollte. Mit der PDA verliert man nämlich leider das Gefühl dafür, wie sehr und wie effektiv man mit den Wehen mitarbeitet. Ich tastete Ettis samtiges Köpfchen noch im Geburtskanal und ermutigte auch meinen Freund dazu, es zu tun. Während dieses ganzen Prozesses war ich im Austausch mit dem Oberarzt und meiner Hebamme, stellte Fragen, erzählte, wie es sich gerade anfühlte und teilte mich mit. Ich spielte die Hauptrolle bei meiner Geburt und saß gleichzeitig mit Popcorn in der ersten Reihe und fieberte der Ankunft von Etti entgegen. Es war wirklich einmalig. Als Ettis Kopf geboren war, konnte ich über meinen noch runden Bauch hinweg immerhin ihre nassen Haare und die Stirn sehen, bevor sie mit einer letzten Wehe dann von Franzi um 14 Uhr entbunden und auf meinen Bauch gelegt wurde. Fast blitzeblank, mit einem beeindruckenden, dunklen Haarschopf und motzigem Blick. Sie schrie uns sofort an. Gutes Kind.

Das Recht auf eine positive Geburtserfahrung

Nach diesem Erlebnis blieben mein Freund und ich noch zwei Stunden gemeinsam mit Etti im Kreißsaal. Ich war unfassbar stolz, müde, beeindruckt und versöhnt mit den vergangenen zehn Stunden, vor denen ich zuvor fast schon Angst gehabt hatte. Meine zweite Geburtserfahrung war so anders, als ich es mir vorgestellt und gewünscht habe, aber sie war genau richtig. Nachdem mich meine Frauenärztin konstant so verunsichert und geschwächt hatte, haben mich vor allem der Betreuung und den Terminen in der Klinik vor, während und nach der Geburt wieder daran erinnert, dass auch ich als Gebärende im Mittelpunkt stehe. Dass auch ich ein Mitspracherecht habe und meine Entscheidungen valide sind und respektiert werden müssen. Dass auch ich zähle. Es wäre ohne diese respektvolle, geduldige Betreuung auf Augenhöhe, die mich so positiv und bestärkt geführt hat, nicht so gut gelaufen. Daher mein abschließender Appell an euch: steht für euch ein. Bestärkt euren Partnerin, für euch einzustehen. Lasst euch nicht verunsichern, wenn ihr eure Wünsche durchsetzen möchtet und besteht auf das, was sich für euch richtig anfühlt. Ihr habt ein Recht auf eine positive Geburtserfahrung!

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