Susann Hoffmann
über Arbeiten mit Baby und Ungerechtigkeiten beim Elterngeld
Ich habe eine Bindungsschwäche. Genauer, eine Verbindungsschwäche. Damit meine ich nicht den Fakt, dass ich mir Namen und Gesichter schlecht merken kann, nein ich bringe manche Menschen nicht mit dem Elternsein zusammen. Sandkastenlieben oder Schulfreunde zum Beispiel, habe ich einfach nicht als „Eltern“ abgespeichert. Bei Susann Hoffmann von Edition F geht es mir genau so, auch wenn ich sie, ihren Freund Waldemar und Sohn Caspar erst vor kurzem kennen gelernt habe. Gerade weil es mit ihrer Medienplattform für Frauen seit Gründung knackig bergauf ging und Susann in der Öffentlichkeit hauptsächlich dazu spricht, verkörpert diese zauberhafte Frau Business für mich, nicht Babyballaballa. Grund genug, der erfolgreichen Unternehmerin mal letzteres aus der Nase zu ziehen. Und sie zu fragen, was alle gerne wissen wollen: Wie macht sie das mit Kind und Job?!
Liebe Susann, wir würden dich gerne besser kennen lernen. Wie warst du so als Kind?
Ich war wahnsinnig schüchtern. Und hatte einen großen Sinn für Gerechtigkeit. Zwei Eigenschaften, die mich bis heute begleiten, auch wenn ich die Schüchternheit heute deutlich weniger nach außen zeige. Ich war so ein Kind, dass sich hinter der Mama versteckt hat. Aber auf der anderen Seite im Leistungssport – Geräteturnen – dann vor Publikum stand und einen Wettkampf nach dem anderen absolvierte. Ich war aber auch sehr fröhlich und unbeschwert, wahrscheinlich weil meine Eltern mir eine wirklich tolle Kindheit beschert haben. Ich wurde geliebt, wir haben viel Zeit miteinander verbracht, ich hatte nie das Gefühl von Unsicherheit und ich war in vielen Dingen gleichberechtigt. Meine Stimme zählte zum Beispiel genauso viel wie die meiner Mama und meines Papas, wenn es darum ging zu entscheiden, wohin der Urlaub geht oder was wir essen. Also Themen, mit denen man als Kind halt was anfangen kann.
Wir hatten hier neulich eine Diskussion über Geschenke und Spielzeug. Womit hast du dich am liebsten beschäftigt?
Sehr viel Spielzeug hatte ich eigentlich nicht. Aber ich erinnere ich an einen blauen LKW. Meine Mama sagt allerdings, für mich waren Töpfe und Kochlöffel als kleines Drumset oder knisternde Tüten der absolute Renner.
Und was hat Teenager Susann so alles verbrochen?
Verbrochen eigentlich nichts. Diese krasse Pubertätsphase, in der man gegen alles rebelliert hatte ich nicht so. Meine Eltern haben mir sehr vertraut und so hatte ich immer super viel Freiräume. Ich bin mit 14 schon ausgegangen, war auch abends lange im Theater. Ich glaube, ich habe die Grenzen nicht so gespürt, deshalb musste ich sie auch nicht mit Gewalt verschieben. Die frühere beste Freundin meiner Mutter war Künstlerin. Mit ihr habe ich gemalt oder saß stundenlang dabei, wenn sie neue Bilder malte. Und es zog mich in die künstlerische Welt – um genau zu sein ins Theater. Erst als Zuschauer, dann bald auf die Bühne des Thalia Theaters in Halle.
Du wolltest eigentlich Theaterpädagogin werden. Was hat dich davon abgehalten?
Das Theater hat meine Jugendzeit wirklich sehr geprägt. Schauspieler, Regisseure, Bühnenleute sind ja ein eigenes Volk – das hat mich damals sehr beeindruckt. Ich habe in der Zeit viel gelesen und kam mir so intellektuell vor. Oh man. Aber die Bühne war nicht unbedingt der Ort, auf der ich mich heimisch fühlte, es war er das Theater selbst. Andere aus meinem Jugendklub gingen an die Schauspielschule, ich wollte eher meine Erfahrung mit dem Theater an Jugendliche weitergeben. Denn die Zeit hat mich wachsen lassen. Gleichzeitig wird das Theater oft als elitär wahrgenommen. Theaterpädagogen sind Brückenbauer zwischen Theater und Publikum – das wollte ich machen. Vielleicht, weil ich aus einer Lehrerdynastie komme? Jedenfalls bin ich mit 18 nach München zum Studium (Theaterwissenschaft & Germanistik) und hab dann schnell gemerkt, das mir das Theater als Welt zu klein ist. Da traf es sich gut, dass der Aufbaustudiengang Theaterpädagogik abgeschafft wurde, als ich im zweiten Semester war und ich bin in die PR und Redaktion gegangen, wo ich später dann auch Nora kennengelernt habe.
Apropos, wie hat deine Sparringspartnerin Nora auf die Baby News reagiert?
Meine Schwangerschaft war zwar geplant, dass es allerdings gleich beim ersten Anlauf klappen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Als ich dann schwanger war, hatte ich es im Gefühl Bereits in der dritten Woche oder so. Ich sollte geröntgt werden und dachte, hmmm, da habe ich einen Test gemacht. Vor Ausbleiben der Periode. Nora habe ich es in der 5ten Woche gesagt, als ich es vom Arzt erfahren hatte. Ich glaube sie hatte zwei starke Gefühle in sich: große Freude und große Sorge, was das fürs Business bedeutet.
Und, was hat sich für dich im Job geändert seit Caspar da ist?
Ich arbeite deutlich strategischer und weniger operativ – ehrlich gesagt liegt mir das aber eh auch viel mehr. Der Job ist aber noch omnipräsenter: Denn jetzt ist nicht nur das Büro Hauptarbeitsplatz, sondern jeder Ort. Zu Hause, Cafés, etc. – ich arbeite außerhalb der Bürozeit, wo es gerade passt, auch wenn Caspar da ist und z.B. mal schläft.
Und ich bin auch weniger Stunden im Büro – das war für alle eine Umstellung. Aber ich glaube, dass auch allen bewusst ist, dass ich trotzdem erreichbar bin und genauso drin stecke. Am Ende ist der Erfolg des anderen arbeitens von der Kommunikation abhängig – Nora und ich arbeiten auch daran immer wieder. Manchmal versteht man sich miss – sie will unterstützen, ich fühle mich unwichtig dadurch. Denn ich musste die Rolle als Teilzeit-GF erst lernen. Die Ansprüche an mich selbst sind aber nicht kleiner geworden. Ich glaube aber, dass der neue Weg auch eine Chance für uns ist, als Arbeitgeber zu wachsen und der Kultur im Team auch neue Impulse zu geben.
Für Waldemar ist es natürlich auch so: Teilzeit fühlte sich erstmal komisch an. Aber am Ende folgt man der inneren Stimme und die sagt halt: Baby first.
Wie viele Daddys in deinem Umfeld nehmen 7 Monate oder mehr Elternzeit? Wie habt ihr euch das aufgeteilt? Und wann habt ihr diese Aufteilung festgelegt?
Zwei unserer besten Freunden hatten mehr Väter- als Müttermonate in der Elternzeit. Das ging beruflich nicht anders. Wir teilen uns zeitlich 50:50 auf – auch, wenn das in der Realität dann doch oft ein 60:40 oder auch mal 70:30 wird. Mir war schon vor der Schwangerschaft wichtig: Wir machen das zusammen und zu gleichen Teilen. Wir sind beide Unternehmer, unser Herz schlägt auch fürs Startup-Baby und kein Job ist wichtiger als der andere.
Das Elterngeld wird 2017 bereits 10 Jahre alt. Wie denkst du über diese Maßnahme? Erfüllt sie ihren Zweck?
Elterngeld finde ich grundsätzlich super. Es hat allerdings seine Tücken. Denn am Ende ist es ein Geld für Besserverdiener. Wer wenig verdient, muss schnell wieder arbeiten, denn mit 60% kommt man nicht über die Runden. Wer einfach wieder arbeiten möchte – z.B. nach 6 Monaten – der braucht Geld für die Betreuung. Aber die Abzüge des Elterngeldes wegen des zusätzlichen Verdienstes machen das nicht möglich. Außerdem ist die gehaltsabhängige Auszahlung immer wieder der Grund dafür, dass Männer nicht zu Hause bleiben und damit keine gleichberechtigte Erziehungsrolle im ersten Jahr einnehmen.
Was könnte man also in Sachen Elterngeld ändern?
Also meine Idealvorstellung wäre ein Mindestsatz des Elterngeldes, der sollte eigentlich beim Mindestlohn für 40 Stunden liegen – derzeit liegt der bei 300 Euro. Gegebenenfalls gibt es dann Aufschlag, der vom Gehalt abhängt. Außerdem sollte das Geld zweckgebunden für die Kindererziehung auch bei vorzeitigem Wiedereinstieg zur Verfügung stehen – denn Kinderbetreuung kostet im ersten Jahr Geld. Diese Kosten sollten gedeckt werden davon.
Wie informierst du dich über Eltern- und Babystuff?
Also wenn ich ne spezielle Frage habe, schreibe ich heute noch meiner lieben Hebamme, die inzwischen eher eine Freundin ist, aber die einfach wahnsinnig viel weiß, gute Tipps parat hat und aus Panik schnell wieder Entspannung werden lässt. Ansonsten lese ich gern Mama Blogs oder Magazine wie MummyMag, Haupstadtmutti oder Little Years. Aber ich mag auch die Elternkolumne von unserer EDITION F Redakteurin Lisa. Die ist Mama von drei Kindern, hat schon alles erlebt und schreibt so, dass ich mir regelmäßig den Bauch vor lachen halte. Vielleicht auch, weil ich dazu ihre subtil ironische Stimme im Ohr habe.
Welcher Artikel rund ums Elternsein hat bei euch am besten geklickt?
Das musste ich nachschauen. Interessanter Weise dieser hier. Gefolgt von einem Beitrag über Elternzeit und was man vor dem Kinderkriegen wissen sollte.
Die größte Schusseligkeit, die aufgrund von Schlafmangel/Unkonzentriertheit passiert ist?
Handy zu Hause liegen lassen und einen dringenden Termin haben. Schlechte Kombi, passiert aber.
Ein Moment, in dem dir alles egal war – außer der Geburt.
Den einen Moment gibt es nicht, aber wenn Caspar raus muss, geht es raus – egal, ob’s in der Wohnung gerade scheiße aussieht, ich ungeschminkt und in Jogginghose bin. Dann ich mir Caspars Wohl wichtiger als meine Eitelkeit oder der Aufräumwahn.
Wollt ihr mit Baby noch zusammen verreisen?
Kleine Urlaube machen wir immer wieder. Aber eine längere Reise ist schon auch in unseren Köpfen. Leider wird das erst nächstes Jahr was mit der längeren Pause – jetzt heißt es: Vorfreude.
Wann soll Caspar in die Kita kommen? Wie habt ihr eine gefunden?
Wir haben aktuell einen privaten Kitaplatz – obwohl ich als Ostkind nix gegen die staatlichen habe. Vielleicht kommt da noch was, aber bisher stehen wir nur auf Listen und haben noch keinen ‚Sie haben den Platz‘ Anruf bekommen. Tja.
Zu welchen Anlässen nutzt ihr einen Babysitter?
Die einzigen Babysitter sind derzeit meine Eltern. Die machen das super und wir können mal schlafen oder Essen gehen. Mit 6 Monaten fühle ich mich mit Babysitter noch nicht so wohl.
Auf einer Skala von 1-10 wie gut lassen sich Baby und Business Alltag für dich vereinen?
Für uns klappt es gut. Wir sind aber auch beide Unternehmer und unsere eigenen Chefs. Und: Unsere Mitgründer und Teams tragen das mit. Babies im Office, Babies im Meeting, früher nach Hause, später im Büro oder Konzepte am Wochenende – das geht, weil wir es uns so einrichten konnten und ich das Gefühl habe, der Output ist gut. Als Angestellte hätte ich wahrscheinlich traditioneller gehandelt und wäre eine Weile komplett zu Hause.
Vielen Dank, Susann, dass du deine Ansichten so konstruktiv und unverblümt mit uns teilst.
Die tollen Fotos von Susann und ihrer kleinen Familie hat übrigens Lina Grün gemacht.
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