Parental Burnout: Care-Arbeit zwischen Fürsorge und Selbstaufgabe

Inzwischen weiß man, dass vor allem soziale, pflegende und Care-Arbeit ausübende Berufsgruppen und Personen gefährdet sind, in einen Burnout zu geraten. Dazu gehören auch Eltern. Der Parental-Burnout findet inzwischen immer mehr Akzeptanz.
Unsere Autorin Lisa wäre im vergangenen Winter selbst fast in den Parental Burnout gerutscht.
Woran man ihn erkennt, wie man auch im Familienalltag präventiv handeln kann und warum eine Onlinetherapie hier sehr hilfreich sein kann, damit hat sie mit der Psychologischen Psychotherapeutin Annika Haffke von HelloBetter gesprochen.

Es ist kurz nach 17 Uhr und ich sitze mit meinen beiden Töchtern im Wohnzimmer. Während die 3-Jährige seit fünf Minuten endlich konzentriert ein Einhornbild ausmalt, schleudert mir meine Einjährige empörte Befehle entgegen. Schreiend natürlich. Außer „Das!“ und „Nein!“ hat ihr aktueller Wortschatz nämlich leider noch nicht viel zu bieten. Die logische Konsequenz daraus ist, dass ich sehr oft nicht sofort weiß, wonach der Kleinen der Sinn steht. Und mit jeder Sekunde, die ich nach ihrer Aufforderung zögere, wird meine Tochter wütender.

Gerade hat sie sich wieder in Rage geschimpft, weil ich sie komischerweise nicht mit einer Bastelschere spielen lassen möchte, als meine ältere Tochter neben mir steht. „Mama … malst du mir ein Einhorn? Und ich will auf deinen Schoß.“

Ich merke, wie sich ein Schaudern in mir auskippt. Mein ganzer Körper scheint zu vibrieren, in meinen Ohren rauscht es leise und alles, was ich in diesem Moment denken kann, ist: „Ich habe keine Lust mehr!“

Spoiler: Ich habe an diesem Nachmittag natürlich noch Einhörner gemalt. Ich habe ein kleines Tanzprogramm veranstaltet, versucht, Wünsche von Kinderaugen abzulesen, bevor der Geduldsfaden reißt. Ich habe vermittelt und getröstet, geschimpft und versucht, Essen zu kochen, während schreiend an meiner Hose gezogen wurde. Ich habe den Tisch gedeckt, gefüttert und Zahnbürsten um Kinderhände manövriert.

Ich habe geschrien, dass jetzt Ruhe ist, als alle mir zu laut geschrien haben. Ich war mir der Ironie der Situation bewusst – aber es war mir egal.

Ich habe gebadet, gecremt, vorgelesen, nein, nicht noch ein Buch! Und bin um 21 Uhr endlich auf die Couch gefallen. Allein, im Dunkeln, überreizt und übermüdet.

15-Stunden-Schichten, jeden Tag, drei Wochen lang

Seit fast drei Wochen ist das das Nachmittags- und Abendprogramm eines Tages, der zwischen sechs und sieben Uhr morgens startet und einer Nacht folgt, in deren Verlauf ich drei- bis viermal eines der beiden Kinder trösten oder mit einem neuen Schnuller versorgen muss. Mein Freund ist beruflich auf Reisen, weshalb ich fast jede dieser 15-Stunden-Schichten allein bestreiten muss.

Die Tatsache, dass es Winter ist, sehr kalt und um 15 Uhr schon stockfinster macht die ganze Chose nicht einfacher. Klar, ich verabrede mich für Playdates, gerade am Wochenende, wo ich nicht eine Sekunde verschnaufen kann. Auch haben wir das unfassbare Glück, dass Oma in Berlin wohnt und hier und da unterstützt. Aber den Löwenanteil der Betreuung bestreite ich in dieser Zeit allein und es gibt Abende, da frage ich mich ernsthaft, woher ich noch die Energie für einen weiteren Tag nehmen soll.

Denn meine eigenen To-dos bleiben ja nicht liegen und machen Pause. Im Gegenteil. Inzwischen hat sich ein Berg an unerledigten Aufgaben aufgetürmt, der mir mit der Masse des Himalayas im Nacken hängt und zusätzlichen Druck ausübt.
Meine Ohren piepsen oft, wenn ich mich dann im dunklen Zimmer von der Couch erhebe, mir einen Podcast ins Ohr schiebe und wenigstens den Haushalt erledige. Immerhin: in mir herrscht das Chaos, aber die Wohnung sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Ich brauche diese Ordnung als Gegengewicht zum Chaos in meinem Kopf. Dafür nehme ich es in Kauf, dass um 23 Uhr Wäsche aufhänge und die Küche putze. Trotzdem merke ich: Lange geht es nicht mehr gut.
Burnout oder Erschöpfung – Wo ziehen wir als Eltern die Grenze?

Viele von euch haben beim Lesen bestimmt genickt. Weil alle Eltern diese Phasen kennen, in denen der absolute Krisenmodus angesagt ist. In denen das Wort Vereinbarkeit wie ein schlechter Scherz wirkt. Besonders Alleinerziehende und pflegende Eltern. Aber auch Mütter und Väter, bei denen die Vereinbarkeit von Care- und Lohnarbeit auf Kante genäht ist und bei der kleinsten Abweichung auf Kipp steht. Eltern, die merken, dass sie sich dieses Konstrukt Kinderhaben bzw. Elternsein so ganz anders vorgestellt haben, als die Realität es dann zulässt. Mütter und Väter, die merken, dass sie plötzlich niemandem mehr gerecht werden, weder sich selbst noch ihren Kindern, und die es einfach nicht schaffen, diesen Missstand wieder geradezurücken. So sehr sie sich auch anstrengen. Diese Eltern laufen Gefahr einen Eltern-Burnout zu erleiden. Dabei muss es noch nicht mal nur daran liegen, dass man unfassbar viel zu tun hätte. Auch das immer wiederkehrende Gefühl von Unzulänglichkeit und die besagte Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit der Elternrolle können einen Eltern-Burnout verursachen.

Nur, woran merkt man, ob es schon der Burnout ist oder „nur“ die Erschöpfung nach einem anstrengenden Tag. Wo findet man als Eltern Hilfe und Entlastung, wenn man kein Dorf um sich hat? Und wie schaffen wir es überhaupt, uns zu glauben? Das alles habe ich Annika Haffke von HelloBetter gefragt. Das ganze Interview findet ihr hier.

HelloBetter bietet Onlinetherapie auf Rezept und hilft Betroffenen Schritt für Schritt dabei, schnell und niedrigschwellig psychische Hilfe zu erhalten. Einen (Psycho-)Therapieplatz zu finden ist derzeit schon eine Herausforderung für sich. Als Eltern überhaupt die Zeit für die Suche nach einem Platz und den Gang zur Therapie zu finden, wird für manche zu einem unmöglichen Vorhaben. Lösungen, die uns erlauben schnell ins Handeln zu kommen, sind hier Gold wert.

POST COMMENT

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.