
Julia Scharnowski ist eine absolute Power-Mama! Kein Wunder, denn mit ihren Zwillingen hat sie bereits die geballte Ladung Power im Bauch gehabt. Und jeder, der Kinder hat weiß, dass es nicht leichter wird. Doch insgesamt hatte Julia eine schöne Schwangerschaft und hatte beide Jungs sogar bis zur 38. Woche im Bauch. Alleine das ist schon eine ordentliche Leistung. Dass sie auf den letzten Metern etwas ungeduldig wurde, nachdem klar war, dass die beiden Jungs doch per Kaiserschnitt geholt werden müssen, ist sehr nachzuvollziehen. Und nachdem sich der Termin mehrfach verschoben hat, ist es dann mit der Geduld auch irgendwann am Ende. Zum Glück würde sie dann ja gleich doppelt belohnt!

„Es begab sich im Sommer 2015, dass eine Zwillingsschwangere kurz vorm platzen stand… Der werdende Vater und ich gingen – besser gesagt: wir fuhren – eines Hochsommermorgens 2015 in ein idyllisches Krankenhaus, umgeben von grünen Hügeln und Tälern und einer Großbaustelle mit roten Ampeln. Doch eigentlich war alles ganz anders geplant…
Einige Wochen vor ihrer Geburt entschieden die Zwillinge in meinem Bauch, lieber doch per Kaiserschnitt das Licht der Welt zu erblicken. Der zukünftige Erstgeborene hat es sich um die 32. Woche herum mit dem Popo auf meinem Becken bequem gemacht. Den Stress, sich stundenlang von Wehen durch den Geburtskanal drücken zu lassen, wollte er sich offensichtlich nicht antun. Das zumindest war unsere Theorie.
Sein jüngerer Bruder, der im oberen Teil der Gebärmutter zuhause war, hat sich eh bis kurz vor der Entbindung je nach eigenem Belieben gedreht und gewunden und nimmt vor der OP eine ähnliche Position wie sein Bruder ein. Für mich ist das alles mehr als okay. Ich hab meinen Frieden mit dieser Art der Geburt gemacht und ehrlich gesagt habe ich auch ziemliche Angst vor der natürlichen Entbindung zweier Kinder auf einmal.
Um der Niederkunft dennoch einen Anstrich von Natürlichkeit zu verleihen, habe ich mich dazu entschlossen, auf Geburtsanzeichen zu warten – sprich Wehen oder Blasensprung. Und so warte ich. Und warte und warte. Bei zunehmender Unbeweglichkeit und etwa 38 Grad im Schatten gefühlt.
Vier Tage vor der Geburt schleppe ich mich zum Arzt, der hellauf begeistert ist, die ungeborenen Babys und mich nach seinem dreiwöchigen Urlaub noch vollzählig in meinem Körper versammelt zu sehen. Doch er spricht auch mahnende Worte. Bislang sei alles so gut gelaufen, sehr viel länger sollten wir unser Glück nicht strapazieren. Und meinen Körper. Unter Umständen [haha] sei die Gebärmutter auch schon zu stark gedehnt für effektive Wehen, schließlich befinde ich mich bereits in der 38. Woche und gemeinsam bringen die Jungs bereits mehr als fünfeinhalb Kilo auf die Waage. Und auch das Zwillingsmutterschiff ist erschöpft und will einfach nicht länger durchhalten.
Also vereinbaren wir kurzerhand einen OP-Termin in dem Krankenhaus unserer Wahl. Angemeldet sind wir dort bereits, deshalb geht das überraschenderweise fix und telefonisch – irgendwie etwas unwirklich nach der monatelangen Warterei. Am Donnerstagmorgen soll es soweit sein. Nüchtern bitteschön um 7 Uhr morgens antreten zur Entbindung. Jawoll. Doch damit soll das letzte Wort über den Geburtstermin noch nicht gesprochen sein.
Aufgeregt sind wir, der Mann und ich. Jede Frau, die einen geplanten Kaiserschnitt hatte, wird das verrückte Gefühl kennen, zu wissen, dass man an Tag xy definitiv Mutter wird. Doch so soll es nicht kommen. Am Nachmittag vor dem Termin klingelt das Telefon. Ich putze gerade ein letztes Mal im Walfisch-Modus das Badezimmer. Die Oberärztin ist am Apparat: Ob wir den Termin um einen Tag verschieben könnten, es sei ein Notfall dazwischen gekommen [das sollten wir noch öfter hören, bis wir unsere Kinder endlich bei uns haben]. Was tut eine Schwangere in so einem Moment der Anspannung, Verwirrung und Überforderung? Richtig: in Tränen ausbrechen, sich wieder sammeln und zustimmen!
Also ein weiterer Tag mit riesigem Bauch, Wassereis und Ventilatorluft. Also noch einmal die Zeit nutzen zum Haare waschen, Pizza bestellen und Serien gucken. Meine Kinder übermorgen bei mir zu wissen – das ist verrückt, aufregend und irgendwie unvorstellbar.

Wie ich schlafe in der Nacht vor der Geburt der Zwillinge? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr, aber ich schlafe – so gut es geht mit dieser Kugel, die fünfeinhalb Kilo Kind beinhaltete [nein, Greenpeace kommt nicht, um mich zu drehen und mich mit Wasser zu beträufeln]. Ich weiß nur noch, es ist Sommer, die Sonne scheint am nächsten Morgen und um 6.30 Uhr fahren wir der Verdopplung der Anzahl unserer Familienmitglieder entgegen. Ohne Frühstück im Magen. Ich überlege noch kurz, ob Wassereis als Speise gilt, will dann aber doch nichts riskieren.
Angekommen in dem anthroposophischen Krankenhaus, das wir uns zur Entbindung ausgeguckt hatten, habe ich irgendwie die Erwartung, dass alle genauso aufgeregt der Geburt der Zwillinge entgegenfiebern wie wir. Doch sagen wir es mal so: Das medizinische Personal ist da wohl etwas routinierter. Man verfrachtet uns in einen Raum, der im Notfall auch als Kreißsaal herhalten kann – zumindest steht dort auch so ein überdimensionales Bett, und alles ist ganz anthroposophisch in Uterus-Rot gestaltet.
Vor dem Fenster vollziehen Hunderte Schwalben gerade die Morgenfütterung ihrer Brut – es ist schwer idyllisch aber ich bin schwer aufgeregt. Die Assistenzärztin, die mir einen Zugang legen soll, offensichtlich auch. Sie versemmelt den ersten Versuch (und ich hab 1a-Venen), es blutet, sie nuschelt irgendwas und ich werde noch nervöser. Dann lege ich meine zivile Kleidung und meine Würde ab und steige in ein Krankenhaushemd nebst Thrombosestrümpfen (in die werde ich gestiegen). Eine grüne Haube vervollständigt mein Outfit. Gut, dass Neugeborene noch nicht so gut gucken können, meine Söhne hätten sich sonst ganz sicher vor mir erschrocken.

„Wir müssen noch eben ein CTG schreiben“, erklärt dann eine Hebamme, die meiner Meinung nach auch ein wenig euphorischer ob der Geburt der Zwillinge sein könnte. Noch eben. Es wurde während der gesamten Schwangerschaft nicht „noch eben“ ein CTG geschrieben. Meine Kinder hassten den Herzton-Radar von jeher und so demonstrieren sie auch diesmal, wie viel Platz zum ausweichen man zu zweit in einem Bauch noch haben kann, der kurz vorm platzen steht.
Schon bald bin ich total genervt. Ich will aber nicht genervt sein, doch die Hebamme, die lustlos an meiner Kugel rumhantiert, strapaziert meine Geduld. Kann doch nicht so schwer sein, die Herztöne zweier Kinder einzufangen! Kann doch, und deswegen wird es noch komplizierter. Es werden weitere Hebammen und Ärzte hinzugerufen. Außerdem karrt jemand im blauen Kittel ein Ultraschallgerät herbei.„Ey! Da sind zwei drin und sie bewegen sich gut – könnt ihr sie nicht einfach raus holen?“, denke ich mir. Offenbar geht das nicht nicht, denn unterdessen ist es 10.30 Uhr, ich bin immer noch kugelrund, aber immerhin hat es ein Oberarzt mit osteuropäischem Akzent und Charme geschafft, das CTG anzubringen und die Zwillinge mit dem Ultraschall zu orten. Aha. Es sind zwei. Das sieht auch er jetzt.
Auf einmal geht’s los, liegend karrt mich die Hebamme Richtung OP – also, ich liege, nicht die Hebamme…obwohl, vom Temperament her… Egal, ich freu mich, der Schnitt ist mir egal, ich will jetzt unsere Kinder kennenlernen.
Im OP stemme ich mich auf einen verdammt schmal aussehenden Tisch aus Edelstahl, werde angeschnallt und mit Elektroden versehen. Ich bin aufgeregt, Angst hab ich nur vor der Spinalanästhesie, aber die Narkoseärztin und ihr Team sind so lässig, da vergesse ich das fast. Sie markiert die Stelle an meinem Rücken, an der sie die Nadel ansetzen will, als plötzlich die OP-Tür auffliegt. Eine Oberärztin schiebt ihren Kopf hindurch „Kommando zurück, alle raus hier“, ordnet sie an – und sieht dabei nicht so aus, als mache sie Witze. Geburtsstillstand im Kreißsaal nebenan, Notkaiserschnitt. Ich werde zurück ins Bett und darin ins nächstgelegene leere Zimmer bugsiert. Wartezeit unbestimmt. Handyempfang ungenügend. Magen leer. Immerhin bekomme ich Flüssigkeit per Infusion – prima für trinkfaule Menschen wie mich, doch irgendwie nicht alltagstauglich.
Und so lieg ich herum, mit Tropf, OP-Kittel und Ungewissheit. Und was macht das Krankenhauspersonal? Weil’s so schön ist, versucht sich die Hebamme nochmal im CTG-Schreiben und ich befürchte, der Mann wird gleich handgreiflich. Die Zeit tröpfelt in den Tag, alle paar Minuten schafft es mal eine Whatsapp-Nachricht durch das Nadelöhr von Netz hinaus in die Welt an meine Freundinnen. So richtig kommt das Zeit-Totschlagen nicht in Gang. Doch anderthalb Stunden später wird die leicht abwesend wirkende Geburtshelferin plötzlich flott und die Karawane zieht zurück in den OP. Ui. Wieder Aufregung, doch nach dem Vormittag würde mich nichts mehr wundern.
„Nach wenigen Minuten ist der Saal proppenvoll und ich frage mich, ob irgendwer irgendwo günstig Stehplatzkarten angeboten hat.“
Nach wenigen Minuten ist der Saal proppenvoll und ich frage mich, ob irgendwer irgendwo günstig Stehplatzkarten angeboten hat. Doch dann erklärt eine Frau in Grün, dass bei Zwillingen – wie sollte es auch anders sein – alles doppelt ist. Kinderärzte-Teams und Hebamme sind in zweifacher Ausführung vor Ort. Dann hat offenbar die Anästhesistin noch ein paar Kollegen mitgebracht und zwei Praktikanten turnen ebenfalls durch den Raum – den operierenden Arzt mit dem osteuropäischem Akzent habe ich noch gar nicht erwähnt. Und auch der hat Gefolge dabei.
Das klingt ungemütlich. Doch ist es völlig anders. Die Menschen um mich herum liefern mir die richtige Mischung aus Ablenkung und dezenter Zurückhaltung. Und so finde ich auch die gefürchtet Spritze zwischen meine Wirbel gar nicht so schlimm. Ok, das klingt jetzt echt dramatisch. In Wahrheit gibt es aber eine Spritze vor der Spritze, eine lokale Betäubung, die aus der Spinalanästhesie einen Spaziergang macht. Problematisch ist nur, dass ich mich dafür nach vorn beugen und den Rücken katzenbuckelrund machen muss – eine artistische Meisterleistung mit Zwillingskugel und hektischer Hebamme, die sich mal wieder im Schreiben eines CTGs versucht. Doch es gelingt, und schnell ist das Gespür für meine untere Körperhälfte Geschichte. Zumindest vorübergehend.
Als der werdenden Zwillingspapa in Schwarzwaldklinik-Kluft den OP betritt, weiß ich es wird ernst. Wenn ich schon keine Wehen veratmen muss, dann wenigstens Aufregung. Währenddessen toben die Babys weiter durch den Bauch – ich würde ihnen so gerne sagen, was gleich geschieht, dass sie sich nicht erschrecken sollen, wenn es plötzlich hell wird, sondern dass sie gleich wieder bei mir sind – nur auf der anderen Seite… Dann heißt es noch einmal kurz Warten, hinter sterilen Tüchern, die den Blick auf die Operation verbergen. Wir warten auf den zweiten Kinderarzt und den ersten Schnitt…entgegen meiner Angst spüre ich den nicht, also habe ich es tatsächlich mit Profis zu tun.
„Und dann höre ich ihn, meinen kleinen Erstgeborenen! Mir strömen Tränen übers Gesicht, Tränen der Freude, der Aufregung und der Erleichterung.“
Ich verbiete dem Mann noch schnell, säuselnd auf mich einzureden wie auf ein scheuendes Pferd, denn das macht mich nervös. Dann höre ich ein Geräusch wie beim Zahnarzt – nein, keinen Bohrer, eher so wie von diesem Sauger, der während der Bohrung den Speichel wegsaugt. Offenbar macht sich der Herr aus Osteuropa an der ersten Fruchtblase zu schaffen. Spätestens als eine der Ärztinnen ansagt „12.25“ weiß ich, dass es so weit ist. Und dann höre ich ihn, meinen kleinen Erstgeborenen! Mir strömen Tränen übers Gesicht, Tränen der Freude, der Aufregung und der Erleichterung. Mein Ältester hat seine blauen Kulleraugen weit geöffnet und schmatzt, er ist so neugierig und ruhig, dass ihn die Hebamme noch ein paar Mal in die Füße kneift, damit er ordentlich brüllt. Für 30 Sekunden verschwindet er in die Hände der Kinderärzte, weil er so ruhig ist. Doch es ist alles gut, der kleine Mann hat einfach keine Zeit zu brüllen, er muss gucken [das Brüllen wird er später noch oft genug nachholen].
Eine Minute nach seinem kleinen großen Bruder folgt mein Zweitgeborener – drei Kilo pure Entrüstung. Ihn muss niemand kneifen, er beschwert sich ausgiebig über die Störung und das Kappen der Versorgungsleitung – geschlemmt hat er im Bauch schon gerne. Und dann sind sie beide da, in meinem Arm, die ganze Zeit. Quäkend, schimpfend, schmatzend, kuschelnd und ich kann kaum fassen, wie fantastisch und fidel die Beiden sind: Zwei wunderschöne Jungs, die in meinem Bauch gewachsen sind. Wie konnte ich mich jemals sorgen, sie nicht toll genug zu finden?
„Eine Minute nach seinem kleinen großen Bruder folgt mein Zweitgeborener – drei Kilo pure Entrüstung.“

Dreieinhalb Jahre sind seitdem vergangen, ich weiß deutlich mehr und vor allem andere Dinge über das Mamaleben, als ich es jemals angenommen hätte. Mittlerweile ist es nicht mehr das Stillen, das mich wahnsinnig macht, sondern die handfesten Streitereien unter Brüdern und die kurze Zündschnur zweier Kinder in der Autonomiephase.
Doch bei aller Anstrengung, die das Mamaleben eben oft mit sich bringt: Mein Leben wäre so arm ohne diese beiden kleinen Menschen. Arm an Liebe, arm an Lebendigkeit und arm an Wachstum. Ich bin dankbar, dass sich das Leben diese Erfahrung für mich ausgedacht hat.“

Vielen Dank liebe Julia, dass Du deine Geschichte für uns aufgeschrieben hast!
Wer übrigens noch mehr von dieser Power-Frau wissen möchte, der sollte mal auf ihrem Blog „Doppelkinder“ oder ihrem Instagram-Profil vorbeischauen, denn Julia möchte gerne andere Mütter mit all ihrer Energie und Erfahrung unterstützen und bestärken. Julia veranstaltet auch gemeinsam mit anderen Speakern sogenannte „MOM to WOW„-Events und leitet einen Whats App Gruppe in Sachen Empowering. Auch ihr Podcast handelt davon. Also, viele Wege die liebe Julia zu erreichen, oder? Lasst euch gerne ein wenig inspirieren von ihr!