The day that…
Marie was born
Diese Gast-Mummy hier hört auf den besonderen Namen Afra. Sie ist wie so viele von uns, ein „Hans Dampf in allen Gassen“: sie ist Mama einer einjährigen Tochter, betreibt ein eigenes, erfolgreiches Kinderlabel für kleine Menschen bis zu einem Meter und studiert auch noch Wirtschaftsrecht in Berlin. Ständig würde sie sich gerne dreiteilen können, aber im Ganzen gefällt sie uns viel, viel besser! Sie hat ihr erstes Kind im heißen Sommer 2013 geboren und hier erzält sie uns wie das war…
Der Vorname Afra kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Afrikanerin“ – da wundert es uns kaum, dass Afras Tochter Marie auch afrikanische Wurzeln hat. Maries Papa kommt gebürtig aus Ghana und er war bei der Geburt natürlich auch dabei:
Es war ein sonniger Sonntag am 30.06., drei Tage vor dem ausgerechneten Termin.
Das erste Zeichen für die baldige Geburt war ganz unscheinbar: Es war eine Bemerkung von meinem Freund, ihm fiel auf, dass mein Rücken verformt sei. Ich war darüber zwar etwas irritiert und machte mir aber keine weiteren Gedanken darüber.
Am Nachmittag gegen 15:30 Uhr bemerkte ich dann, dass sich etwas in meinem Bauch tat. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade alleine zuhause, mein Freund war rausgegangen und hatte sein Handy vergessen!!
Das passierte ihm so gut wie nie und ich war drauf und dran Panik zu bekommen. Doch soweit kam es nicht, denn ich beruhigte mich und konzentrierte mich auf meinen Bauch, mit der Gewissheit, dass er schon irgendwann wieder heimkommen würde.
Puuuuuuh!! Ich krümmte mich ganz schön vor Schmerzen und rannte ständig auf die Toilette. Obwohl – rennen konnte man das nicht nennen. Ich quälte mich vom Wohnzimmer ins Bad. Im Wohnzimmer legte ich mich auf den Boden und versuchte mich auf den Atem zu konzentrieren. Ich fand es unglaublich schwierig einzuschätzen, was da gerade mit mir passierte. Im Geburtsvorbereitungskurs hatten sie einige Möglichkeiten aufgezählt wie eine Geburt beginnen kann, doch mein Kopf war leer. Ich wusste nichts mehr davon. Wie schlimm ist so eine Geburt eigentlich? Ist das erst der Anfang oder ist Marie gleich da? Und sollte ich eigentlich schon längst im Krankenhaus sein? In dem Moment verstand ich, wieso einem das keiner sagen kann… eine Geburt ist einfach mit nichts vergleichbar.
Gefühlte Stunden später (es waren eigentlich nur 10 Minuten) hörte ich den Schlüssel im Schloss. Mein Freund war zurück. „Kommt sie jetzt?“, fragte er mich erwartungsvoll. Gute Frage. Keine Ahnung, aber irgendetwas passiert gerade. Er hatte alle Informationen von der Hebamme und vom Geburtsvorbereitungskurs wie ein Schwamm aufgesogen und wusste sie zum Glück auch noch. Wir waren uns einig, dass wir so spät wie möglich ins Krankenhaus wollten. Also versuchte ich zu baden. Doch die Krämpfe kamen trotzdem immer wieder. Langsam war ich mir sicher, dass es Wehen waren. Wieder raus aus der Wanne, zurück ins Wohnzimmer. Ich spielte ein wenig mit dem Gymnastikball herum. Zwischendurch hatte mich der Schmerz schon komplett unter Kontrolle. Ich war wie weggetreten. Wir warteten auf eine platzende Fruchtblase oder ähnlich Dramatisches aber es passierte nichts. Mein Freund rief im Krankenhaus an. Sie fragten nach den Abständen zwischen den Wehen. Wir versuchten sie zu messen. Doch gefühlt gab es da keine messbaren Abstände mehr. Wir sollten uns langsam auf den Weg machen.
Wir wussten beide noch genau, dass wir etwas essen sollten bevor wir losgehen. Mein Freund hatte super lecker gekocht, aber ich wollte keine Nahrung mehr aufnehmen. Im Gegenteil ich wollte endlich diese riesige Kugel loswerden und war damit auch schon kräftig beschäftigt. „Wir schaffen es nicht mehr bis ins Krankenhaus. Sie kommt jetzt sofort.“ Doch dann ging es mir wieder besser. Wir riefen ein Taxi und los ging es. Inzwischen war es 17 Uhr. Mein Freund trug die Babyschale zum Auto. Wie abgefahren – auf dem Rückweg wird dort unsere kleine Marie drin liegen. Ich konnte mir das immer noch nicht vorstellen, dass da ein fertiger Mensch aus mir rauskommen soll. Wer hat den denn da reingesetzt?
Die Taxifahrt verlief ganz ruhig. Bis wir kurz vorm Krankenhaus waren. Da musste ich wieder stöhnen und jammern. Der Taxifahrer war ganz entspannt. „Kein Problem. Ich kenne das.“
Im Krankenhaus empfing uns die Hebamme. Sie sei alleine, aber es sei alles ruhig zur Zeit. Sie untersuchte mich und teilte uns mit, dass der Muttermund nur 2 cm geöffnet sei, dass das alles noch eine ganze Weile dauern wird und dass wir doch spazieren gehen sollen. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Sieht sie mich nicht? Hallo ich habe Schmerzen. Ich kann nicht mehr laufen! Das kann doch alles gar nicht sein. Mein Freund war etwas enttäuscht, vielleicht auch eher verzweifelt, wie soll denn das so noch länger gehen?
Wir schleppten uns, bzw. mein Freund schleppte mich zurück in den Flur. Ich hing zu dem Zeitpunkt eigentlich nur noch an seinem Hals. Er erklärte mir wie wichtig es sei, dass ich mich bewege, damit die kleine Marie weiterrutschen kann. Das war einfach gesagt. Ich hatte mich gar nicht mehr unter Kontrolle. Die Schmerzen kontrollierten mich. Da war nix mehr mit Laufen. Ich wollte in eine Höhle kriechen, aber doch nicht an den ganzen Sonntagsspaziergängern vorbeikriechen und dabei lauthals stöhnen und schreien. Wir gingen zurück in den Kreissaal.
Die Hebamme fragte mich, ob ich eine PDA wolle. Ich lehnte ab. „Sicher? Denn so wie Sie sich jetzt schon quälen, weiß ich nicht ob Sie bis zum Ende durchhalten.“ Na danke, genau das wollte ich hören. Ich jammere hier nicht zum Spaß. Der Muttermund mag nur 2 cm geöffnet sein, aber gefühlt ist er schon einen halben Meter offen.
Wir sollten zum Ultraschall gehen. Doch da ging dann gar nichts mehr. Ich krümmte mich so sehr, dass die Ärztin keinen Ultraschall mehr machen konnte.
Wir entschieden uns nochmal für eine Badewanne. Das tat gut. Es roch nach Lavendel und ich entspannte mich ein bisschen – okay, ein ganz kleines bisschen. Ich krümmte mich immer noch vor Schmerzen. Wenn mein Freund mich nicht immer wieder gestützt hätte, wäre ich komplett ins Wasser gerutscht. Die Hebamme: “Na lassen Sie doch nicht alles Ihren Mann machen. Halten Sie sich gerade, sonst rutscht das Kind wieder zurück.“
Boooooaaaahhh, ich hätte mich so sehr über diese Hebamme aufregen können, aber da hatte ich gerade keine Kraft und Zeit mehr für. Im Nachhinein frage ich mich, ob ihre Art Taktik war. Ich schaltete auf Durchzug und blieb bei mir und der Geburt meiner Tochter.
Irgendwie kamen meine Haare ins Wasser und der ganze Raum wurde nass. Die Hebamme beschwerte sich darüber. Als ich dann erwähnte, dass ich mal groß müsste, antwortete sie: “Na dann müssen Sie dafür aber aus dem Wasser, denn das wollen wir den Putzfrauen nun wirklich nicht antun.“ Ich fühlte mich verloren.
Zum Glück war mein Freund da, der mich tatkräftig unterstützte. Alleine mit dieser Frau im Kreissaal wäre ich total aufgeschmissen gewesen. Wir sollten wieder zurück in den Kreissaal. Als ich fragte wo die Toiletten sein, sagte sie mir, dass sie in dem Raum von der Badewanne seien. Na toll wieder zurück. Ich fühlte mich hier absolut nicht ernst genommen. Als ich gerade den Kreissaal verlassen wollte, hielt sie mich auf und erklärte mir, dass ich jetzt bestimmt nicht mehr auf Klo müsse und schaute nach meinem Muttermund. Siehe da 10 cm offen und das was ich spüre, sei die Fruchtblase die nicht platzt. Es fühlte sich so an als versuche ich einen Pflasterstein herauszupressen… Ich mochte die Vergleiche von Geburt und Stuhlgang nie, aber in dem Moment war es wirklich der passendste Vergleich für mich.
Von diesem Zeitpunkt an funktionierte die Zusammenarbeit mit der Hebamme super. Sie hatte wohl endlich verstanden, dass ich nicht fantasierte oder übertrieb, sondern wirklich Schmerzen hatte. Bei der nächsten Wehe piekste die Hebamme die Fruchtblase auf. Das Wasser schoss bis an die Wand. Wie eine Wasserbombe.
Nun ging es alles zu schnell. Ich durfte nicht mehr pressen. Puuuh war das schwer. Mein ganzer Körper schrie nach pressen aber ich durfte nicht. Ich sollte wie eine Lok atmen. Mein Freund machte mit, bzw. machte er die Beatbox zu meinem Atmen. Er wollte es aufnehmen. Leider hielt ich ihn davon ab. Jetzt würde ich den „Song“ gerne nochmal hören.
Zwei Wehen später war unsere kleine Marie da. Es war 20:33 Uhr.
Meine Bemerkung „sie sagt ja gar nichts“ brachte die Anwesenden zum lachen.
„Sie muss ja erstmal sprechen lernen“ – Ich meinte natürlich, dass sie nicht schreit. Ich dachte immer, dass alle Babys bei der Geburt schreien würden. Da hatte ich nun meine kleine Tochter im Arm. Sie hatte schon ganz lange Haare und fing sofort an zu trinken. Ein Wunder – es war vollbracht. Ganze 4 Minuten Presszeit. Die Hebamme war begeistert. „Von so einer Geburt träumt so manche Frau!“ Wir blieben noch ein paar Stunden im Kreissaal und erfreuten uns an unserem neuen Familienmitglied.
Als die Hebamme später nochmal zu uns kam, fragte ich sie, ob die anderen Frauen nicht schreien würden, man würde ja gar nichts hören. Die Hebamme antwortete, dass alle anderen eine PDA haben und deswegen ruhiger seien. Ich hingegen hatte mir fest vorgenommen bei der Geburt so richtig ordentlich zu schreien und das habe ich auch tatkräftig umgesetzt.
Mein Freund ging um Mitternacht nach Hause schlafen und ich schaute mir weiter die kleine Marie an. Ich schlief in der ersten Nacht genau eine Stunde. Ich bestaunte einfach die ganze Zeit dieses kleine Wunder. Ich war viel zu aufgeregt um zu schlafen. Ich hatte auch keinen Hunger. Ich wollte einfach nur dieses Wesen betrachten, dass so perfekt aus mir herauskam und hoffentlich den Rest meines Lebens bei mir sein wird.
Für unsere Serie „The Day that…“ freuen wir uns über jede Mummy unter Euch, die einen Gastbeitrag schreiben und ihre Erlebnisse mit uns teilen möchte – Bei Interesse schreibt uns eine Nachricht an: info@mummy-mag.de
Otilia
oh, so ein süßes Baby. Da hat sich die grantige Hebammen-Geburt doch gelohnt.