Hypnobirthing, ein Begriff unter dem sich viele von uns nicht wirklich etwas vorstellen können. Heute bringt Linda von „the urban nature“ Licht ins Dunkel. Sie erzählt von ihrer dritten, selbstbestimmten Hausgeburt in Selbsthypnose, darüber, warum zwei Hebammen notwendig sind und welche Optionen es bei einer Hausgeburt für die älteren Geschwister gibt…

Es ist der 1. Februar, ich werde wach mit leichten Wehen – doch in dieser dritten Schwangerschaft hatte ich bereits zwei Mal welche, die mich haben vermuten lassen, es könne losgehen. Außerdem bin ich krank – genau wie meine Hebamme – und so haben wir beschlossen, dass es nicht losgeht, bevor wir wieder fit sind.

Also denke ich mir erstmal nicht viel dabei, willige ein, dass Denis unsere Tochter, die etwas krank ist, bei mir lassen kann, während er unseren Sohn zur Kita bringt und dann noch Einkäufe erledigen will. Ich habe für diesen Vormittag einen Termin zur Massage, auf den ich mich sehr freue, besonders da ich die zweite Nacht in Folge im Sitzen geschlafen habe, weil ich aufgrund der Erkältung im Liegen ganz schlecht atmen konnte. Mehr als nötig also.

Ich liege mit meiner fiebrigen Tochter im Bett, spüre nach und gehe gedanklich meine Tramfahrt bis zur Massage durch und komme zu dem Entschluss, dass ich das mit diesem Ziehen im Rücken keinesfalls schaffen werde. Ich rufe die Hebamme, bei der ich den Termin hatte, an und sage die Massage ab mit den Worten, dass womöglich die Geburt beginnt. Wie bei Kind Nummer eins und zwei auch, soll es eine Hausgeburt werden. In Selbsthypnose.

Das passiert beim Hypnobirthing


Beim Hypnobirthing wird mit verschiedenen Atemtechniken, Entspannung und Visualisierung gearbeitet, das sind die drei Grundpfeiler. Hypnobirthing bedeutet nicht, dass man unter der Geburt keine Schmerzen hat, aber man nimmt sie anders wahr. Außerdem sehr wichtig ist das Stärken der Rolle jener Person, die die gebärende Frau zur Geburt begleiten wird.

Hypnobirthing ist überall möglich. Auch in den Kursen spiegeln sich die allgemeinen Zahlen zu Geburtsorten wider – die meisten, die einen Kurs bei mir besuchen, gehen in die Klinik.

Als Voraussetzung braucht es den Willen, sich auf die bevorstehende Geburt vorzubereiten. Im Verlauf des Kurses dann die Bereitschaft und Zeit, das Erlernte auch zu üben. Ich sage gern, dass ich in den Kursen einen Werkzeugkoffer an die Hand gebe, die Paare müssen lernen mit dem Handwerkszeug umzugehen, um es dann anwenden zu können. 

Ich rufe auch Melanie (die Krankheitsvertretung meiner Hebamme) an, um ihr zu sagen, dass es eventuell heute losgeht, dass noch alles ok ist, aber ich schon einmal vorwarnen wollte, da die vorherige Geburt so schnell ging, dass es für meine Hebamme sehr knapp wurde. Sie entscheidet, mal vorbeizuschauen, um die Situation zu begutachten. Ich rufe also auch Denis an und bitte ihn, den Einkauf sein zu lassen und nach Hause zu kommen.

Als er da ist, beginnt er zu telefonieren, damit unsere Tochter abgeholt wird und ich gehe unter die Dusche, um mich frisch zu machen. Ich habe zwischendurch noch die verrückte Idee, mir die Haare zu rasieren und mich zu schminken, doch irgendwie ist mir nach der Dusche dann doch mehr danach, schnell aufs Sofa zu kommen.

Inzwischen ist Melanie da und wir begrüßen einander, vermuten, dass wir uns irgendwann schon einmal gesehen haben und ohne dass sie mich untersucht oder ich stöhnend vor ihr gestanden hätte, sagt sie „Ja, das ist Geburt“.

Wir unterhalten uns eine Weile und entscheiden gemeinsam, dass es ok ist, wenn sie noch einmal kurz losfährt, um die Pumpe zu holen, die fürs Ablassen des Wassers aus dem Pool nach der Geburt nötig sein wird. Sie rät mir, auch meiner Freundin, die die Geburt fotografisch begleiten soll, ruhig schon Bescheid zu geben.

Während ich mit Tee auf dem Sofa sitze, organisiert Denis unsere Tochter weg und meine Freundin her, macht die letzten Handgriffe am Pool und ich schaue zu, bin in völliger Ruhe und kann mir so gar nicht vorstellen, dass ich schon in wenigen Stunden unser Kind im Arm halten soll. Aber das konnte ich bisher nie. Und bei unserem zweiten Kind war das so schnell der Fall, dass wir es nicht einmal schafften, den Pool mit Wasser zu füllen.

Meine Freundin trifft ein und kurz darauf ist auch Melanie zurück. Alles ist gelassen und entspannt und sie sagt mir, dass ich, sollte ich den Pool wollen, ruhig mal reinsteigen sollte, da ich mich bestimmt bald nicht mehr werde wegbewegen wollen von da, wo ich bin. Ich steige also – immer noch ungläubig darüber, dass es nicht noch ewig dauern soll – in den Pool.

Dort trinke ich Tee, lutsche Salbeibonbons, lasse mir Schokotoast bringen (was mein leidenschaftlicher Schwangerschaftsgenuss war) und muss immer wieder an Minzöl riechen, um meine Nase frei zu bekommen. Währenddessen wird in der Küche Kaffee gekocht, zwischen meiner Freundin und Denis finden ganz alltägliche Gespräche statt, die zweite Hebamme, Judith, trifft ein und alles ist einfach herrlich unaufgeregt.

Wie bei den vorherigen Geburten fällt mir auch bei dieser wieder auf, wie klar es ist: hier habe ich das Hausrecht, hier geht es um mich, es gibt nichts, das über mich hinweg entschieden wird oder das nicht in meinem Sinne geschieht. Genau das ist es, was mir das sichere Gefühl gibt, das ich brauche, um mich fallen zu lassen, um so zu gebären wie es mir entspricht.

Die Vorhänge sind zugezogen, das Licht dämmrig, wir reden und immer wieder gibt es Gesprächspausen, in denen ich die Augen schließe und meine Wehen veratme. Sie werden mit der Zeit intensiver und ich werde in mich gekehrter, drehe mich vom offenen Raum weg in die andere Richtung und irgendwann bemerke ich, wie Denis hinter mir in den Pool steigt.

Ich weiß noch, wie ich mich gewundert habe, dass er einfach so, ohne dass wir darüber sprachen, zu mir stieg. Das war zwar völlig ok – so hatten wir es vor – doch es schien mir so untypisch, dass er nicht fragte. Später darauf angesprochen, sagte er mir, er sei der Meinung gewesen, ich hätte gesagt, er solle nun kommen… ir werden es nie erfahren.

Warum zwei Hebammen bei einer Hausgeburt

 

Bei Hausgeburten ist in der Regel bei der letzten Phase der Geburt noch eine zweite Hebamme anwesend. Das ist ein Sicherheitsaspekt. Bei sehr langen Geburten ist es einfach sinnvoll, wenn jemand mit frischem Blick dazu kommt. Ein zusätzliches Paar Hände sind hilfreich, z.b. wenn die Mutter Verletzungen hat, die versorgt werden müssen – dann ist es gut, wenn zeitgleich jemand auch das Baby versorgen kann.

„Das habe ich verdammt nochmal gerockt. So wie jede Frau, die ihr Kind – auf egal welchem Wege – zur Welt bringt, es verdammt nochmal rockt und einfach Großartiges leistet.“

Linda

Zwischendurch werden immer mal, nach meinem Ok dazu, die Herztöne mittels Dopton abgehört, ansonsten passiert von außen nicht viel. Auf den Impuls von Melanie fühle ich selbst einmal zwischen meinen Beinen und bin unsicher, was ich dort ertaste. Auf meine Bitte hin tastet auch sie und sagt mir, dass es der Kopf sei, den wir da schon erreichen können.

Alles ist im Fluss, ich ziehe mich, wie auch die Male zuvor, in mich zurück und bin dadurch an dem perfekten Ort für die Geburt. Ich werde lauter, es wird intensiver, Denis beginnt mit mir gemeinsam zu atmen, wofür er sich ein „Lass das!“ einfängt und auch das ist ein Zeichen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Wenn nach außen nicht mehr als knappe Ansagen kommen, wenn ich raus aus meinem Kopf und völlig in meinem Körper bin, dann bin ich richtig. Aus diesem Grund kann ich auch keinerlei Angaben zu den zeitlichen Verläufen machen, ich weiß es einfach nicht.

Irgendwann bekomme ich das Gefühl, schieben zu müssen und beginne damit. Der Druck ist unwahrscheinlich hoch und tatsächlich gibt es diesen Moment, in dem ich denke „Was da raus will, ist zu groß für den Weg, den es nimmt“. Melanie sagt einmal zwischen zwei Wehen „Und jetzt entspannen!“

Was ich will, ist schieben, mein Kind so schnell wie möglich aus mir heraus zu befördern, um diesen Druck loszuwerden. Entspannen scheint unmöglich, das denke ich in der einen Sekunde, doch in der nächsten weiß ich „Das kann ich!“ und es ist eine wunderbare Erfahrung, dass ich es tatsächlich kann. Ich fühle in diesen Bereich, in dem ich die Spannung spüre, ich nehme den Druck raus, höre auf zu schieben und entspanne. Tatsächlich.

Die Anwesenheit der großen Geschwister


Das war sowohl bei der zweiten als auch der dritten Geburt ein Thema. Mein Ältester war drei als seine erste Schwester geboren wurde und er wollte sehr gern dabei sein. Ich habe viel mit ihm darüber gesprochen, erklärt, habe ein Buch über Hausgeburten für Geschwisterkinder besorgt und habe ihm schöne Videos von Hausgeburten gezeigt. Klar war für mich im Vorfeld, dass wir auch eine weitere Person dabei haben werden, wenn mein Sohn anwesend ist, die nur für ihn da ist und gegebenenfalls mit ihm auch den Raum/die Wohnung verlassen kann. Ebenfalls klar war, dass die endgültige Entscheidung bei mir liegt und ich sie situativ treffe.

Letztendlich hatte ich dann ein so großes Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug, dass er von meiner Schwester abgeholt wurde als es losging.

Zur dritten Geburt war für den Großen klar, dass er nicht dabei sein möchte und für die Kleine habe ich es mir auch offen gehalten und wieder gleich entschieden – ich wollte Ruhe.

Was ich heute in nahezu jeder Schwangerenyoga-Stunde sage, habe ich umgesetzt und es war wahnsinnig hilfreich. Ich weiß nicht, wie viele Wehen ab dann noch folgten – wie gesagt, meine Wahrnehmung nach außen war auf ein Minimum reduziert, aber meiner Erinnerung nach ist mein Baby kurz darauf geboren.

Ich nehme es aus dem Wasser und in meine Arme, halte es, küsse es, schmiege diesen kleinen, nackten und käseschmierigen Körper an mein Gesicht. Als ich gefragt werde, ob ich schon geschaut hätte, ob wir einen Jungen oder ein Mädchen haben, schaue ich meinem Baby ins Gesicht und sage „Bestimmt ein Junge“. Kurz darauf schaue ich meinem Baby zwischen die Beine und sehe, dass ich statt eines zweiten Sohnes, meine zweite Tochter in den Armen halte.

Da war sie also. Bei uns, nicht mehr nur ganz nah bei mir, sondern in unserer Mitte, mit zwei großen Geschwistern und ihren Eltern. Sie kam mit einer solchen Wucht, dass ich das erste Mal nach einer Geburt denke, also ICH mache das nicht noch mal. Nicht, weil irgendetwas schlimm oder dramatisch gewesen wäre, es war – da waren sich alle einig – eine wunderschöne Geburt.

Aber ich weiß auch definitiv, was ich getan habe. Ich steige mit ihr im Arm aus dem Pool und die ersten Schritte sind ganz schön schmerzhaft. Denis steigt ebenfalls aus dem Pool, geht sich schnell abduschen und liegt dann mit freiem Oberkörper auf dem Sofa, um die Kleine entgegenzunehmen, während ich unter die Dusche gehe.

Sowohl die Kleine als auch ich werden untersucht und bei uns beiden ist alles bestens. Diese Geburt ist die erste, aus der ich ohne Geburtsverletzung hervorgehe und das freut mich riesig. Entspannung sei Dank! Als alles etwas aufgeräumt und der Pool geleert ist, bestellen wir gemeinsam Essen. Ich esse, mit Baby auf der Brust im Liegen, das erste Mal von vielen solcher Male.

Nachdem sich die Hebammen verabschiedet haben, wird es erst ruhiger, und dann wieder trubeliger, als die zwei Großen zurückkehren. Unser Sohn freut sich, staunt und man merkt, dass er nicht das erste Mal ein neues Baby in unserer Mitte begrüßt. Unsere Tochter fiebert noch und ist erst deutlich skeptisch und dann gänzlich misstrauisch, als das kleine, noch namenlose Baby, beginnt zu weinen. So starten wir also in unser Familienleben zu fünft und finden, wir sind plötzlich ganz schön viele.

So ein Wochenbett zu fünft ist auch ganz anders als das, in dem wir nur zu dritt waren. Als es zwei Paar Hände für einen kleinen Menschen gab, doch auch mit dem Mehr an Anforderungen schaffen wir es, ein schönes Wochenbett zu gestalten. Auch in dieser Wochenbettzeit lese ich wieder viel, verbringe tatsächlich viel Zeit im Bett und – wie auch bei unserem ersten Kind – dauert es einige Tage, bis wir uns für einen Namen entscheiden. L.

Diese Geburt liegt inzwischen über anderthalb Jahre zurück und ich bin jedes Mal, wenn ich daran zurückdenke, dankbar, dass ich drei wunderschöne Geburten erleben durfte. Ich bin dankbar, dass ich mit Denis jedes Mal die beste und souveränste Begleitung hatte und dass zwei unserer drei Kinder in seine Hände geboren wurden. Dankbar, dass es noch möglich ist, gemeinsam mit Hebammen außerklinisch zu gebären und für diesen wahnsinnig tollen Job, den jede Hebamme macht, die ich kenne. Ich bin dankbar, Yoga und Hypnobirthing in meinem Leben zu haben und nicht zuletzt bin ich mir selbst dankbar. Denn ich denke: Das habe ich verdammt nochmal gerockt. So wie jede Frau, die ihr Kind – auf egal welchem Wege – zur Welt bringt, es verdammt nochmal rockt und einfach Großartiges leistet.

Danke dir, liebe Linda, dass du deine intimen Erfahrungen mit uns teilst. Mehr über Linda und ihr Wissen, das sie mit uns teilt, erfahrt ihr auf www.theurbannature.de. 

In ihren Yoga- und Hypnobirthing-Kursen möchte Linda Frauen darin bestärken, dafür einzustehen, dass sie nicht entbunden werden, sondern gebären. Aus der „Statistenrolle“ herauskommen und einen aktiven, unterstützenden Part einnehmen… Weil sie das können!

Die wundervollen Geburtsfotos hat Fotografin Nora Tabel gemacht!
Auch eine Kunst, während einer Geburt anwesend und doch unsichtbar zu sein.