Barbara Waldner
Porträt einer Working Mum aus Südtirol
Tagelang beobachte ich sie, schleiche um sie herum, immer in der Hoffnung, sie abpassen und um ein Interview bitten zu können. Das ist nicht leicht, denn sie hat Hochsaison. Ferragosto, Italiens höchster Feiertag, steht unmittelbar bevor und im Familienhotel Oberwirt, dass sie als Junior-Chefin leitet, herrscht Hochbetrieb. Sie bleibt gelassen, ruhig und freundlich begrüßt sie alle Gäste, hält Smalltalk am Morgen und Abend, kennt viele Leute persönlich. Ist immer “wie aus dem Ei gepellt” im Südtiroler Dirndl-Look. An die 20 Stück hat sie davon im Kleiderschrank und sie stehen ihr ausgezeichnet.
Tag für Tag bringe ich mehr über sie in Erfahrung und Tag für Tag wächst mein Respekt vor ihr. Ab und an sehe ich auch ihre 3 Kinder bei der Rezeption sitzen und artig grüßend, auf sie wartend. Ich frage mich auch täglich mehr: Wie schafft sie das alles?
Nicht nur dass ihre Kinder so brav sind (der Schein kann gut trügen, das wissen alle Eltern), sondern auch diese langen Arbeitstage in einem großen Hotel, mit so vielen Angestellten – ich fasse den Mut und spreche sie an…
Sie lacht natürlich auf meine brennendste Frage und gibt ohne Umschweife zu, das alles nur mit Unterstützung Anderer funktioniert. Ihr Mann leitet eine Firma am Bodensee, dass heißt unter der Woche ist sie auch noch alleine mit den 2 Töchtern Annalena und Emily sowie ihrem Nesthäkchen Johann. Die Kinder frühstücken mit Barbara und gehen dann in die Schule und Kindergarten. Sie geht ins Hotel, das liegt praktischerweise nur über die Straße. Mittags kommt sie wieder heim und in den “kurzen” Wochen bleibt dann Zeit mit den Kindern Sport zu treiben, z.B. Reiten oder Ausflüge zu unternehmen. Abends bringt sie die Kinder ins Bett und geht meist wieder hinüber ins Hotel. Wenn “lange” Wochen anstehen, müssen alle helfen. Die Menschen im Oberwirt verstehen sich als große Familie: Für Fahrdienste muss dann der Hotel-eigene Fahrer ran und Mittag wird im Hotel gegessen. Lange Wochen können schon mal 60 Stunden oder mehr haben und Barbara wechselt sich 14-tägig mit ihrem Vater, dem Senior-Chef Sepp Waldner ab.
Bisher sind die Kinder einverstanden und alles fügt sich. Im Haushalt gibt es trotzdem Hilfe durch eine Kinderfrau. Ein Luxus den sie sich leisten muss, sonst würde das Modell von 2 Selbständigen Elternteilen nicht funktionieren. Und man merkt wie sehr sie das Hotel liebt. Ihr Leben lang hat sie dort verbracht, 500 Jahre ist es alt und seit 1749 ist es in Familienbesitz und es gibt sogar ein Buch zum Hotel. Dafür kommt Barbara weniger zum lesen, Mütter-Magazine oder -Blogs kennt sie keine. Wenn Austausch, dann mit Freundinnen oder ihrer Schwester, die auch schon Kinder hat und nebenan wohnt. Und am Wochenende fährt sie entweder gen Norden nach Baden-Württemberg oder ihr Mann kommt nach Marling – die Familie hat zwei zu Hause.
Wir haben lange geredet, denn ich hatte viele Fragen und viele Ihrer Antworten und Ansichten teilte ich, sodass schließlich die Arbeit über das Ende unseres Gesprächs entschied. Man merkt, wie wohl sie sich in ihrer Rolle oder besser in ihren Rollen fühlt. Und dass sie natürlich den Wunsch verspürt, dass eines ihrer Kinder später ins Hotelunternehmen einsteigt. “Die Große zeigt schon Interesse” sagt sie.
Und auf meine letzte Frage, wie die Kinder sie verändert haben, ließ sie mich ohne lang zu überlegen wissen, dass “wenn man Kinder hat, wird man automatisch ein besserer Mensch, denn Kinder schauen sich alles ab und es ist wichtig ein gutes Vorbild zu sein.”
Stimmt! Danke Barbara.
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