The day that… Rio was born!
Katrin Schlotterhose aka Schlotti ist unter den Fashion-Bloggern ein „alter Hase“. Seit vielen Jahren schreibt sie auf „Metropolitan Circus“ über Mode, Lifestyle und Kunst. Für uns hat sie eine Ausnahme gemacht und die Geschichte von der Geburt ihres Sohnes Rio festgehalten. Samt unglaublich toller Fotos aus dem OP, denn Rio kam mit einem geplanten Kaiserschnitt auf die Welt. Doch mit dieser Entscheidung hatte Katrin auch einige zusätzliche Hürden zu nehmen…
„Ich habe mir immer Kinder gewünscht, auch wenn mein Umfeld das nie glauben wollte. Bis zu meiner Schwangerschaft bin ich viel gereist, war ein kleiner Workaholic und liebte es feiern zu gehen. Für Kinder schien da erst mal kein Platz zu sein. Ich bin in einer sehr glücklichen Familie aufgewachsen, meine Eltern haben mir immer beigebracht, dass man auch mit Wenig ganz viel schaffen kann und das mit Kindern das Leben viel lustiger und mit Abenteuern begleitet wird. Meine Mutter hat mich und meine Schwester sehr früh bekommen, damals war das eben anders. Ich habe sie oft gefragt, wie das vor 30 Jahren so war als wir auf die Welt gekommen sind. Wie so eine Geburt abläuft, was man fühlt und welche Schmerzen man ertragen muss. Unsere Geburten waren beide nicht schlimm, aber schon in den Erzählungen hat sich bei mir alles gesträubt und innerlich zusammengezogen. Schon als Kind, Teenie und dann als Twen hat sich diese Angst, die man eigentlich mit dem schönsten Tatbestand jeder Frau verbindet, in einen heimlichen Konflikt verwandelt.
Dann haben die ersten Frauen aus meinem Umfeld Kinder bekommen und auch ihre Geschichten wurden irgendwann präsentiert. Teilweise hätte ich kotzen können, so schlimm fand ich das. Ich habe immer gedacht, es muss doch auch für mich einen Weg geben ohne dieses Massaker und die Probleme einer normalen Geburt. Dann bin ich schwanger geworden. Ein absolutes Wunschkind. Ich wusste schon von Anfang an, das ich kein Trauma der Geburt haben wollte, keine Depressionen und ich wollte die Art und Weise der Geburt selbst bestimmen: Deshalb habe ich mich ganz bewußt für einen geplanten Kaiserschnitt entschieden. Mein Umfeld ist fast ausgeflippt. „Wie kannst du nur…“, „…eine normale Geburt ist doch das Beste für dein Kind…“.
Meine Hebamme, meine Frauenärztin, alle wollten mich wieder auf den rechten Weg bringen, ich las ihnen zu liebe Bücher und lernte zu meditieren. Ich verstand alles was sie sagten und ich finde es auch gut wie andere Frauen das meistern. Gewiss ist das der absolut schönste Moment im Leben jeder Frau. Aber ich konnte mich damit partout nicht anfreunden. Über Wochen haderte ich mit mir selbst und allein der Gedanke, dass ich vielleicht 40h in den Wehen liegen würde, unter Umständen eine Saugglocke zum Einsatz kommen würde und was sonst noch alles passieren kann, trieben mir den blanken Schweiß auf die Stirn. Ca. in der SSW 25 Woche traf ich dann endgültig die Entscheidung für mich allein, ohne auf irgendjemanden zu hören. Dann ging es mir schlagartig besser.
Aber neue Hürden sollten sich auftun. Man glaubt ja immer, jede zweite oder dritte Geburt in Deutschland endet mit einem Kaiserschnitt, also war für mich klar, wenn ich mich in einem Krankenhaus anmelde, dann machen die bestimmt auch einen Wunschkaiserschnitt. Ähm. Nein. Ich wurde fast aus jedem Krankenhaus mit entsetzten Blicken rausgeschmissen. Kaiserschnitte ja, aber nur wenn es als natürliche Geburt geplant ist und irgendwann kein Ausweg mehr in Sicht ist. Das ist aus Sicht der Frau doppelt scheiße. Erstens hat man sich so lange gequält und ist mega fertig, dann kommt noch der eigentliche Eingriff obendrauf, der dich sowieso noch mal 3 Tage außer Gefecht setzt. Das klang für mich wie eine Arschkarte hoch zwei. (Sorry für den Ausdruck).
Eine Klinik macht Kaiserschnitte auf Wunsch; die Charité in Mitte. Ich habe mich dort angemeldet und meinen Wunsch geäußert, mein Ängste und persönlichen Befindlichkeiten geschildert und es war okay für den Oberarzt. Ich musste zwar noch ein psychologisches Attest einholen, aber selbst das war aufgrund meines Hormonaufkommens und der Klinikschmach der letzten Wochen ein Leichtes. Denn man musste in meiner Nähe nur das Wort Geburt fallen lassen und ich begann bitterlich zu weinen. Es war jetzt nicht mehr die Angst, sondern die Erkenntnis wie man behandelt wird und wie andere versuchen permanent das Beste für dich zu wollen. Ich weiß es doch aber selbst am besten nur schien das mein Umfeld aber nicht zu kapieren. Der Einzige der permanent hinter mir stand, war mein Freund. Er wußte ganz genau, wenn ich die richtige Entscheidung treffe, geht es allen Beteiligten gut, vor allem dem Kind.
In SSW 38 unterhielt ich mich lange mit meinem Bauch, ich erklärte meinem kleinen Sohn sehr ausführlich darüber auf was bald passieren würde. Ich glaube er hat sich damals einmal umgedreht und seine Hand nach außen gedrückt. Jeden weiteren Tag, mit dem wir uns dem Geburtstermin näherten, sprach ich mit dem Kleinen im Bauch. Zwei Tage vorher begannen die ersten Wehen, in der Nacht vor unserem Termin konnte ich kaum schlafen, er trat und boxte und war glaube ich genau so aufgeregt wie ich selbst. Obwohl der Termin eine Woche vor seinem ursprünglichen Termin angesetzt war, waren seine Werte schon super gut, man diagnostizierte ca. 3700g und ungefähr 55 cm. Also ganz ordentlich.
In der früh um 8 lag ich dann am Wehenschreiber in der Charité. Die Wehen waren gleichmäßig und auch ohne den Termin, wäre Rio an diesem Tag auf die Welt gekommen. Mir ging es erstaunlich gut, ich war ruhig und ausgeglichen, zwar ein wenig gerädert von der Nacht, aber okay. Man setzte die Anästhesie und ich unterhielt mich noch mit den Ärzten und Hebammen. Die Atmosphäre war sehr, sehr gut. Ich dachte immer die Charité wäre eine Massenabfertigung, aber dem war überhaupt nicht so. Um 10 Uhr wurde ich in den OP geschoben, die Betäubung wirkte und ließ meinen Körper nur noch erzittern, ich war höllisch aufgeregt. Ich konnte nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, ich stand einfach nur noch neben mir. Die Ärztin, die den Kaiserschnitt durchführte und die anwesenden Schwestern ruckelten ganz schön an mir herum, ich hatte das Gefühl von einer Seite auf die nächste geworfen worden zu sein. Dann viel der Vorhang und ich sah wie sie Rio aus meinem Bauch hoben. Er hatte noch die Nabelschnur um den Hals, reckte seine Ärmchen nach oben und schrie wie am Spieß. Der halbe OP feixte, ich solle doch schon mal einen Frisörtermin machen. Und tatsächlich Rio hatte beinahe eine richtige Frisur.
Wir beide haben die OP erstaunlich gut verkraftet. Rio ist/ war von Anfang an sehr wach. Man sagt ja immer, dass der Milcheinschuss bei Kaiserschnitten erst später einsetzt. Hat er nicht, am dritten Tag nach seiner Geburt konnte ich ihn stillen und seitdem wächst er wie ein Blitz. Im Nachhinein bin ich absolut froh es so gemacht zu haben. Natürlich ist das jetzt keine Werbung für einen Kaiserschnitt, es ist schließlich eine OP mit allen Risiken, für Mutter wie für das Kind.
Für mich persönlich war es aber die einzige Lösung psychologisch gesund ein Kind zu bekommen. Mir ging es so gut nach der Geburt, ich konnte Rio meine komplette Aufmerksamkeit schenken, was wahrscheinlich nach den Strapazen einer natürlichen Geburt plus eines eventuellen Kaiserschnitts so nicht möglich gewesen wäre. Unser Teamwork wie ich es nenne, hat deshalb so gut funktioniert, weil ich meinen Körper und meine Psyche ziemlich gut kenne. Ich weiß wo meine Grenzen sind, das sollte man bei so einer einschneidenden Entscheidung definitiv berücksichtigen. Rio ist heute 6 Monate alt und ein außergewöhnlicher Typ. Gerade denken wir schon über Nummer 2 nach.“
Liebe Schlotti, vielen Dank für Deine Geschichte! Es war eine mutige Entscheidung von Dir, weil Du diese entgegen der allgemein herrschenden Meinung getroffen hast. Ob man eine geplante Sektion gut oder schlecht findet – am Ende sollte es immer die Entscheidung der Schwangeren selbst sein dürfen! Und umso mehr freuen wir uns für Dich, für Euch, dass alles gut lief und ihr das Familienleben genießt! Und Danke an Deinen Mann, der diese unglaublichen Bilder gemacht hat! (Fotos: Steffen Roth)
Übrigens, eine ähnliche Geschichte hatten wir schon mal bei uns veröffentlicht. Gast-Mummy Laura war die erste Mummy, die sich getraut hatte, bei uns über ihren geplanten Kaiserschnitt zu sprechen. Für alle, die sich ebenfalls mit dem Gedanken tragen oder panische Angst vor einer natürlichen Geburt haben, sicherlich auch lesenswert.
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Ihr habt auch eine Geburtsgeschichte, die Ihr mit uns teilen möchtet? Dann schreibt uns einfach eine Mail an info@mummy-mag.de! Wir freuen uns über jede einzelne Geschichte!
4 Comments
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Antonia
Danke für diese wunderbare Geschichte, ich denke genauso und habe auch einen Wunschkaiserschnitt … Mein Körper, meine Entscheidung – Punkt.
Leider lassen sich generell viel zu viele Menschen von dem beeinflussen was ‚man‘ für richtig hält, ich kann nur sagen: Jeder muß für sich die Verantwortung tragen und übernehmen und deshalb sollte es eigentlich auch nur von einer Peson entschieden werden – von DIR! -
Pingback: The day that… Hedda was born | Mummy Mag
Merle
Ein schöner Bericht! Ich muss sagen ich finde auch, dass jede Frau das für sich selbst entscheiden muss, ob Hausgeburt oder Krankenhaus, natürliche Geburt oder Kaiserschnitt, da darf eigentlich niemand reinreden. Was ich aber grade bei dieser Geschichte traurig finde, ist die geschilderte Erwartung an eine natürliche Geburt. Da müssen im Vorfeld ja wahre Horrorgeschichten erzähllt worden sein.
Weder tagelange Wehen noch Notkaiserschnitte sind doch ein Muss oder die Norm bei einer natürlichen Geburt. Ich habe zweimal vaginal entbunden und zwar beide Male ohne nennenswerte Medikamente oder Eingriffe, ich bin nicht geschnitten worden, nur sehr in Maßen gerissen, es kam keine Saugglocke, kein Kristeller oder sonstige heftige Eingriffe zum Einsatz. Und das obwohl ich im Krankenhaus entbunden habe. Ich war bei beiden Geburten schnell wieder auf dem Damm und direkt nach der Geburt durch den Hormoncocktail der da ausgeschüttet wird regelrecht high. Das ein Trauma und Depressionen als quasi unvermeidbare Folgen einer vaginalen Geburt gesehen wird zeugt doch irgendwie von einer verschobenen Wahrnehmung dieser Art der Entbindung in unserer Gesellschaft.