„Mir hat jeder Arzt in der Kinderwunschabteilung gesagt hat, dass es unmöglich ist, auf natürlichem Wege schwanger zu werden!“
Letzte Woche habe ich einen Artikel geschrieben, der zugegeben wie ein Stich in ein Wespennest war. Kein Wunder, schließlich ist das Thema Fruchtbarkeit kein leichtes Thema, insbesondere wenn man einen Kinderwunsch hat, aber die Umstände nicht passen. Doch was viele (leider) als Panikmache verstanden haben, sollte lediglich der Anstoß sein, über eine gesellschaftliche Entwicklung zu diskutieren und vielleicht auch infrage zu stellen. Und während ich mir ein ordentlich dickes Fell bei manchen Kommentaren zulegen musste, so erreichte mir kurz danach eine Mail, die eben genau meine Intention für den unbequemen Artikel auf den Punkt gebracht hat!
Die Mail kam von Laura aus Heidelberg (Name und Stadt habe ich geändert, weil sie ihre Geschichte lieber anonym veröffentlichen wollte, als ich sie danach gefragt habe) und ist bald Mama von zwei Kindern. Sie hat das erste Kind mit einer Kinderwunschbehandlung bekommen und weiß daher genau, was ich mit den physischen und psychischen Belastungen einer solchen Behandlung gemeint habe – die, über die sich kaum jemand Gedanken macht, wenn man sie nicht selbst erlebt oder im Freundeskreis erlebt hat. Denn so wahnsinnig toll diese medizinischen Möglichkeiten auch sind, so muss man dafür auch einen gewissen Preis zahlen. Diesen bezahlt jede Frau, die am Ende ihr Kind in den Händen hält auch gerne, aber leider ist das nun mal nicht immer der Fall. Bei Laura war es zum Glück so – aber das ganz große Happy End kam jetzt einige Jahre später. Doch das müsst ihr am besten selbst lesen – denn Lauras Geschichte ist nicht nur aufklärend, sondern macht auch unfassbar viel Mut!
„Liebe Camilla,
ich bin Laura aus Heidelberg und habe eigentlich so gar nichts mit euch und eurem Berliner-Leben zu tun, außer dass ich euren Blog mit Begeisterung verfolge.
Ich habe gerade deinen Artikel „Mit über 30 ist es ein Lotteriegewinn, ohne Zutun schwanger zu werden!“ gelesen und wollte dir dafür ein Danke sagen. Denn er hat mich total an mich und meine Geschicht in Hinblick auf Nachwuchs erinnert. Aber im umgekehrten Sinne:
Ich bin 29 und habe meine erste Tochter zu Beginn meinen Masterstudiums 2015 bekommen. Eigentlich sollte ich schon längst mitten im Arbeitsleben stehen, so wie die meisten meiner Mitstudenten, mit denen ich 2012 mein Bachelorstudium der Volkswirtschaftslehre beendet habe. Aber ich brauchte nach dem Bachelorabschluss erst einmal eine Pause von der Uni. Ich habe gearbeitet und bin gereist. In der Zeit habe ich auch meinen jetzigen Mann und Papa meiner bald zwei Kinder kennengelernt und gewusst, das ist der Mann mit dem ich alt werden und Kinder haben möchte. Mein Mann ist Sommelier und bis heute sehr glücklich in seinem Beruf, sodass ein eigentlich geplantes BWL-Masterstudium in Hamburg nicht mehr in Frage kam.
Ich habe dann hier in Heidelberg angefangen VWL im Master zu studieren, war aber nach zwei Semestern so kreuzunglücklich damit, weil ich immer BWL und nicht mehr VWL studieren wollte, zu diesem Zeitpunkt gab es aber gar kein BWL hier an der Uni, sondern erst ein Jahr später. Also nutzte ich die Zeit bis der BWL-Masterstudiengang ein Jahr später auch hier in Heidelberg angeboten wurde um ein Praktikum zu machen und holte die Kurse nach, die Voraussetzung für einen Wechsel von VWL zu BWL waren.
Und ich wurde schwanger, mit meiner ersten Tochter und das nach einer Hormonbehandlung in der Kinderwunschklinik. Ich war damals 25 bzw. 26 mitten im Studium und traute mich gar nicht mit meinem Umfeld darüber zu sprechen, dass ich und mein Mann uns ein Kind wünschen und dass es bei mir leider nicht so einfach ist auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Es war damals gar unmöglich. Ich habe eine Schilddrüsenunterfunktion und dadurch werden die Hormone, die für den Eisprung notwendig sind, unzureichend produziert. Meine Ärztin sagte damals, die Verbidung zwischen meinem Gehirn und meinen Eierstöcken sei gestört. Also bin ich mit anfänglich noch 25 Jahren in die Kinderwunschambulanz der Uniklinik gegangen und verbrachte meine Zeit im Wartezimmer mit Paaren, die weit älter waren als ich und deren Anspannung man förmlich spüren musste. Ich habe mich oft gefragt, wie es ihnen wohl psychisch, mit dieser Belastung und den hohen Erwartungen schwanger zu werden, geht. Denn selbst für mich mit Ende 25 war das eine riesen Belastung. Zumal ich mich eben nicht traute mit meinem Umfeld über meine Situation zu sprechen. Ich weiß natürlich nicht, ob es wirklich so gekommen wäre, aber ich glaubte damals, dass sicher fast jeder den Kopf schütteln und mir sagen würde: „Mädchen, beende erstmal dein Studium. Geh dann arbeiten und dann kannst du über Kinder bzw. eine Hormonbehandlung nachdenken.“. Denn alle meine Freundinnen im Studium waren, egal ob mit Partner oder Single, der Meinung, dass sie doch nicht studieren um dann schnellstmöglich ein Kind zu bekommen. Erstmal was für sich und die Karriere tun und dann kann man mal über Kinder nachdenken.
Jedenfalls ging meine Behandlung in der Klinik knapp ein Jahr bevor ich schwanger wurde. Erst habe ich mich täglich mit einer Hormondosis gespritzt und als das damals nur zu unzureichendem Erfolg geführt hat, durfte ich einen sogenannten Pod ausprobieren. Bei dieser Art von Hormontherapie befestigt man einen Pod, an den Oberschenkel oder die Hüfte (hinten oder vorne) und dieser Pod ist mit einem mobilen Gerät (sieht aus wie ein Smartphone) verbunden, das dem Pod in gewissen Zeitabständen mitteilt, dass wieder eine hormonelle Injektion verabreicht werden soll. Dieser Pod muss alle 3 Tage gewchselt werden und durch diese Therapie wurde die Erfolgswahrscheinlichkeit schwanger zu werden für mich viel höher und zum Greifen nah. Nach aber 3 erfolglosen Zyklen, war ich tatsächlich so müde jede Woche in die Klinik zu fahren, Blutabnahme, Ultraschall und jedes Mal wird die Hoffnung größer, dass eine Eizelle reif ist und die ehrsehnte Schwangerschaft endlich eintritt. Die Belastung wurde für mich so hoch, dass mein Mann und ich uns dafür entschieden noch einen Zyklus abzuwarten und wenn es dann nicht klappt, dann verschieben wir es. Denn ich dachte damals, ich bin noch so jung, ich hab noch Zeit! Und tatsächlich, ich habe es nicht mehr zu hoffen gewagt, ich wurde im vermeintlich letzten Zyklus schwanger. Meine Tochter Charlotte kam im Februar 2015 zur Welt und ist ein gesundes und glückliches Kind. Und wie ich es ja damals schon erwartet hatte, die anfängliche Freude über meine Schwangerschaft hielt sich in meinem Umfeld in Grenzen. Meine Freundinnen fragten Anfangs nur: „Was ist mit dem Studium und der Karriere?“ und auch meine Eltern mussten sich kurz an den Gedanken gewöhnen, dass ich während meines Studiums mein erstes Kind bekommen würde. Doch natürlich haben sie sich auch gefreut und lieben ihr Enkelkind über alles.
Und Ende letzten Jahres haben mein Mann und ich uns entschlossen, es soll ein zweites Kind kommen, noch bevor ich mit dem Master fertig bin, finanziell kommt mein Mann für die ganze Familie auf. Also haben wir wieder einen Termin gemacht und diesmal kam das niederschmetternde Ergebnis, dass das Spermiogramm meines Mannes so schlecht sei, dass es unmöglich ist mit meiner Vorgeschichte und seinem jetzigen Ergebnis auf die gleiche Weise schwanger zu werden, wie bei Charlotte. Die einzige Möglichkeit wäre die künstliche Befruchtung ICSI, aber das war für uns damals ausgeschlossen. Ich wusste, zu diesem Schritt via ICSI schwanger zu werden bin ich bereit, aber dann tatsächlich wirklich erst wenn ich fertig mit dem Studium und gefestigt in einem Job bin. Also mussten wir uns daran gewöhnen, dass unsere Charlotte dann wohl erst eine große Schwester wird und der Abstand zu Nummer 2 fünf Jahre oder so betragen wird. Aber es war ok, weil ich immer noch im Hinterkopf hatte: „Na gut, dann bin ich dann eben 35. Passt auch noch.“ Und irgendwie hatte ich tief in mir drin die Hoffnung, dass es die Natur doch gut mit uns meint und es einfach so klappt. Dann, wenn vielleicht auch all diese Erwartungen schwanger zu werden nicht mehr so groß, oder gar weg sind. Und so kam es dann tatsächlich auch. Im Juni waren wir mit Freunden im Urlaub in der Toskana und da war mir manchmal schon etwas komisch. Durch meine erste Schwangerschaft hat sich mein Hormonhaushalt etwas normalisiert sodass ich einen zwar unregelmäßigen Zyklus hatte, aber immerhin hatte ich einen, der dann nicht die „normalen“ 28 Tage lang, sondern 40 vielleicht auch mal 50 Tage. Als wir aus dem Urlaub zurückkamen, war ich schon bei einem Zyklus von einer Länge über 50 Tage angelangt. Und machte dann einen Test zuhause. Ich machte ihn allein und habe meinem Mann vorher auch nichts gesagt. Und dann war er tatsächlich positiv. Es war irgendwie ein komisches Gefühl, denn es war ja eigentlich unmöglich. Naja ich machte dann noch 3 weitere Tests und sie waren alle positiv. Und tatsächlich bekomme ich Anfang März noch ein Baby, mein zweites und wieder ein Mädchen. Obwohl mir jeder Arzt in der Kinderwunschabteilung gesagt hat, dass es unmöglich ist.
Entschuldige, jetzt habe ich dir doch meine ganze Geschichte aufgeschrieben. Dabei wollte ich mich nur dafür bedanken, dass du einen Artikel darüber geschrieben hast, dass es eben nicht immer so einfach ist ein Kind zu bekommen. Und dass es auch immer noch nicht so angesehen wird, wenn auch Studenten oder junge Frauen Kinder bekommen. Und ich habe trotzdem die Hoffnung, dass ich dann trotz zwei Kinder einen Job finde und mich karrieretechnisch dann auch, soweit möglich, entfalten kann.
Also, Danke Camilla!“
Liebe Laura, ich danke dir sehr für Deine Geschichte! Tatsächlich bist Du nicht die erste, die mir eine solche Geschichte erzählt hat. Die Natur ist einfach unberechenbar und manchmal eben auch mit einem echten kleinen Wunder. Ich bin mir auch sicher, dass Du einen passenden Job finden wirst – auch wenn das leider nicht so einfach ist, weil immer noch viel zu viele Mütter in der wohlbekannten Teilzeitfalle landen und oft Jobs unter ihrer Qualifikation und auch ihren Ansprüchen machen. Eben weil der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht gerade familienfreundlich ist. Das ändert sich zum Glück, aber wir müssen weiterhin dafür kämpfen! Und ich wünsche mir, dass wir viel offener über das Thema Fruchtbarkeit und Kinderwunsch sprechen können. Denn ich glaube, je offener wir darüber sprechen, desto besser können wir unsere Umstände verbessern. Aber erst einmal drücke ich dir von Herzen die Daumen für den Rest der Schwangerschaft. Genieße sie in vollen Zügen! Und falls Du Lust hast, wir können wieder ein paar neue Geburtsgeschichten gebrauchen…
Fotocredit: Unsplash.com
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