Kinder Digital begleiten

Leonie Lutz ist Profi auf ihrem Gebiet. Sie ist Redakteurin, Buch-Autorin, Gründerin von „Kinder digital begleiten“ und Mutter von zwei Töchtern. Sie vermittelt Eltern, wie wichtig es ist, Kinder mit dem Smartphone nicht alleine zu lassen.

Gerade in der heutigen Zeit, in der Smartphone so ziemlich jeden Bereich unseres Lebens beeinflussen und kaum noch wegzudenken sind, ist es unglaublich wichtig, dass Eltern ihren Kindern (und sich selbst) den richtigen Umgang damit beibringen. Wie das geht, lernt ihr bei Leonie. Wir haben sie für euch zu diesem Thema interviewt. Das Interview findet ihr auch im Netz. Und auch, wenn ich der Meinung bin, dass Kinder frühestens erst mit der weiterführenden Schule ein Smartphone kriegen sollten, wird heute oft gar nicht mehr so lange gewartet.

Wie hat sich unser Kommunikationsverhalten mit den sozialen
Medien verändert?

Nun, wir haben anfangs mehr textbasiert kommuniziert, tun dies aber mittlerweile auch via Voice- oder Videonachrichten. Messenger sind für uns zu den wichtigsten Kommunikationsmitteln geworden. Wer nicht mitmacht, ist ausgeschlossen. Das spüren leider auch schon unsere Kids.

Was machen die sozialen Medien mit unseren Kindern?
Soziale Medien sind ja per se Netzwerke, die eigentlich nicht für Kinder geeignet sind. Wenn wir an Snapchat, TikTok, Instagram oder WhatsApp denken, sind diese Anwendungen erst ab 13 Jahren erlaubt – und das empfehle ich auch, wobei WhatsApp hier eine Ausnahme bleibt.
WhatsApp ist kein soziales Netzwerk, sondern ein Messenger-Dienst. Immer mehr Kinder nutzen immer früher diesen Dienst, sie verabreden sich darüber, sind Teil des Klassenchats und somit Teil der Peer Group. Für viele Kinder ist das unglaublich wichtig, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zu haben. Bei den anderen Plattformen empfehle ich, unbedingt der Altersempfehlung von 13 Jahren zu folgen. Je später, desto besser!
Denn da sehen wir zum Beispiel auch, dass Instagram mit den vielen Filtern durchaus negative Gefühle auf Teenager machen kann. Da ist einerseits die Abgrenzung vom Elternhaus, andererseits wird die Zugehörigkeit bei Gleichaltrigen gesucht. Junge Menschen vergleichen sich also. Und wenn ich als Teenie nur weichgezeichnete Gesichter anderer Mädchen sehe oder muskulöse Jungs, die Protein-Shakes bewerben, macht das durchaus etwas mit einer Kinderseele. Auch TikTok ist mit Vorsicht zu genießen. Wie bei allen sozialen Netzwerken haben wir hier die Thematik, dass jegliche Konflikte auf der Welt sofort in die Timeline gespült werden – auch Kriegsvideos. Positiv an sozialen Netzwerken sind die Inhalte, die sich mit Kreativität oder Bildung beschäftigen. Denken wir nur mal an den YouTuber Daniel Jung, der auf allen Plattformen zig Kindern hilft, Mathe besser zu verstehen.

Wann ist ein guter Zeitpunkt für ein erstes Smartphone?
In unserem Buch „Begleiten statt verbieten“ schreiben wir: Bereit, wenn Sie es sind. Wir meinen damit, dass Kinder dann bereit für ein eigenes Smartphone sind, wenn die Eltern das Kind dabei begleiten und unterstützen können, sich also auskennen und für die Kinder Ansprechpartner bei digitalen Fragen sind. Viele Familien nutzen den Übergang zur weiterführenden Schule, wenn sich für die Kinder der Schulweg verändert, Bus und Bahn genutzt werden müssen. Da kann ein Smartphone Eltern wie Kindern Sicherheit bieten. Man könnte aber auch mit einer Smartwatch arbeiten. Das kann man ein bisschen im Hinterkopf behalten, bevor man ein Smartphone anschafft. Wichtig ist einfach: Sobald Kinder eigene Geräte haben, haben sie auf all das Zugriff, was wir Erwachsenen im Netz auch sehen. Dazu gehören dann auch Gewalt und Pornografie.

Und wann würdest du mit den sozialen Medien „starten“?
So spät wie möglich. Nehmen wir zum Beispiel die obligatorischen 13 Jahre, die in den App Stores stehen. Das ist ein guter Richtwert. Und sobald Kinder dann soziale Netzwerke nutzen dürfen, ist es unglaublich wichtig, die Kinder- und Jugendschutzeinstellungen der Apps einzurichten. Instagram, TikTok und auch Snapchat haben eine Elternaufsicht bzw. einen begleiteten Modus. Aktiviert man diese Einstellungen im Zusammenspiel mit dem wahren Geburtstag des Kindes, weiß die Anwendung, dass es sich bei dem Nutzer um ein Kind handelt. Erst dann greifen also entsprechende Schutzmechanismen.

Was würdest du Eltern raten, wenn sie merken, dass das Kind zu viel am Telefon hängt.
Es kommt ein bisschen darauf an, wie viel als zu viel empfunden wird. Häufig helfen Alternativangebote wie Vereine zum Beispiel. Ein Kind, das auf dem Fußballplatz oder Handballfeld steht, nutzt nicht parallel ein Gerät. Vernachlässigt das Kind jedoch Hobbys, Freunde und Familie, kann ein Gespräch mit dem Kinderarzt sinnvoll sein, auch Beratungsstellen und Krankenkassen können dann wichtige Ansprechpartner sein.

Was ist für dich Kommunikationskompetenz und wie sieht es damit bei unseren Kindern aus?
Unseren Kindern wird aktuell nicht flächendeckend vermittelt, was es heißt, medienkompetent zu sein und Kommunikation als Kompetenz gehört da auch dazu. Letztlich geht es darum, dass ich mich im Netz so verhalte, wie ich es auch im wahren Leben tun würde. Es sind manchmal Kleinigkeiten, macht aber zum Beispiel bei WhatsApp einen Unterschied, ob ich in GROSSBUCHSTABEN schreibe oder wie ich welche Emojis einsetze. Ein „Du bist doof“ mit einem Zwinker-Smiley kann wie ein ironisches „Ach, du bist doch ein Doofie“ interpretiert werden. Ein „Du bist doof“ mit einem wütenden, roten oder dem Kotz-Smiley wirkt bedrohlich und verletzend. Das sind Dinge, die dürfen wir unseren Kindern erklären.

Was ist, wenn Eltern selbst unsicher im Umgang mit den digitalen Medien sind?
Medienerziehung gehört zur modernen Elternschaft unbedingt dazu! Sie beginnt dann, sobald Kinder digitale Medien und Geräte nutzen. Also auch schon im Kleinkindalter. Und das Tolle daran ist: Mehr Wissen in diesem Bereich zu haben, macht super viel Spaß! Kompakte Learnings gibts im Buch „Begleiten statt verbieten“, wer sich kostenlos einlesen möchte, kann unter klicksafe.de viele Infos erhalten.

Wie wirkt sich der Besitz eines Smartphones auf das Lern- und Sozialverhalten meines Kindes aus?
Das lässt sich pauschal nicht sagen, weil wir keine Langzeitstudien haben. Allerdings gibt es auch eine Analyse der Universität Würzburg aus dem Jahr 2018 die mehrere Studien ausgewertet hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass bei einem hohen Medienkonsum die schulischen Leistungen niedriger sind. Weniger ist also mehr. Aber das ist heute gar nicht so einfach, weil wir in einer digitalisierten Welt leben und auch unsere Kinder sind Teil dieser Welt.

Wie bringe ich meinen Kindern einen gesunden Konsum bei?
Indem wir wegkommen vom Konsum. Die Sache ist doch die: Digitale Medien stehen bei Kindern fast ausschließlich für Konsum: Simple Spiele spielen, YouTube gucken, Berieselung. Digitale Medien sind aber so viel mehr! Sie sind wunderbare Werkzeuge. Unsere Kinder müssen auch lernen dürfen, wie wir die Geräte als Werkzeuge so einsetzen, dass sie zum Gestalter werden können.
Es gibt mit „Audio Adventure“ eine Kinder-App, da können eigene Podcasts oder Hörspiele erstellt werden. Und mit der kostenlosen App „Stop Motion Studio“ können Kinder Legotrick-Filme erstellen. Ich denke ein gesunder Konsum ist eine Mischung aus Unterhaltung und Nutzung. Hilfreich sind aber auch Richtwerte, was die Bildschirmzeit angeht. Die BZgA empfiehlt für 9-12jährige zum Beispiel eine Medienzeit von 1 Stunde am Tag. Jetzt müssen wir aber auch die tatsächlichen Geschehnisse in Familien betrachten. Wenn ein Kind krank ist, wird daraus auch mal mehr Medienzeit, weil es im Zweifel nicht anders geht, wenn die Eltern arbeiten müssen. Also: Die Richtwerte sind gut, wenn’s aber mal punktuell abweicht, sollte man sich da auch nicht verrückt machen.

Foto: Hanna Witte

Ihr seid unsicher?

Auf kinderdigitalbegleiten.de bietet Leonie für Eltern von Kindergartenkindern und Grundschülern & Teens einen Kurs, der euch dabei hilft, eure Kinder in die Welt des World Wide Web einzuführen.

Das Buch: Digital begleiten

Leonie Lutz und Anika Osthoff sind Expertinnen in digitaler Bildung und zeigen, wie ein sicheres, kompetentes und kreatives digitales Familienleben aussehen kann – frei von Konflikten und Verboten. Lesenswert für alle Eltern, deren Kinder mit den digitalen Medien in Berührung kommen.

Dani schreibt seit 2007 ihr Familienreiseblogbutterflyfish und lebt mit ihrer Familie als ehemalige Fränkin in Berlin. Sie arbeitet zudem als freie Redakteurin, Grafikerin und Fotografin und war mal Informatikerin – weil eine Sache ist ja viel zu langweilig. Am liebsten fährt sie mit dem Auto und ihrer Familie durch und über die Berge oder wandert rauf und schläft auf ner Hütte. Mit im Gepäck: jede Menge Reise- und Technikideen - und immer und immer: Kinderkram! Inzwischen auch nen eigenen Kindermodeladen in Köpenick, den halben meter

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