Während sich der Senat für Bildung und Jugend dafür feiert, dass Grundschüler jetzt kostenlos Mittagessen können und für ihre Schulbücher nichts mehr bezahlen, sitze ich hier und habe Hals. Warum? Eine kleine subjektive Hasstirade.

Meine große Tochter wechselte gerade von der Grundschule aufs Gymnasium. Glücklicherweise ging die „Schulkrise“ an uns vorbei. Das kostenlose Essen + gratis Schulbücher auch. Die letzten Jahre hatten es finanziell in sich und jetzt wird eben weiter geblecht, auch wenn ich mir zumindest das Ticket spare.

91 Euro nur für Schulbücher. Dazu dann noch mal mindestens 50 Euro für Anschaffungen, die die Lehrer haben wollen. Z.B. spezielle Bleistifte, Hefte, Ordner, letztes Jahr sollten es zu den Wassermalfarben dann auch noch Aquarellfarben sein und natürlich das Mittagessen und der Rechner, weil Medienklasse – ach, einige kennen das. Und eigentlich geht es ja gar nicht um Schule. Das kommt noch. Also zurück zur Kita.

Ey Berlin, mal das Geburtenregister gecheckt?

Man könnte meinen, Berlin agiert so: Hände vor die Augen, ich seh dich nicht, du siehst mich nicht. In den letzten Jahren (insbesondere seit 2007 zur Elterngeldeinführung) ist die Geburtenrate gestiegen. Jeder Depp kann das Geburtenregister per Suchmaschine online suchen und finden. Für jedes Dorf, für jeden Bezirk. Auch wenn das natürlich nicht herangezogen wird. Es ist also so: Die Bezirke melden dem Senat, pass auf, da kommen Kinder, wir haben einen erhöhten Bedarf. Der Senat dann so: Ok. Wir brauchen neun Jahre Umsetzungszeit. Alles klar. Wer wann wem etwas meldet?

Die Stadt Berlin hat das irgendwie an sich vorbeiziehen lassen, ob das jetzt zu spät gemeldet wurde dass da mehr Kinder kommen oder der Zuzug nach Berlin zunehmen wird oder eben Augen geschlossen. Ohren zugehalten. Was weiß ich. Vielleicht hat auch noch jemand gebetet: Das geht vorbei, das geht vorbei.

Und jetzt haben wir quasi den Salat. Alle dürfen kostenlos in die Kita. Haben sogar einen Rechtsanspruch drauf. Und naja, aktuell fehlen deutschlandweit 270.000 Kitaplätze. In Berlin sind es „nur“ knapp 3000.
Bis zum Jahr 2025 wird es eher schlimmer. Es fehlen nämlich bundesweit mehr als 300.000 ErzieherInnen. So dem nationalen Bildungsbericht zu entnehmen. Natürlich ist es eine gute Sache, das Kitaplätze kostenlos sind. Aber dazu müsste es welche geben. Stattdessen gibt es nicht genug und Eltern kommen mit Belohungen von bis zu 5000 Euro für einen Kitaplatz um die Ecke. Ja. Danke Berlin.

Wer als Erzieher einsteigt, verdient anfangs etwa 2.600 brutto. In Berlin ist es weniger, denn es wird nach dem niedrigeren Tarifvertrag für Beschäftige der Länder und nicht nach dem besseren Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt. Geil (aber immerhin: Änderung für einen kleinen Teil ab 2020 in Sicht) und ey, Lehrer verdienen gut das DOPPELTE.

Wie sich das mit den fehlenden Erziehern so äussert? Manchmal drastisch: In Berlin mussten 113 Betreuungsverträge gekündigt werden, weil zu viele Kinder, zu wenige Erzieher – Kita-Gau quasi.

Und bei mir so?

Ich bekomme Mails mit Absagen oder werde am Telefon angenuschelt, in denen sich die Kitaleitung entschuldigt, sie hätten aktuell nicht mal mehr genug Platz für Geschwisterkinder. Oder: Wir schreiben Sie auf die Warteliste für 2020, wir können keine neue Gruppe eröffnen, uns fehlen Erzieher.

So gesehen. Dumm gelaufen. Es hat für mich nicht mehr gereicht, seit April 2018 (da wussten noch nicht mal unsere Kinder, dass ich schwanger bin!) nach einem Kitaplatz für Oktober 2019 zu suchen. Ich stehe auf Wartelisten – ich weiß gar nicht mehr auf wie vielen. Für August 2020. In Kitas, die insgesamt 25 Plätze haben. Mein Platz: 26 – es werden natürlich nicht alle Kinder der Kita nächstes Jahr eingeschult.

Und ey, AUGUST 2020! Was mache ich denn das Jahr über? Wie finanzieren Eltern das, wenn einer nicht oder nur begrenzt arbeiten kann, weil er sich um ein Kleinkind kümmern muss? Ganz abgesehen davon: JA, ich hätte wirklich gern mal wieder ERWACHSENENINPUT! Zwischen all dem Breigespucke und Gemecker wenn es was nicht gibt (auch wenn das eigentlich sehr lustig ist).

Da kommen mir die Texte der Frauen ja total entgegen, die immer was von Arbeitsteilung erzählen. Fifty Fifty! Wie stellen sich die Damen und Herren das eigentlich vor, wenn es nunmal in den meisten Familien so läuft: Er verdient den Löwenanteil, ich das Taschengeld – und nein, ich arbeite nicht Teilzeit, ich verdiene nur schlecht (warum das so ist, wäre noch einen eigenen Beitrag wert…).

Vielleicht, ja, vielleicht sollte ich dazu mal jemanden interviewen. Aber das mache ich, wenn ich einen Kitaplatz gefunden habe. Vielleicht 2020. Im August.

Nachtrag: Dieser Beitrag ist zwei Monate alt. Und ich habe einen Kitaplatz! Für Oktober! Er ist zwar nicht gleich um die Ecke, aber ich habe einen Kitaplatz. Ich möchte allen Eltern damit nur sagen: nicht aufgeben! Dranbleiben, denn manchmal klappt es ganz unvorhergesehen!

 

Kitakrise Berlin – Wie es nach der Demo 2018 weiterging.

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