Malin Elmlid im Interview mit Madeleine von Mummy Mag

„Dir muss nicht alles gefallen!“
Malin Elmlid über die Idee “Mein persönlicher Mutterpass” zu schreiben

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Malin Elmlid fordert von Schwangeren sich die “richtigen Fragen” zu stellen und findet, dass die großen Themen rund ums Kinderkriegen auch in Wirtschaftszeitungen gehören. Bei uns schreibt sie im Zuge ihres zweiten Buches „Mein persönlicher Mutterpass“, wie ihr die Idee zu dem Buch kam und warum das Buch auf keinen Fall ein herkömmlicher Schwangeren-Ratgeber ist. Natürlich macht sie auch einen Abstecher in ihre schwedische Heimat und erzählt uns, dass dort manches schon lange etwas anders läuft. Das Buch ist beim Mosaik Verlag erschienen und lohnt sich ehrlich gesagt, auch für nach der Geburt noch, denn was Malin zu sagen hat, ist feinstes „Female Empowerment“!

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„Female Empowerment“ by Malin

Ab dem Zeitpunkt, als mein Bauch zu sehen war, wurde mir schnell klar, dass sich das Interesse meiner Umgebung vor allem auf mein Baby konzentrierte und gar nicht auf alle wichtigen Themen drumherum. Ich suchte nach Literatur zum Thema Schwangerschaft, die meine vielen Fragen thematisierte, aber überall schien es vor allem um das Baby zu gehen. Oft ging es so weit, dass ich mich darauf reduziert fühlte, bloße Trägerin des Babys zu sein. Medizinische Ratgeber gab es in den Regalen reichlich, und da Deutschland bestimmt eines der besten medizinischen Versorgungssysteme für werdende Mütter und Babys hat, könnte man denken, dass es sich auch um alle anderen Themen der Mütter kümmern würde.

Ich beschloss, das Buch zu schreiben, das ich selbst gerne gehabt hätte, als ich schwanger war. Eine Art Schwangerschaftsbuch ganz ohne Babyfokus. Ein Buch ohne Zeigefinger, dafür eines, in dem man Inspiration finden kann und Vertrauen, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Ein ehrliches, unaufgeregtes Buch, ohne Ratschläge, aber mit Erfahrungen und Tipps von Eltern, die ganz unterschiedlich leben. Einfach ein positiver Mutgeber.

Ich stellte auch fest, dass die Mutterrolle oft glorifiziert wurde, online genau so wie offline. Mir gefiel diese Vorstellung nicht, vielleicht weil für mich generell etwas unglaubwürdig wird, wenn es zu perfekt scheint.

Alle diese schönen Bücher und Blogs haben natürlich ihre Berechtigung, und zu überlegen, welcher Kinderwagen der beste ist, bringt natürlich Spaß. Aber die großen Fragen, die ich und mein Mann uns gestellt haben in dieser Zeit, wurden einfach nicht beantwortet – oder gar nicht erst gestellt.

Mich beschäftigten etwa Fragen wie: 

Wo gehört das „Muttersein“ in meine Identität? Wird es eine Hauptrolle spielen, oder einfach eine Nebenrolle neben allen anderen Rollen einnehmen? Wie gehe ich mit den ständigen ungewollten Ratschlägen um? Wie verhalte ich mich Menschen gegenüber, die es für angebracht halten, mir zu erzählen, was sich ab der Zeit mit Kind alles verändern wird? Ich mag ja mein Leben so wie es ist, und was muss sich überhaupt verändern?

Viele Fragen drehten sich um meine Beziehung, mit der ich sehr glücklich war.

Wird sich jetzt etwas in meiner Beziehung ändern? Was sind unsere Erwartungen an die Beziehung, an die Rollenverteilung, an die zukünftige Arbeitsaufteilung, an Geld? Und kennen wir die Erwartungen des anderen? Die große Frage für mich war vor allem: Wie kriegen wir es überhaupt hin, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen mit Kind?!

Um festzustellen, ob ich alleine mit diesen Fragen war, fing ich an, Eltern in der Umgebung zum Thema Elternwerden zu interviewen. Und zu Herausforderungen und Wünschen. Was sie selbst gerne gewusst hätten. Um die Unterschiede zwischen meiner Wahlheimat Deutschland und meinem Herkunftsland Schweden zu verstehen, fing ich auch an schwedische Eltern zu interviewen. Es war spannend, und mir war klar, dass ich nicht alleine war mit diesen Gedanken.

Es gab viele Fragen.

Mein Freund und ich haben viel über unsere eigene Erfahrungen aus unserer Kindheit gesprochen. Wir haben diskutiert, wie unsere eigenen Eltern gelebt haben. Er kommt aus einem eher klassischen Setting in Westdeutschland mit einem Vater als Hauptverdiener, ich komme aus einer schwedischen Familie, wo beide Eltern Vollzeit gearbeitet haben und mein Papa schon 1980 in Elternzeit gegangen ist.

Muss Elternsein Einfluss auf unser Berufsleben haben? Was wird aus meinem Job, den ich ja nicht weniger liebe, nur weil ich jetzt auch ein Kind habe? Und dem von meinem Mann, dem es natürlich nicht anders geht! Und wie gehen wir damit um, wenn der Arbeitgeber meines Mannes einfach davon ausgehen wird, dass ich Elternzeit nehmen werde und mein Mann Maximum zwei Monate in Elternzeit gehen wird, auch wenn er eigentlich der Recht auf sieben Monate hat?

Und ist nicht Elternsein die natürlichste Sache der Welt, für Männer und für Frauen? Warum erwarten so viele ArbeitgeberInnen immer noch, dass Männer mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten sollen? Überstunden unbezahlt, versteht sich. Und um diese Überstunden zu überbrücken, wird es fast notwendig für Frauen in Teilzeit zu gehen, egal ob frau es will oder nicht. Auch in Schweden arbeiten Frauen Teilzeit, aber selten weniger als 80%. Und in vielen jungen schwedischen Familien entscheiden sich beide Eltern eine Zeit lang 80% zu arbeiten.

Und was ist mit meiner verlorenen Rente, wenn ich jetzt doch länger als mein Mann in Elternzeit gehen möchte? Und noch wichtiger, was ist mit meiner Rente, wenn ich in Teilzeit gehe und mein Mann weiterhin Vollzeit (samt der unbezahlten Überstunden, die dazu gehören) arbeitet? Ich möchte nicht zu den erwarteten 75% der Frauen meiner Generation gehören, die eine Rente unter der Hartz IV-Grenze bekommen, nur weil ich verpasst habe, mit meinem Mann diese Themen durchzusprechen bevor unser Kind auf die Welt gekommen ist.

Ja, es gab viele Fragen in der Schwangerschaft.

Aber eigentlich gehen all diese Fragen nicht nur werdende Eltern etwas an – auch wenn sie oft nur in den Familienrubriken der Tageszeitungen besprochen werden. Mir fehlen diese Themen in der gesellschaftspolitischen Diskussion allgemein, denn sie dürften uns alle interessieren. Es ist problematisch, wenn man nicht sieht, dass viele Herausforderungen für Familien in Deutschland heute nicht nur ein Problem für Familien sind, sondern eine Herausforderung für unsere Gesellschaft – und für unsere Wirtschaft.

Wir leben in einer Zeit, in der von uns erwartet wird, dass wir flexibel und mobil sind. Seit ich arbeite, ist mir klar, dass ich nicht immer wählen kann, wo ich lebe – sowohl mein Mann als auch ich sind viel umgezogen wegen unserer Arbeit. Das bedeutet aber auch, dass wir nicht in der Nähe von Großeltern leben und uns auf deren Unterstützung verlassen können, sondern vollkommen auf das angewiesen sind, was uns die Gesellschaft und die Politik zur Verfügung stellen. Als Gegenleistung arbeiten wir beide Vollzeit und zahlen dementsprechend Steuern.

Es fängt ja schon bei der Wochenbettversorgung durch Hebammen an, die oft der absolut beste Start als Familie ist. Die Möglichkeit, dass wir beide Elternzeit nehmen konnten, hat die Beziehung zu unserem Sohn und uns als Team gestärkt. Was aber absolut ausschlaggebend war, um Familie und Beruf überhaupt kombinieren zu können, war, dass wir als arbeitende Eltern eine flexible Kinderbetreuung finden konnten. Dabei sind gut ausgebildete (und gut bezahlte) ErzieherInnen absolut notwendig, damit wir Eltern entspannt arbeiten gehen können und unsere Kinder bestens versorgt sind.

Wenn es sich irgendwo in der Gesellschaft wirklich langfristig lohnt zu investieren, dann ist das doch in Familien, in unsere Kinder und deren Erziehung. Und heutzutage fängt die Erziehung schon in der Krippe an.

Beim Research für mein Buch habe ich festgestellt, dass es einen recht großen Unterschied zwischen Deutschland und Schweden gibt, wenn es um Gleichberechtigung geht. Wenn man von Gleichberechtigung redet, wird in Deutschland der Fokus mehr auf die Stärkung der Frau gelegt, wohingegen in Schweden eher von der Stärkung der Situation von Frauen und Männern die Rede ist. Diese schwedische Haltung teile ich und daher spielt der Vater in meinem Buch auch eine große Rolle. Als Beispiel: In Schweden wird angenommen, dass wenn Menschen Kinder bekommen, diese auch Zeit mit den Kindern verbringen wollen. Dies führt zu Systemen mit stärkeren Rechten und mehr Pflichten für Männer in der Familie sowie zu mehr Platz für Frauen in Unternehmen. Elternzeit für Männer existiert seit 1974 und mittlerweile ist es der Wirtschaft auch klar, dass auch sie von der Familienfreundlichkeit profitiert. Beispiele wie „Keine wichtigen Meetings nach 16 Uhr”, so dass alle – egal ob Mann oder Frau – es zur Kitaabholung schaffen, kamen in meinen Interviews oft vor.

Im Nachhinein bin ich froh darüber, an viele dieser Themen schon in der Schwangerschaft herangegangen zu sein. Das Gefühl als werdende Eltern gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, glaube ich, ist sehr wichtig. Was dieses Ziel am Ende ist, ist jeder Familie selbst überlassen. Es gibt so viele Wege, die richtig sind, wie es Eltern gibt. Nicht jede/r Vater/Mutter teilt meinen Wunsch weiterhin Vollzeit zu arbeiten, aber es ist wichtig, dass wir Systeme bauen, die für Familien funktionieren – egal wie sie leben wollen.

Und das führt mich zum Wichtigsten am Elternsein: Dass wir so sein dürfen, wie wir sind. Und das ist wahrscheinlich auch der einzige Ratschlag, den ich gerne bekommen hätte in der Schwangerschaft: Sei so, wie du bist – so wirst du auch die beste Mutter für dein Kind sein. Und nur so wirst du happy und entspannt in der Elternrolle sein. Und lass auch andere Eltern so sein, wie sie sind – auch wenn sie anders sind als wir selbst. Es ist auch gut so.

Malin Elmlid

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Malin Elmlid, gebürtige Schwedin, Autorin, Mutter eines Sohnes im Kindergartenalter, Ehefrau, frische Hausbesitzerin und Weltenbummlerin, veröffentlichte im Frühjahr 2018 ihr zweites Buch “Mein persönlicher Mutterpass”. Seit ihrer Schwangerschaft beschäftigen sie ihre Erfahrungen im Umgang mit werdenden Müttern und Vätern, aber auch gesellschaftliche Erwartungen an Eltern und Themen, “mit denen sich Schwangere beschäftigen sollten”. Spannend findet sie allerdings immer wieder den Aspekt, mit welchen Themen sich Schwangere in Deutschland scheinbar noch nicht oder noch zu wenig auseinandersetzen. Darunter befinden sich Dinge, die in Schweden schon seit mehreren Generationen anders laufen – Vereinbarkeit und Aufteilung der Elternzeit zum Beispiel. Ein weiterer Punkt, über den Deutsche grundsätzlich nicht gerne reden, ist das liebe Geld: Wie finanziert man seine Familie mit Kind, wer übernimmt was, wie gut sind beide Elternteile für die Rente versorgt usw usw. Anhand einer Vielzahl von echten Elternmeinungen und Beiträgen von fachlichen ExpertInnen bedient “Mein persönlicher Mutterpass” als Lektüre hervorragend Fragestellungen rund um Selbstbestimmung und Selbst-Fürsorge und lenkt den Blick dabei auch über den Tellerrand auf die Auseinandersetzung mit der zukünftigen Rolle, die wir mit der Geburt eines Kindes wie eine zweite Haut überstreifen, die Elternrolle.

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Madeleine ist im Management einer internationalen Digitalagentur und leitet ein Geschäftsfeld in Berlin. Sie schafft es, das alles immer ziemlich leicht aussehen zu lassen, obwohl wir alle wissen, wie viel Arbeit dahinter steckt wenn man Job und Familie unter einen Hut bekommen will. Als Mutter ist sie eher der pragmatische Typ und hört am liebsten auf ihren Bauch und ihren Humor. Sie brennt für die Themen Gleichstellung, Arbeitszeitmodelle für Eltern, die Rettung des Hebammen-Berufs und natürlich ihre Familie. Chapeau!

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