
Heute ist Internationaler Kinderkrebstag. Und wieder werden wir mit dieser bösartigen Krankheit konfrontiert. Was auch gut ist, denn im Laufe unseres Lebens werden wir ihr alle auf die eine oder andere Weise begegnen. Doch wenn es die allerkleinsten trifft, schreit es die Ungerechtigkeit geradezu heraus. Die kleinen Menschen, die wir auf die Welt bringen, die wir beschützen wollen, die alles noch vor sich haben und die uns die Welt bedeuten. Es scheint noch wichtiger, dass wir über sie sprechen, aufmerksam machen und alles in unserer Macht stehende tun, ihnen das Leben zu retten – beispielsweise mit einer Knochenmarkspende. Diese hat dem kleinen Carlos das Leben gerettet – heute möchten wir seine Geschichte noch einmal erzählen!

Camilla mit Mama Susanne beim Frühstück.
Es war die letzte Woche im Juli. Carlos war bereits in der Kita ziemlich erschöpft, jedoch nicht wirklich besorgniserregend. “So, als hätte er eben eine anstrengende Woche gehabt und müsste sich am Wochenende ausruhen. Wäre nicht sowieso Freitag gewesen, hätte ich ihn am nächsten Tag nicht in die Kita gebracht, sondern einfach zuhause behalten!”, erinnert sich Susanne. Doch an dem Wochenende sollte sich alles ändern. Carlos bekam Fieber, sehr hohes, zog sich zurück, wollte alleine sein und wurde zeitweise aggressiv. Alles sehr untypisch für ihn, aber seine Eltern waren noch immer weit davon entfernt, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Vielmehr hatten sie den anstehenden Sommerurlaub im Kopf: Jay hatte eine Filmproduktion in Polen, Susanne wollte während der Kitaschließzeit mit Carlos eine Woche später nachkommen. Also ging es Montag für Jay auf Produktion an die Ostsee und für Susanne und Carlos zum Kinderarzt. Glücklicherweise war Carlos Kinderärztin nach einer langen Auszeit wieder in der Praxis – rückblickend nennen Susanne und Jay es einen dieser “Magic Moments”, einen Wink des Schicksals. “Wir sprachen über fiebersenkende Mittel und sind wieder nach Hause gegangen. Das Fieber blieb jedoch hoch und am Dienstagabend entdeckte ich weiße Stippen im Mund von Carlos. Also sind wird am Mittwoch wieder in die Praxis.” Ausschlaggebend für die Kinderärztin war allerdings nicht nur der gesundheitliche Zustand von Carlos, sondern vielmehr die Beschreibung von Susanne: “Ich hatte ihn mit “wesensverändert” beschrieben – einem Wort, das ich bis dato noch nie verwendet hatte. Aber es war genau so, ich erkannte innerhalb weniger Tage meinen Sohn zeitweise kaum wieder, er war plötzlich ein ganz anderer Mensch geworden.” Nach der Untersuchung stellte sie Susanne frei, ob sie direkt Blut abnehmen oder bis zum nächsten Tag warten können, dann würde sie für die Blutabnahme ein Betäubungspflaster mitgeben. “Augen zu und durch”, war Susannes Devise, schließlich stand auch der geplante Sommerurlaub Ende der Woche an und Carlos wurde das Blut abgenommen. Sie vereinbarten, am nächsten Tag wiederzukommen, um die Blutwerte zu besprechen. Aus einer Vorahnung heraus bat die Ärztin das Labor sich die Probe sofort anzuschauen. Bereits am Abend meldete sich das Labor bei der Ärztin mit der Nachricht, dass in Carlos Blutprobe Zellen gefunden worden waren, die da nicht hätten sein dürfen.

Normalerweise wird in einer solchen Situation sofort die Feuerwehr geschickt, um das Kind ins Krankenhaus zu bringen. Doch auch hier war es wohl großes Glück, dass die Kinderärztin so überlegt handelte, schließlich war Susanne zu dem Zeitpunkt alleine mit Carlos. Also wartete sie bis zum nächsten Morgen, dem 7. August 2014, und bat Susanne nicht wie vereinbart zu ihr, sondern mit Carlos direkt in die Charité zu gehen – mit der Begründung, die Ärzte und Ärztinnen dort würden sich mit Blutwerten besser auskennen und auf jeden Fall auf Nummer Sicher gehen. Noch immer ahnte Susanne nichts vom Ernst der Lage.
Sie wurden in die Poliklinik gebracht, wo Carlos per Fingerpieks einen Tropfen Blut abgeben musste. Während sie im Flur auf und ab liefen, um die Wartezeit zu überbrücken, und Susanne all die Plakate zum Thema Blutkrebs sah, dämmerte es ihr langsam und sie fragte sich zum ersten Mal, warum sie eigentlich hier waren. Und auch Carlos schien es zu spüren, denn obwohl er noch nicht wirklich sprechen konnte mit seinen noch nicht mal zwei Jahren, zeigte er immer wieder auf die Tür und sagte: “Weg. Weg. Raus. Raus.” Er schien zu spüren, dass sich hier für ihn einiges verändern würde.
Von einer Schwester wurden sie in einen Untersuchungsraum geführt. Kurz darauf kam der Oberarzt und erkundigte sich nach Carlos. Susanne erzählte vom Fieber, von der Blutabnahme und dass ihre Ärztin sie hierher geschickt hatte. Sehr ruhig erklärte ihr der Arzt: “Wir haben die Werte aus dem Labor. Der menschliche Körper hat drei Blutbahnen und zwei Blutbahnen sind nicht in Ordnung. Ich muss Ihnen leider sagen, dass Ihr Sohn Leukämie hat und ich muss Ihnen auch sagen, dass es kein Verdacht ist.” Völlig unter Schock ging Susanne nach dieser Diagnose auf den Flur und rief den Chef von Jay an, der auch ein enger Freund der Familie ist.

“Ich wusste ja nicht wie Jay reagieren würde. Rastet er aus, springt er ins Auto, rast er nach Berlin? Ich wollte, dass er aufgefangen wird. Also sagte ich seinem Chef, dass Carlos in der Charité sei und Jay sofort nach Hause kommen müsse. Er solle bitte dafür sorgen, dass Jay heute Abend in Berlin bei uns sei. Und er dürfe auf gar keinen Fall alleine fahren!” Anschließend rief sie Jay an und erzählte ihm alles. In der Zwischenzeit hatte Jays Chef ein Taxi bestellt, das ihn direkt von Polen nach Berlin in die Charité bringen sollte. “Du bist auf Autopilot in diesem Moment. Auf der Fahrt habe ich erst einmal gegoogelt, was diese Informationen, die ich hatte, bedeuten würden”, erzählt uns Jay. “Das war aber keine gute Idee, denn was man an Falschmeldungen im Netz findet, ist unglaublich.”
„Natürlich gab es schlimme und kritische Zeiten, sie sahen viele Kinder gehen und auch um Carlos stand es oft nicht gut, aber sie hatten immer die Transplantation als Ziel.“

Die ganze Familie beim Toben auf der Couch.
Was folgte waren insgesamt vier Chemoblöcke. “Damit beginnt man immer, wenn der Patient einigermaßen stabil ist. So werden die bösen Zellen im Körper zerstört, aber leider eben auch die guten. Wenn der Patient und die guten Zellen – aber halt auch die bösen – sich etwas erholt haben, haut man erneut mit der Chemokeule drauf!”, erklärt uns Susanne. Und genau das macht die Leukämiepatienten auch so extrem schwach während der Behandlungszeit, denn immer wenn sie sich einigermaßen erholt haben, kommt bereits die nächste Dosis. Es ist genau diese Behandlung, die nicht jeder übersteht.
Um einen passenden Knochenmarkspender zu finden, gab es eine große Kampagne gemeinsam mit der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) – einem gemeinnützigen Unternehmen, das Stammzellenspender weltweit vermittelt. Unterstützt wurde die Familie durch ihre Produktionsfirma UFA SERIAL DRAMA GmbH, sowie vieler bekannter TV-Gesichter.

Als Carlos beim Toben von der Couch fällt, wird er liebevoll von Papa Jay getröstet.
“Zu Beginn wurden uns insgesamt vier Chemoblöcke prognostiziert”, erzählen die beiden. “Die ersten beiden war ganz ok, der dritte Block hat uns dann zum ersten Mal komplett ausgehebelt. Nach diesem ist Carlos auf der Intensivstation gelandet, weil die Medikamente den Darm sehr angegriffen hatten. Das waren die ersten drei extrem kritischen Tage, an denen auch die Ärzte nichts mehr tun konnten, aber Carlos hat sich durchgekämpft und es geschafft.” Darauf folgte dann der vierte Block, bei dem Carlos einen Allergieschock bekam, weil er sehr heftig auf eines der Medikamente reagierte. Doch auch das schaffte er. Anfang Dezember waren sie mit den vier Blöcken durch und durften den Dezember zuhause verbringen, damit Carlos Kraft sammeln konnte.
Nach dieser kurzen Auszeit zog die Familie am 29. Dezember 2014 auf die Transplantationsstation ein. Das Zimmer dort bezeichnen die beiden als “Kammer”, denn man lebt auf etwa 5 Quadratmetern und ist durch große Fenster in ständiger Überwachung. Dort gab es dann für Carlos die fünfte und letzte Hochdosis-Chemotherapie. Das war auch die schlimmste, denn das war der Block, der sozusagen das System von Carlos komplett herunterfuhr: “Das gesamte Betriebssystem vom Körper wird platt gemacht und das neue muss dann rasch funktionieren. Und wenn das neue nicht funktioniert, kannst du hier nicht sagen, bei dem alten hat zwar die und die Funktion nicht gepasst, aber ich nehme es doch lieber wieder zurück.”
„Wir hatten endlich einen Namen dafür, was unser Sohn hatte und wir wussten, dass es wieder gut werden würde.“

Ende April durften sie wieder nach Hause. Carlos hatte die Transplantation überstanden, sein Körper die neuen Zellen angenommen und war somit geheilt. Doch wie bei jeder Krebsart spricht man bei der Heilung in Zeitabständen. “Die Faustregel bei einer Knochenmarkspende durch Fremdspender ist, dass man 200 Tage in Isolation leben muss. Bei uns hat sich die Zeit allerdings noch etwas verlängert, sodass wir etwas länger zwar zuhause, aber in Isolation waren.” Im Winter 2015 wusste die Familie endlich, dass es ab jetzt nur noch bergauf gehen konnte.
Und weil Carlos natürlich noch geschützt werden musste, verbrachte die Familie auch den Mai und Juni noch in Isolation zuhause, in der sie nur stundenweise rausgehen und auch keinen Besuch empfangen durften. Doch irgendwann gegen Sommer konnten sie dann auch endlich wieder regelmäßiger vor die Tür gehen. Da der Kontakt zu anderen Menschen noch immer gering gehalten werden musste, gingen sie auf Spielplätze, sobald die anderen Kinder schon beim Abendessen zuhause waren – da war dann auch die Sonne schon weg, denn Carlos durfte sich nur im Schatten aufhalten. In diesem Spätsommer war Carlos drei Jahre alt geworden und fing auch langsam an zu merken, dass er immer nur mit seinen Eltern zusammen war – ihm fehlten mehr und mehr andere Kinder und er wünschte sich sehnlichst einen Freund zum Spielen. “Das war so hart für uns, weil es einem das Herz regelrecht zerreißt! Gott sei dank gab uns dann im Winter der Transplanteur das Go, einen Kitaplatz zu suchen, und so hatten wir wieder ein Ziel vor Augen!” Am 12. April 2016 kam Carlos wieder in die Kita, in der er bis heute wahnsinnig glücklich ist.
Susanne und Jay haben jeden Moment mit Carlos so intensiv erlebt und gelebt, sie haben sich jeden Tag auf ihr Kind konzentriert, haben sich Spiele und Überraschungen überlegt und auch in kritischen Momenten die Hoffnung nicht verloren. Wenn man sie fragt, sind sie sogar dankbar für diese Zeit, auch wenn sie es keiner Familie auf der Welt wünschen würden.

Die schwere Zeit hat Susanne und Jay nur noch enger zusammengeschweißt.

Übrigens, diese sehr enge Zeit brachte noch etwas Wundervolles mit sich, denn im Juni 2016 bekam Carlos einen kleinen Bruder – noch so ein Wirbelwind, der mit seinem Bruder durch dick und dünn geht. Und noch eine weitere positive Nachricht am Ende: Im April diesen Jahres traf die Familie begleitet von der DKMS endlich den Spender, der das Leben von Carlos gerettet hat: Marcus Heckmüller (29). Wie das war? “Vertraut. Wir waren dankbar und sehr glücklich. Carlos mag seinen Blutsbruder und er mag Carlos – das zählt.” Und Marcus? Er möchte nicht sagen, dass er stolz auf seine Spende ist, für ihn war es etwas Selbstverständliches, das er immer wieder tun würde.

Die Sicht einer Spenders:
Marco hat Knochenmark gespendet!

„Als meine Frau ein gemeinsames Essen mit Freunden zum Anlass nahm, uns alle bei der DKMS zu registrieren, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich sieben Jahre später (im Herbst 2014) wirklich als Spender angefragt werden würde. Über lange Zeit habe ich das auch eher nüchtern betrachtet.
Damals war es noch so (die Verfahren sind jetzt genauer), dass man mehrere Blutproben zur DKMS schicken musste, bevor final feststand, ob ich einen genetischen Zwilling habe, der krank ist und mein Knochenmark benötigt.
Was dann folgt ist eher ein organisatorischer Akt. Ein OP-Termin musste dann verschoben werden, weil es dem Empfänger gesundheitlich zu schlecht ging. Für die OP bin ich dann erst Mitte April nach Köln in eine Partnerklinik der DKMS geflogen. Dort erfolgten die üblichen Gesundheitschecks und am nächsten Tag der Eingriff. Ich wurde zuvor noch nie unter Narkose operiert. Man ist danach relativ fit, hat leichte Schmerzen und sollte sich zuhause ein paar Tage erholen. Als Erinnerung habe ich noch zwei kleine Punkte auf meinem Kreuzbein. Es muss dazu gesagt werden, dass nicht jeder Erkrankte Knochenmark benötigt. Manchmal reicht eine einfache Blutentnahme, um Leben zu retten. Interessant ist auch, dass ich mit meiner Familiengeschichte ein super Spender bin. Mein Vater hat indische Wurzeln und je genetisch vielfältiger man ist, desto besser, sagt die DKMS. Sowohl vor als auch nach der Spende hatte ich keine rauschhaften Rettergefühle. Das habe ich eher in meinem Umfeld so wahrgenommen und fand das irritierend, lustig und auch schön. Besonders meine Frau war sehr stolz auf mich und sah darin ein gutes Omen für unsere eigene Geschichte. Sie war gerade mit unserem dritten Kind schwanger, weshalb ich den Zeitpunkt meiner Spende riskant fand und sie gerade richtig.
Tief betroffen war ich erst, als ich vor kurzem den ersten persönlichen Brief meines Empfängers gelesen habe. Ein verheirateter Mann mit zwei kleinen Kindern. Er war unfassbar krank und ist jetzt komplett geheilt. Seine Worte haben mich wirklich berührt. Seitdem bin ich sehr dankbar, dass ich helfen konnte.“
DKMS – Eine Spende kann Leben retten!
Alle 15 Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die niederschmetternde Diagnose Blutkrebs. Viele Patienten sind Kinder und Jugendliche, deren einzige Chance auf Heilung eine Stammzellspende ist. Doch jeder zehnte Patient findet allein in Deutschland keinen Spender. Für eine Stammzellenspende müssen Gewebemerkmale des Spenders mit denen des Patienten zu 100 Prozent übereinstimmen. Daher ist es so wichtig, das möglichst viele Menschen registriert sind.
So einfach kann man sich registrieren lassen!
Einfach online das Registrierungs-Set anfordern. Per Post gibt es dann ein Set mit Wattestäbchen, mit dem ein einfacher Wangenabstrich gemacht wird. Die Wattestäbchen werden einfach wieder per Post und mit den ausgefüllten Unterlagen zurückgeschickt. That’s it!
Wie läuft die Spende ab?
Es gibt zwei verschiedene Arten Stammzellen zu spenden. In den meisten Fällen (80%) werden Stammzellen über die sogenannte „periphere Stammzellspende“ der Blutbahn entnommen. In wenigen Fällen (20%) werden die Stammzellen direkt dem Knochenmark entnommen.