Neugeboren, aber wo? Tipps zur Suche nach der richtigen KlinikMeine zweite Schwangerschaft unterscheidet sich doch mehr als ich dachte von der ersten mit Izzy. Ich feierte bereits “Bergfest” und vergesse trotz mittlerweile unverkennbarem Babybauch, dass ich überhaupt schwanger bin. Rücken und Wasser in den Beinen – ja – habe ich auch wieder, aber trotzdem bin ich viel unbekümmerter und natürlich vollen Mutes, dank meiner tollen ersten Geburt.

Entscheidungen rund um das Elternwerden 
Um mich herum (oh Wunder!) bekommen immer mehr Frauen Babys. Das liegt natürlich viel daran, dass ich durch die Kita und Mummy Mag viel mehr mit Mamas zu tun habe als noch vor 4 Jahren, aber die Statistik der Geburten schießt auch weiter ungebremst in die Höhe. Da ist es einerseits verwunderlich, dass Kreißsäle in ganz Deutschland schließen (laut Deutschem Hebammen Verband schließt seit 2014 fast jeden Monat ein Kreißsaal ganz oder vorübergehend die Türen) und dass Hebammen so sehr um ihre Existenzberechtigung kämpfen müssen.

Landkarte der Kreißsaal Unterversorgung in Deutschland

Abb. Quelle: Unsere-Hebammen.de 

Bis Mitte Mai konnten wir uns alle an verschiedensten Petitionen beteiligen und so auf die Missstände bei der Versicherung und Vergütung von Hebammen in Deutschland aufmerksam machen. Hebammenverbände und –vertreterinnen waren sich nicht einig mit den Krankenkassen und baten eine Schiedsstelle darum, eine Einigung zu finden. Beschlüsse der Schiedsstelle über die strittigen Punkte sind für alle Parteien bindend, aber die erste Sitzung am 19. Mai 2017 blieb leider ohne Ergebnis und der nächste Termin ist für den 04. Juli angesetzt, dann gehen die Verhandlungen weiter.

Beleghebammen haben viele Vorteile und einer davon ist die Entscheidung für ein geeignetes Krankenhaus. Genau genommen können Beleghebammen mit einer oder mehreren Geburtsklinik einen Belegvertrag abgeschlossen haben, oder in einem Krankenhaus mit sogenanntem Belegsystem arbeiten. Werdende Mütter können sich genau deswegen aber entspannt zurücklehnen und müssen sich nicht – wie z.B. in Großstädten üblich – mit der Frage auseinandersetzen: Wo bringe ich mein Kind zur Welt? 

Die Versorgungsstufen in der Geburtshilfe unterteilen sich in Geburtsklinik (für “gesunde” Schwangere ab der 36. SSW), Perinataler Schwerpunkt für gesunde Schwangere (Schwangere ab der 32. SSW mit nicht lebensbedrohlich erkrankten Neugeborenen) und Perinatalzentrum zur Versorgung von (Hoch-) Risikoschwangerschaften (Schwangere vor der 32. SSW oder mit zusätzlichem Risiko). Wenn das Risiko einer Frühgeburt vorliegt, übernehmen die betreuenden Ärzte die Entscheidung für die Klinik. Läuft alles wie am “Schnürchen”, steht man selber vor der Entscheidung.

Aber wie finde ich jetzt wirklich eine geeignete Klinik?
Meine erste Schwangerschaft startete holprig, denn ich hatte mit jeder Untersuchung immer schlechter werdende Werte und entschied mich in der 17. SSW für eine Fruchtwasseruntersuchung. Ich war somit die ersten zwei Trimester öfter in Arztpraxen als mir lieb war und ich konnte mir nicht vorstellen, mir demnächst jede Woche eine andere Klinik anzuschauen, so wie andere werdende Eltern das machen. Ich hörte mich bei meinen Freundinnen um, die bereits Mutter geworden waren und entschied mich dann für ein Krankenhaus, dass mir meine Freundinnen empfohlen, das als sehr fortschrittlich und unter deutschen Geburtskliniken als “exzellent” galt. Den einzigen Info-Abend den wir dann schließlich besuchten, war der in empfohlenen Krankenhaus. Dort lauschten wir dem Chefarzt der Geburtsstation und konnten sofort nachvollziehen, warum das Auditorium restlos voll war, werdende Mütter sich sogar auf Fensterbänke quetschten, um dabei sein zu können und warum die Klinik so beliebt war. Der Chefarzt hat ein wahres Talent darin, sich sicher und gut aufgehoben zu fühlen, sparte aber gleichzeitig nicht mit Erwartungen an werdende Eltern und packte uns nicht in eine wattebauschene Illusion.

Vor vier Jahren war die Klinik bereits diejenige mit den meisten Geburten Deutschlands und diese Position strebten sie auch im laufenden und im Jahr darauf an.
Meine Geburt dort war dann auch wirklich reibungslos und so wurde ich plötzlich selber zum Multiplikator und empfahl meinen liebsten Freundinnen, dort ihre Babys zu bekommen. Scheinbar ist das aber nicht mehr der beste Ratschlag, denn das streben nach Quantität, scheint die Qualität der Geburten arg zu beeinflussen (und nicht zum besseren). Liest man sich die Google-Bewertungen der letzten 12 Monate zur Geburtshilfe durch, variieren die Rezensionen stark. Zwischen einem und fünf Sternen ist alles immer wieder dabei und pendelt sich bei einer mittleren Bewertung von 3 Sternen ein. Vor vier Jahren waren die Bewertungen wesentlich besser und das macht mich wirklich traurig, denn das Gebären ist so einschneidend für Physis und Psyche dass alle von außen beeinflussbaren Faktoren doch so gut wie möglich gegeben sein sollten?!

Aber klar, 7 Kreißsäle bleiben 7 Kreißsäle auch wenn aus 3.500 Schwangeren im Jahr plötzlich 4.500 Schwangere oder mehr werden. Und jede Geburt braucht ihre Zeit, nicht jede ist so flott wie die von Quinn (:-), sprich Krankenhäuser können nicht darauf spekulieren, dass eine Frau nach 6,5 Stunden das Baby zur Welt bringt. Regelrecht mafiöse Theorien kursieren darüber, dass Krankenhäuser da so ihre Taktiken haben, ob sie Frauen dann unter Medikamente, Lachgas, auf Spaziergänge oder wieder nach Hause schicken. Eine geplatzte Fruchtblase oder z.B. die Weite des geöffneten Muttermundes entscheiden, ob man aufgenommen wird oder nicht. Gibt es Komplikationen und man ruft den Notarzt, bringt der einen in das am nahegelegenste Krankenhaus, nicht in das Wunsch-Krankenhaus. Gleiches gilt für Geburtshäuser – kommt es da zu Komplikationen, geht es auch zum Krankenhaus, das am nächsten ist. Ist ein Krankenhaus überbelegt, kann es sich aus der sogenannten Meldekette austragen und wird dann nicht mehr vom Notarztwagen angesteuert bzw. nimmt dann auch nicht mehr auf, wenn man selber kommt.

Diese Faktoren können bei der Entscheidung helfen!
All diese Tatsachen sollen aber bitte keine Angst machen, sondern euch durch den Dschungel der Fragezeichen einer ersten Schwangerschaft führen und dafür sensibilisieren, dass die Entscheidung für eine Klinik – wenn es denn überhaupt mehrere zur Auswahl gibt – vorab überlegt sein sollte. Dafür gibt es bestimmte Faktoren, die euch bei der Entscheidung helfen können und die ihr berücksichtigen solltet:

  • Möchte ich in einer Klinik oder in einem Geburtshaus gebären?
  • Wieviel Kreißsäle gibt es auf der Entbindungsstation der Klinik? Und wie sind diese ausgestattet (z.B. mit Geburtswanne, Geburtshocker, Bett, Geräte zur Entspannung wie Seile oder Sitzbälle, etc.)?
  • Gibt es eine Neonatologie im Haus, eine Station für die Neugeborenenversorgung, falls sofort nach der Geburt medizinische Hilfe für mein Baby nötig sein sollte? Und wenn es keine gibt, wie werden Notfälle dann behandelt?
  • Welche Klinik liegt am nächsten bei meinem Wohnort/Adresse (im Falle eines Notfalls würde ich dort hingebracht werden)?
  • Interessiert mich die Wöchnerinnenstation, z.B. ob es Einzel- und Familien-Zimmer gibt oder ob die Klinik-Küche vegetarische Ernährung unterstützt?
  • Wie wichtig ist mir die Philosophie der Klinik: “Baby First” oder “Mama First”, wenn es zu Komplikationen bei der Geburt kommen sollte?
  • Unterstützt die Klinik aktiv das Stillen-Lernen z.B. durch Stillberatung?
  • Wie geht die Klinik mit Schmerzmanagement um? Welche schmerzstillenden Maßnahmen werden verwendet?
  • Wie werden mein Baby und ich im Falle eines Kaiserschnitts versorgt?

Die meisten Geburtskliniken halten regelmäßig Infoabende, bei denen Sie das Team und dessen Arbeit vorstellen. Werdende Eltern erhalten einen Einblick in die Geburtsvorbereitung, die Entbindungsmöglichkeiten in den Kreißsälen, die Wochenbettstation und Angebote darüber hinaus. Bei manchen Krankenhäusern muss man sich dafür anmelden und bei wieder anderen, kann man sich sogar die Kreißsäle zeigen lassen. Wenn es nicht erklärt wird, sollte man sich auf alle Fälle rückversichern, wie und wo die Aufnahme erfolgt. Manche Kliniken wünschen sich, dass man sich bereits nach der Hälfte der Schwangerschaft in der Klinik anmeldet, sprich nach der 20. SSW. Wieder andere Kliniken bieten mit der Anmeldung die Schwangerenberatung, zur Abstimmung des bisherigen Schwangerschaftsverlaufs und es gibt den werdenden Eltern die Gelegenheit, organisatorische Fragen, persönliche Wünsche und Anregungen oder Bedenken zu besprechen. Ob ein Krankenhaus besagte Leistungen anbietet, müsst ihr aber tatsächlich individuell klären.

Die WHO und UNICEF starteten 1991 das internationale Programm »Babyfriendly Hospital Initiative«. Dessen Ziel ist es, die erste Lebensphase eines Neugeborenen ganz besonders zu schützen und die Bindung zwischen Eltern und Kind sowie das Stillen zu fördern. Weltweit zeichnet die Initiative Geburtskliniken aus, die einen hohen Betreuungsstandard nachweisen. Diese Kliniken dürfen sich „babyfreundliches Krankenhaus“ nennen und erhalten ein entsprechendes Zertifikat der beiden Organisationen. Das Gütesiegel steht für kontrollierte Betreuungsqualität in Geburtshilfe und Kinderkliniken. Für werdende Eltern ist es eine wertvolle Orientierungshilfe bei der Auswahl der geeigneten Geburtsklinik.

Und noch ein letzter Hinweis: der Deutsche Hebammen Verband erhebt Studien darüber ob Kliniken ihr Wort halten und bieten HIER einen Mini-Fragebogen zum Download der die Frage stellt: „Wenn ich mir diese Klinik aussuche, kann ich mich dann darauf verlassen, dass immer, wenn ich eine Hebamme brauche, auch eine Zeit für mich hat?“ Nach der Geburt bittet der Verband um erneutes Feedback, ob die Klinik sich tatsächlich wie versprochen verhalten hat. Die Ergebnisse helfen einem selber dann vielleicht nicht mehr, aber dafür anderen werdenden Eltern bei der Entscheidung nach der “richtigen” Klinik.

Nach Janine und Camilla bekomme ich unser zweites Baby auch mit Sissi zusammen und als Beleghebamme ist die Wahl auf das Krankenhaus bereits gefallen…
Euch wünschen wir aber alles Gute für die Suche nach eurem “richtigen” Krankenhaus.

 

Foto: www.pexels.com