
Im Gegensatz zu meiner ersten Schwangerschaft, verlief diese etwas komplizierter. Die ersten sechs Monate hatte ich mit Übelkeit, großer Müdigkeit und Stimmungsschwankungen zu kämpfen – an dieser Stelle ein großes Dankeschön an Joscha für die Geduld. Und dann war da ja noch unser Sohn Levi, der voll versorgt werden wollte und die kommenden Veränderungen deutlich spürte. Organisatorisch war ich jedoch schon mehr als geübt. Bereits in der 5. Woche konnte ich mir wieder meine Perle von Hebamme sichern, die mich bereits durch meine erste Geburt begleitet hatte und meldete mich auch gleich zur Geburt an – man mag es nicht glauben, aber bei Levi wollte mich das auserwählte Krankenhaus in der 20. Schwangerschaftswoche tatsächlich nicht mehr aufnehmen. Die ersten Untersuchungen folgten und alles sah sehr viel versprechend aus, abgesehen von der leichten Unterversorgung des Kindes über einen Blutstrang. Schnell wurde dem relativ einfach durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten Abhilfe geschaffen. Im Zuge dessen begann parallel dann aber das allseits bekannte Kopfkino. Die lang verdrängten Erinnerungen an die erste Geburt kehrten nach und nach zurück und damit auch diese tief sitzende Angst, eine von mir sehnlichst gewünschte natürliche Geburt nicht zu schaffen. Viele Gespräche mit Joscha, meiner Mutter und der Hebamme folgten. Ich war gefangen zwischen dem Wunsch eine natürliche Geburt erleben zu wollen und der Angst wieder plötzlich im OP mit einem Kind im Arm aufzuwachen.
„Die lang verdrängten Erinnerungen an die erste Geburt kehrten nach und nach zurück und damit auch diese tief sitzende Angst, eine von mir sehnlichst gewünschte, natürliche Geburt nicht zu schaffen.“

Wie das Schicksal manchmal so spielt, wurde mir kurze Zeit später diese Entscheidung abgenommen. Bei der Feindiagnostik konnte zum einen ein kleines Mädchen und zum anderen folgende Diagnose „insertio velamentosa vasa praevia“ festgestellt werden. Das bedeutet, die Gefäße, die Mutter und Kind verbinden und versorgen, liegen frei auf den Eihäuten der Plazenta und nicht, wie vorgesehen, geschützt in der Nabelschnur. An und für sich kein Problem. In meinen Fall lagen diese jedoch ungeschützt zu nahe am Muttermund und daher riet mir die Ärztin von Anfang an zu einem Kaiserschnitt, da ich ansonsten einer Risikogeburt entgegenblicken würde. Geschockt, enttäuscht, aber auch irgendwie erleichtert nahm ich die Tatsache hin und stellte mich mental auf eine geplante Sectio ein. In den folgenden Wochen wurde ich sehr engmaschig kontrolliert und die Entscheidung, wann unser Mädchen geholt werden soll, stand noch aus. Zu Beginn stand die 36. Woche im Raum, was mir sehr früh vorkam. Man wollte jedoch kein Risiko eingehen, da die offenen Gefäße bei einem frühzeitigen Blasensprung oder zu starken Wehen beschädigt werden könnten. Da sich die Lage der Gefäße jedoch ein Stück weit gebessert hatte, sollte es 10-7 Tage vor dem errechneten ET (18.12.2016) soweit sein.
Was ist INSERTIO VELAMENTOSA mit VASA PRAEVIA?
„Bei der Insertio velamentosa kommt es häufiger zu Nabelschnurkompressionen und einem drohenden Sauerstoffmangel“, erklärt Henrich ggb. der Ärztezeitung. Eine große Gefahr bestehe zudem, wenn die Fruchtblase sich öffnet: Befindet sich der Nabelschnuransatz in den Eihäuten direkt oder sehr nahe am inneren Muttermund – Ärzte sprechen von „Vasa praevia“ – können die Gefäße der Nabelschnur beim Blasensprung einreißen. Das Kind droht innerhalb von wenigen Minuten unter der Geburt zu verbluten. „Wenn wir um die Gefahr wissen, planen wir einen frühzeitigen Kaiserschnitt zwischen 36 und 37 vollendeten Schwangerschaftswochen“, erklärt Henrich.

Die Schwangerschaft zog an mir vorbei wie ein Hochgeschwindigkeitszug, inklusive einiger Stopps. Da hatten wir zum einen den Umzug von Joscha von Hamburg nach Berlin, das Festlegen des Geburtstermins und unsere standesamtliche Trauung eine Woche vor der Entbindung. Dann stand Freitag, der 9. Dezember 2016 auch schon vor der Tür. Levi hatten wir bereits zwei Tage vorab zu seinem Papa gebracht, um die Nervosität nicht auf ihn zu übertragen. An Schlafen war nicht wirklich zu denken, zu aufgewühlt waren wir. Im Gegensatz zum ersten Mal, bei dem man wartend und sehnsüchtig abends ins Bett steigt, wusste ich, ich würde am besagten Freitag 2-fach Mama werden und es führte kein Weg daran vorbei. Ein komisches Gefühl, den Geburtstag der eigenen Tochter vorab zu kennen.
„Ein komisches Gefühl, den Geburtstag der eigenen Tochter vorab zu kennen.“
Morgens um 8.00 Uhr machten wir, Joscha und ich, uns nüchtern – zumindest galt das für mich – auf den Weg ins Krankenhaus. Meine wunderbare Hebamme fing uns ab und brachte uns beide ins Vorwehenzimmer. Dort wurde ich an die Geräte angeschlossen, mir wurden die Zugänge gelegt und wir beide „OP-fashion“ tauglich gekleidet. Der große Vorteil einer geplanten Scetio im Gegensatz zu einem Notkaiserschnitt, der Vater darf die Operation begleiten. Zuerst wurde nur ich in den OP gebracht. Mein Herz schlug wie wild gewordene Vogelflügel bei seinen ersten Flugversuchen.



„Mir wurde plötzlich kotzübel. „Ich will das nicht. Sofort raus.“ Dachte ich. Meine Hebamme realisierte meine Gefühlslage im gleichen Moment, beruhigte mich und erzählte mir, dass mich die gleiche Ärztin operieren würde wie damals vor 4 Jahren. Sie konnte sich noch an meinen Namen und die Situation erinnern.“
Es folgten drei aufregende Kennenlerntage im Krankenhaus. Die erste Nacht kümmerte sich ausschließlich Joscha um Milla, da ich körperlich noch nicht konnte und des weiteren damit beschäftigt war mir die Haut vom Leib zu kratzen. Eine allergische Reaktion auf das Betäubungsmittel hieß es am nächsten Tag von der Anästhesistin. Außerdem hatte ich mit meinem extrem niedrigen HB Wert zu kämpfen, da ich wohl etwas mehr Blute verloren habe. Mich konnte dennoch nichts davon abhalten, sofort aufzustehen und zu versuchen unser Kind mitzuversorgen. Am dritten Tag kam endlich Levi, der stolze große Bruder, zu Besuch, um seine Schwester kennenzulernen. Nun waren wir komplett.


Einen weiteren Tag später habe ich mich wieder selbst entlassen und wir freuten uns auf eine wunderbare Kennenlernzeit zu viert. Wir hatten das große Glück, dass Milla im Dezember geboren wurde, wodurch viele, ruhige und vor allem kuschelige Tage folgten, die wir in vollen Zügen genießen konnten. Leider mussten wir nach einer Woche noch einen kleinen Zwischenstopp im Krankenhaus einlegen. Diagnose: „Wochenflussstau.“ Das passiert wohl öfter bei geplanten Sectio’s, da der Muttermund sich ohne Wehen nicht komplett öffnen kann. Es folgte eine manuelle Muttermundöffnung und eine Woche Wehenmittel inklusive Schmerzen. Dennoch waren es, wie auch nach meiner ersten Geburt, die schönsten und wundervollsten Wochen meines Lebens. Das Stillen klappte von Anfang an und meine beiden Kinder sind nach wie vor – kleine Ausnahmen bestätigen die Regel – vernarrt ineinander.
„Ich könnte nicht dankbarer sein für meine kleine Patchworkfamilie.“
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