Lebt man als Mutter oder Vater in Berlin, Hamburg, München, Stuttgart oder Karlsruhe, ist die Wahrscheinlichkeit nicht so gering, jemanden zu kennen, der in einem Startup arbeitet oder sogar eins gegründet hat. Neben der Metropolregion Rhein-Ruhr gehören diese fünf Städte zu Deutschlands wichtigsten Gründungs-Hotspots laut Deutschem Startup-Monitor (kurz DSM), der jedes Jahr vom Bundesverband Deutsche Startups e. V. (BVDS) und KPMG als Förderer herausgegeben wird.
Der DSM gibt Auskunft über Entwicklung und Bedeutung von Startups, liefert Insights zu Standorten, Branchen, Status, Finanzierungsrunden, Internationalität der MitarbeiterInnen und auch Infos dazu, wie viele Gründer männlich und wie viele weiblich sind. Der aktuellste DSM für 2018 umfasst Daten von 1.550 Startups, mit 3.763 Gründerinnen und Gründer sowie 17.647 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

15,1% der deutschen Startups werden aktuell von Frauen gegründet

Diese Einschätzung teilen auch Anja Rath, Finanzierungs-Spezialistin, und Nikolas Samios, Venture Capital Experte und beide Unternehmensgründer. Zusammen haben sie ein Buch geschrieben, welches von Handwerk, Kunst und Philosophie der Venture-Capital-Finanzierung von Startups handelt, kurz DEALTERMS.VC. Mit Startups sind in diesem Fall schnell wachsende Unternehmen gemeint, deren Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen auf einen technischen Kern aufsetzen. Diese Unternehmen treiben ihr Wachstum durch die Aufnahme von externem Risiko-Kapital an, und am Ende der Reise “Unternehmensgründung” steht nach ca. 5-10 Jahren der Verkauf des Unternehmens als letzter Punkt auf der Agenda. Diese Definition von Startup entspricht der “klassischen”, internationalen und meint in dem Fall tatsächlich nicht die Gründung eines Häkel-DIY-Shops bei Etsy. Ihr Buch soll vor allem als Leitfaden dienen und umfasst als Sachbuch alle wesentlichen Aspekte und Bestandteile von Venture Deals in Deutschland, inklusive einer umfassenden Vertrags-Dokumentation. Darüber hinaus haben die Autoren mit mehr als 20 Top-GründerInnen und InvestorInnen wie zum Beispiel jenen von Delivery Hero, Book a Tiger, nebenan.de oder Mister Spex gesprochen.

Abb.: Nikolas Samios, Venture Capital Experte und Autor des Buches DEALTERMS.VC
Weibliche Seriengründer waren dafür nur extremst schwer auszumachen, ebenso weibliche Investoren. “Es gibt sie auch in Deutschland und das Geschlechter-Verhältnis wird besser, aber es ist noch lange nicht so gut wie z.B. in Frankreich,” sagt Nikolas Samios. “In Deutschland sind gefühlte 9,5 von 10 VCs männlich, in Frankreich hingegen ist es vergleichsweise normal, Frauen als Managing Partner anzutreffen.” Aus seiner Sicht zählen zu den bekanntesten deutschen Gründerinnen Lea-Sophie Cramer von Amorelie, Lea Lange von JUNIQE, Delia Fischer von Westwing oder auch Julia Bösch von Outfittery. Weniger medial präsent, dafür großartige Rolemodels: Tanja Kufner von Porsche, Dr. Carolin Gabor von FinLeap oder Olya Klueppel, Partnerin bei Global Growth Capital.

Laut DSM steigt der Frauenanteil in der Startup-Szene weiter an

Abb.: Grafik aus dem DSM 2018 zu Alter und Geschlecht
Im Gespräch mit den Autoren wollten wir wissen, warum die Kluft zwischen den Geschlechtern in einer so fortschrittlichen Branche doch noch überraschend groß ist. “Nach unserer Beobachtung haben Moderne Investoren das Klischee-Denken zu berufstätigen Frauen eigentlich überwunden. Aber es muss auch erwähnt werden, dass es auch zwischen Investoren und Gründerinnen MeToo-Momente gab, die publik wurden, vor allem in den USA.“ Ebenfalls steht der Verdacht im Raum, dass weibliche Gründungen häufiger negativ von Investoren bewertet werden, also im Wettkampf um das rare Risikokapital einen Nachteil haben. Dabei werden Investmententscheidungen in der Regel nicht von einer einzelnen Person getroffen, sondern von einem ganzen Team, das beim Sichten von Investitionskandidaten, wie in einem Wettbüro, auf das Team mit der Aussicht auf das erfolgreichste Ergebnis setzt. Werden also Attribute, wie die von GründerInnen erwartete Aggressivität und Risikobereitschaft, immer noch eher Männern zugesprochen? “Wir haben das in unserem Team einmal statistisch analysiert. Haben weibliche Gründerteams eine schlechtere Erfolgsquote? Das konnten wir zumindest auf unserem Datensatz nicht belegen. Anekdotisch haben sogar einige Befragte berichtet, dass ihnen Gründerinnen und Teams mit weiblichen Co-Gründern besonders im Gedächtnis geblieben sind, damit eventuell sogar leider einen Originalitätsvorteil haben, da es eben so wenige davon gibt,” so Nikolas Samios. Gerade Startups sind besonders heftig vom Fachkräftemangel betroffen und versuchen händeringend offene Stellen zu besetzen. Jedoch wird im Gespräch mit Recruitern deutlich, dass sich für manche Stellen oft so gut wie keine Frauen bewerben und dass Unternehmen diese Stellen, selbst wenn sie wollten, einfach nicht schaffen mit Frauen zu besetzen. “Hier schließt sich der Kreis: Für ein Venture Capital Team die gleiche Anzahl an weiblichen wie männlichen Analysten zu finden ist in der Praxis kaum möglich. Daher ist zu befürchten, dass es noch lange dauern wird, bis wir auch mehr weibliche Entscheider im Venture Capital Bereich in Deutschland haben,” folgert Nikolas Samios.
Das Buch DEALTERMS.VC soll Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen. Es versteht sich als praxisnaher Leitfaden für alle, die ihr Unternehmen nicht als langfristigen Lebensinhalt aufbauen, sondern mit externen Geldmitteln und risikofreudigem Mindset eine Geschäftsidee zu schnellem Wachstum bringen wollen. Ist letzteres gelungen, ist ein sogenannter Exit das Ziel. Unserer Auffassung nach gründen die Frauen, die wir kennen, mehrheitlich um sich einen Lebenstraum zu realisieren, nicht um bei ihren Unternehmungen wie auf einem Brettspiel zu agieren. Vielleicht kommt daher die rätselhafte Diskrepanz zwischen Männern und Frauen!

DEALTERMS.VC.vc: Von Handwerk, Kunst und Philosophie der Venture-Capital-Finanzierung von Startups in Deutschland

Das Buch richtet sich gleichermaßen an Startup-GründerInnen wie InvestorInnen, aber dank der leichten Zugänglichkeit auch an interessierte ManagerInnen, BeraterInnen, AnwältInnen, BankerInnen und PolitikerInnen. Gebundenes Buch – 39,99 EUR Alle Erlöse der Autoren werden für einen Entrepreneurship-bezogenen guten Zweck gespendet.

Grundlage des Buches war neben der eigenen Erfahrung der beiden Autoren die gesammelte Weisheit einiger der renommiertesten Serien-GründerInnen. In die drei der vielen Interviews, die mit Frauen geführt wurden, könnt ihr hier hereinhören, wie sie ungeschminkt Rede und Antwort zu Ihren Ansinsten und Business stehen. Die Interviews hat Nikolas Samios geführt. Alle Experteninterviews findet ihr HIER.
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Foto-Credits: pexels.com, Nikolas Samios

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