Cameron Light Birth Illustration

GASTBEITRAG
Warum wir uns dringend von dem Wort „Entbindung“ verabschieden sollten!

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Ganz selbstverständlich kommt uns, wenn wir an Schwangerschaften und Geburten denken, das Wort Entbindung über die Lippen. Kein Wunder, denn in allen Kontexten rund ums Kinderkriegen taucht es auf und wird in beinahe allen Texten, Artikeln, Broschüren und Gesprächen mit z.B. Ärzt*innen, Hebammen, im Krankenhaus oder auch mit den eigenen Eltern ganz unvoreingenommen gebraucht: „Wie möchtest Du entbinden? Der Entbindungstermin ist am soundsovielten. Hast Du natürlich entbunden? Wie war die Entbindung?…“ Manchmal ertappt sich Gastautorin Hannah auch selbst dabei, wenn sie von den Geburten ihrer drei Kinder erzählt. Dann geht sie beispielsweise mit einer Freundin spazieren und berichtet von ihrer letzten Entb… – Pardon, jetzt würde sie sich selbst gerne auf die Zehen treten – von der Geburt ihres jüngsten Kindes.

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Gastautorin Hannah erklärt uns, warum das Wort „Entbindung“ am besten aus unserem Wortschatz gestrichen gehört

Was ist eigentlich das Störende an dem Wort Entbindung? Warum sollten wir darüber nachdenken, den Begriff aus unserem aktiven Wortschatz zu streichen? Und warum spielt das überhaupt eine Rolle? Ich finde, es spielt eine sehr große Rolle. Denn Sprache schafft Bilder. Und wir sollten generell viel mehr auf unsere Sprache im Kontext von Geburt achten. Aber zunächst einmal zur Begriffsklärung:

Wenn wir uns die Sprachgeschichte des Wortes ansehen, gibt es das Wort entbinden seit dem 14. Jahrhundert auch im Sinne von Geburt (damals war auch das Wort „Niederkunft“ populär – heutzutage ist das „immerhin nur noch“ im juristischen Sprachgebrauch so). Ursprünglich meint das Verb entbinden lossprechen, befreien gleichbedeutend mit losbinden, einer Verpflichtung entheben oder auch von Fesseln befreien. Es ging also darum, zu beschreiben, dass die Nabelschnur zwischen Mutter und Baby durchtrennt wird. Wobei (und das ist für das weitere wichtig) die Frau oder das Kind Objekt des Verbs sind. Der intransitive Gebrauch im Sinne von Mutter werden oder gebären, also dass jemand aktiv beteiligt ist und etwas tut, ist sprachgeschichtlich ziemlich jung (etwa um 1880). „Die Frau entbindet zu Hause.“ wäre dann korrekt.

Und jetzt wird`s kompliziert: Es heißt nämlich „Die Mutter wird vom Kind entbunden“ und nicht „das Kind wird von der Mutter entbunden.“ Tatsächlich falsch ist die Formulierung „Die Mutter entbindet das Kind.“ Und bereits hier ist die Frau zum Objekt gemacht worden. Nachzulesen ist das alles im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache.

Die englischsprachige Journalistin Milli Hill ist Gründerin des „Positive Birth Movements“ in Großbritannien. Sie beschreibt in ihrem Buch „Give Birth like a Feminist“ (London 2019) welchen Einfluss Sprache auf die Bilder, die in unseren Köpfen erzeugt werden, hat und benennt Alternativen. Ein gutes Beispiel ist im Englischen das Wort Delivery, wörtliche Übersetzung: Lieferung. Babies werden aber nicht geliefert. Pizzas werden geliefert. Babies werden geboren. Im
Englischen „give birth“. Auch auf das Deutsche trifft diese These zu. Sprache schafft Bilder und das nicht immer bewusst. Und da kann der Begriff Entbindung beim Thema Geburt eine bedeutende Rolle spielen und einfach falsch sein, wenn wir uns angucken, welche Bilder er im Kopf erzeugt.

So wird der Begriff „Entbindung“ zum Politikum

So, wie er gebraucht wird, werden Mutter und Kind zu einer Passivität verdonnert, die sie nicht haben. Denn beide sind bei der Geburt keine Objekte.
Und spätestens hier wird der Begriff zu einem Politikum. Wer hat denn nun das Kind geboren? War es die Mutter? Kann sie es nicht alleine? Müssen externe Geburtshelfer*innen dabei sein und sie entbinden? Oder haben Ärzt*innen sogar das Kind geholt? Oder war es der Feuerwehrmann, weil das Baby schneller auf die Welt wollte, als der Weg zum Krankenhaus dauerte? Oder hat der oder die Partner*in das Kind entbunden beim Durchtrennen der Nabelschnur? Richtig. Nein, es waren Mutter und Kind. Die Mutter hat das Kind geboren. Frauen gebären ihre Kinder aus ganz eigener Kraft mit deren Hilfe. (Frauen, die einmal eine stille Geburt erleben mussten, wissen, wie sich gebären ohne Mithilfe des Babies anfühlen kann.) Sie werden nicht von ihnen entbunden. Mit ganz viel Kraft, urgewaltig, auch mit Schmerzen, mit Geburtsschmerzen, die sich nicht mit anderen Schmerzen vergleichen lassen. Es ist ein durch und durch körperlicher Akt. Und ich gehe soweit, zu behaupten, dass er das auch bei einer Sectio ist.

Der Begriff Entbindung macht die Gebärenden und Kinder zu passiven Wesen

Problematisch wird das, wenn wir an die vielen Berichte über traumatisch erlebte Geburten denken, wie sie momentan überall in den Medien präsent sind oder am Roses Revolution Day seit Jahren zu Tage kommen. Dort wird sehr oft von entbinden berichtet. Die Frauen haben nicht das Gefühl, selbst geboren zu haben. Häufig erzählen sie davon, dass sie das Gefühl hatten, von ihrem Unterleib getrennt worden zu sein. Eine ähnliche Wortwahl findet sich nur bei sexuellen Übergriffen. Die Menschen fühlen sich abgetrennt von ihren Gefühlen, von dem Erlebnis der Geburt, von ihren Babies. Das hat viel mit Selbstbestimmung, mit physischer und vor allem mit psychischer Unversehrtheit und mit Würde zu tun. Sie haben sich als passiv erlebt. Ihnen ist etwas geschehen, etwas zugestoßen. Sie waren nicht die Hauptakteure in einer Welt, die sich nicht auf diese Weise um sie drehte, so wie sie es sich für sich vorgestellt und meist auch gewünscht hatten. Frauen bringen ihre Kinder auf die Welt. Und zwar aus eigener Kraft, im Idealfall mit der Begleitung oder Unterstützung, die sie sich selbst ausgesucht haben, die sie ernst nimmt, die ihnen eine Geburt zutraut und sie in den Mittelpunkt stellt als Expertin für den eigenen Körper und das eigene Baby. Eine Begleitung, die sich auf genaue Beobachtung versteht, und wenn es notwendig oder gewünscht wird, bei der Geburt unterstützt, sich aber nicht als diejenige sieht, die das Kind holt.

Jede Geburt ist anders, und zwar so wie es Mutter und Kind als Einheit brauchen, um diesen Weg gut gehen zu können

Eine Geburt kann vaginal, über einen Bauchschnitt, zu Hause, im Geburtshaus, in der Klinik, mit Schmerzmitteln oder unter Hypnose, unterstützt, spontan oder eingeleitet sein. In jedem Fall individuell, wie es Mutter und Kind als Einheit brauchen, um diesen Weg gut gehen zu können. Neben dem Baby wird nämlich eine Mutter geboren. Denn auch wenn Geburten nach wie vor zu den Wundern dieser Welt gehören, wir noch immer nicht ganz genau wissen, wodurch eine Geburt letztendlich ausgelöst wird, wissen wir, dass Frauen prinzipiell in der Lage sind, Kinder zu gebären. Sie können das. Wir können das. Die inneren, weitergegebenen Bilder sind aber das, was uns beeinflusst. Und Bilder entstehen durch das, was wir sehen, was wir erleben, was an uns weitergegeben wird, wie wir es benennen, was wir lesen und hören. Und dabei beeinflussen wir uns gegenseitig, je nachdem welche Bilder unser Gegenüber im Kopf hat.

Geburt, gebären, geboren werden – anstelle Entbindung und entbinden

Lasst uns von Geburt, von gebären, von geboren werden sprechen. Worte, die so viel schöner, so viel bestärkender sind und so viel besser beschreiben, was da eigentlich passiert. Worte, die eine Chance auf Heilung versprechen und egal nach welchem Geburtserlebnis dabei helfen können, wieder in die Selbstbestimmung zu kommen und sich die Geburt des eigenen Kindes „zurückzuerobern“. Mal abgesehen davon, wird die Bindung nicht gekappt. Mutter und Baby bleiben weiterhin noch sehr lange sehr symbiotisch verbunden (auch wenn es jetzt natürlich Möglichkeiten gibt, das Kind abzugeben und auch eine andere Person als die Gebärende die Rolle genauso gut ausfüllen kann), aber die Bindung, die Beziehung des Babies zu seinen Bezugspersonen wird intensiver als getrennt.

Wir können auch den ET erratenen Termin nennen, denn es kommen eh nur 4% aller Kinder termingerecht auf die Welt. Oder wir sprechen gleich von Geburtszeitraum. Und auch hier merken wir wieder, Sprache macht etwas mit uns: Ein Geburtszeitraum von etwa 5 Wochen ist doch viel angenehmer als ein Stichtag, der eh so gut wie nie eingehalten wird. Und wenn wir schon einmal dabei sind und sprachsensibler im Kontext von Geburt werden, könnten wir in Zukunft auch vaginal statt natürlich benutzen oder von Gebärenden und Partner*innen sprechen als von Müttern und Vätern…
Aber irgendwo müssen wir ja mal anfangen.

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Hannah Elsche

Unsere Gastautorin Hannah ist Kunsttherapeutin und bietet tiefenpsychologisch fundierte Kunsttherapie rund um Kinderwunsch, Schwangerschaft, (traumatische) Geburt, Verlusterfahrung, Elternwerden und Elternsein in ihrem Atelier in Berlin-Wedding an. Sie ist als Aktivistin bei Mother Hood e.V. tätig und selber Mama von 3 kleinen Kindern, im Alter von 8 Monaten, 3,5 Jahren und 5 Jahren, mit denen sie in Berlin lebt.

AtelierLiebenwalder Straße 33, 13347 Berlin
Webwww.hannahelsche.de
Instagram@Kunsttherapie_HannahElsche
Facebookmake babies – Kunsttherapie Hannah Elsche

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Bild-Quellen:
Aufmacher-Bilder sind Illustrationen von Cameron Light.
Das Bild von Hannah stammt von Fotograf Jan Philipp Welchering.

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Madeleine ist im Management einer internationalen Digitalagentur und leitet ein Geschäftsfeld in Berlin. Sie schafft es, das alles immer ziemlich leicht aussehen zu lassen, obwohl wir alle wissen, wie viel Arbeit dahinter steckt wenn man Job und Familie unter einen Hut bekommen will. Als Mutter ist sie eher der pragmatische Typ und hört am liebsten auf ihren Bauch und ihren Humor. Sie brennt für die Themen Gleichstellung, Arbeitszeitmodelle für Eltern, die Rettung des Hebammen-Berufs und natürlich ihre Familie. Chapeau!

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