Wir hatten hier mal einen Artikel, der startete mit dem Satz: Kitasuche ist wie Krautsalat. Dass beides ganz schön Bauchschmerzen bereiten kann, das brauchen wir euch Eltern nicht erzählen. Wir erzählen euch lieber: Was zu empfehlende Vorgehensweisen bei der Bewerbung sind, wann die meisten Plätze vergeben werden, was tun, wenn sich das Kind in einer Einrichtung nicht wohl fühlt und was für Rechtsansprüche man hat bzw. welche Wege man gehen kann, sollte man nur Absagen bekommen – oder eine lange Zeit überbrücken müssen.

Weil wir nicht nur beruflich, sondern auch privat tagtäglich mitbekommen, wie sensibel und hochbrisant das Thema Kitaplatz ist, haben wir eine Expertin zu Rate gezogen. Sandra Runge ist nicht nur Rechtsexpertin und hat als zweifache Mama den Kita-Hussle selbst durch, nein, sie hat euch eine eigene Kita gegründet, den Coworking Toddler.

Liebe Sandra, du erlebst es selbst täglich: 60 Kinder stehen derzeit auf der Warteliste deiner Kita, Eltern kommen mit Kindern auf dem Arm zu dir ins Büro, bitten um Hilfe. Im Februar melden sich viele Kitas bei den Eltern zurück, weil dann feststeht, wie viele Kinder im kommenden Sommer in die Schule gehen, sprich wieviele Plätze regulär frei werden. Was rätst du Eltern, die bis jetzt noch nicht Bescheid bekommen haben?

Bis wann warten? Ab wann klagen? Oder besser Elternzeit verlängern, wenn kein Kitaplatz in Aussicht ist?

Zunächst musst du natürlich wissen, ob du einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz hast. Dieser besteht generell ab dem 1. Geburtstag des Kindes, eventuell aber auch schon vorher, wenn die Eltern berufstätig, in Ausbildung oder arbeitssuchend sind. Viele Eltern melden sich nur direkt bei den Wunschkitas an. Aber Achtung, der Rechtsanspruch muss auch beim Jugendamt geltend gemacht werden. Dort sollten Eltern daher immer parallel ihren Betreuungsbedarf anmelden. (Vorlage für Schreiben an das Jugendamt im Kasten links unten)Häufig lohnt es sich beim Kitaplatzmangel mit dem Jugendamt zu sprechen und nach einer Ersatzbetreuung, also Kostenerstattung (ausgelegte Kosten werden im Nachhinein erstattet) für einen privaten Babysitter oder eine private Tagesmutter zu fragen.
Wenn kein Kitaplatz in Aussicht ist, kannst du natürlich die Elternzeit verlängern. Das ist aber nicht immer so einfach, denn in gewissen Konstellationen muss der Arbeitgeber zustimmen, z.B. dann, wenn du nur ein Jahr Elternzeit nach der Geburt angemeldet hast. Außerdem musst du die Verlängerung schriftlich und mit einer 7 bzw. 14 Wochen Frist, je nach Alter des Kindes anmelden.

Anm.d.Red.:Achtung, wenn ihr als Angestellte 2 Jahre Elternzeit beantragt (aus Sicherheit, einen Kitaplatz zu finden) dann früher zurück kommt, dürft ihr nur maximal 30 Stunden/Woche arbeiten. Das ist dann auch entsprechend weniger Gehalt
Man kann dann beim Jugendamt anstreben, die Elternzeit zu kündigen. Das macht aber nur Sinn, wenn ihr das Geld schon im ersten Jahr komplett bekommen habt.
Mehr Infos zum Thema Elterngeld findet ihr übrigens hier.

Beantragung eines Kitaplatzes/
Geltendmachen des Rechtsanspruches auf einen Kitaplatz

Adresse des zuständiges Jugendamtes

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich für mein Kind (Vor- und Zuname),  geboren am (Datum), ab dem (Datum) eine Betreuung in einer Kindertagesstätte/in der Tagespflege. Die Betreuung soll möglichst in einer der folgenden Einrichtungen erfolgen.
Erstwunsch (Name der Einrichtung, Träger, Adresse)
Zweitwunsch (Name der Einrichtung, Träger, Adresse)
Drittwunsch (Name der Einrichtung, Träger, Adresse)
Die Betreuung soll halbtags/ganztags in der zeit von (Uhrzeit( bis (Uhrzeit) erfolgen. Bitte informieren Sie mich schriftlich über die Entscheidung.
Für den Fall, dass ich ab dem (Datum) keinen Betreuungsplatz erhalte, teile ich bereits jetzt mit, dass ich mir die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorbehalte.

Mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift)
Adresse und weitere Kontaktdaten

Diese und weitere Vorlagen findet ihr in Sandras Buch „Don’t worry, be Mami“

Wann haben Eltern Anspruch auf Schadenersatz?

Eltern haben Anspruch auf Schadenersatz, wenn die Kommune schuldhaft oder grobfahrlässig keinen Kita-Platz zur Verfügung stellt. In manchen Bundesländern. Erziehermangel wird der Kommune zum Beispiel nicht als Schuld angerechnet. Entlastend für eine Kommune ist es auch, wenn sie nachweisen kann, dass ihre Planung von Kita-Plätzen durch stärkeren Zuzug oder eine höhere Geburtenrate als prognostiziert, überholt worden oder ein Bauträger, der eine Kita bauen sollte, pleite gegangen ist. Wenn aber finanzielle Probleme einer Kommune dazu führen, dass es nicht genug Kita-Plätze gibt, dann gilt das sehr wohl als schuldhaftes Versagen der betreffenden Kommune, folglich haben Eltern dann einen Anspruch auf Schadenersatz.

Anm.d.Red I.: In Brandenburg, gibt es – anders als in Berlin – ein verschuldensunabhängiges Staatshaftungsrecht. Das bedeutet, ein Verschulden der Kommune muss gerade nicht nachgewiesen werden. Das erhöht die Prozesschancen ungemein. Dies für alle zur Info, die vor etwaigen Hürden einer Klage zurückschrecken.

Anm.d.Red II.: Schadenersatz kann sich hinziehen wie Kaugummi. In der Zwischenzeit versucht ihr natürlich, euer Kind weiterhin in Kitas unterzubringen oder müsst mit privater Unterstützung überbrücken (Verwandte/Freunde/Babysitter/Coworking Spaces wie JuggleHUB oder LeBox BerlinEltern helfen Eltern z.B. nach rotierendem Prinzip: 5 Eltern 5 Kinder).

Thema Alleinerziehende: Man muss sich und die Kinder mit einem Job finanzieren. Wie wird sichergestellt, dass Alleinerziehende in jedem Fall einen Platz für ihren Nachwuchs finden?

Alleinerziehende werden bei der Platzvergabe häufig bevorzugt. Bei der Bedarfsmitteilung und Geltendmachung des Rechtsanspruchs ist es auf jeden Fall wichtig auf die besondere Lebenssituation/Dringlichkeit hinzuweisen und Druck zu machen. Wenn dennoch kein Platz zugewiesen wird, bleibt leider nur die Geltendmachung der Ersatzbetreuung bzw. der Klageweg.

Thema Geschwisterbonus: Gilt die Geschwisterbevorzugung wirklich? Und wenn nicht, was tut man dann? Kann man sich als Geschwisterkind in die Kita einklagen?

Es gibt vereinzelt Gemeinden, die in ihren Satzungen Vergabekriterien regeln (z.B. einen Vorrang für Alleinerziehende oder Geschwisterkinder, da lohnt es sich auf jeden Fall mal näher nachzufragen. Generell kann man sich aber nicht auf eine Geschwisterregelung verlassen, da die Kitas selbst entscheiden dürfen, welches Vergabekriterien aufgestellt werden und welche Kinder aufgenommen werden. Auch ein Einklagen in eine bestimmte Kita geht nicht, da der Anspruch immer gegenüber dem Jugendamt geltend gemacht werden muss. Als Geschwisterkind gibt es keine besonderen Klagerechte, den Rechtsanspruch muss man daher unter den gleichen Voraussetzungen wie jedes andere Kind geltend machen.

Ganz allgemein: wann werden die Kitaplätze i.d.R. vergeben? Sind Eigeninitiativen in Form von Vereinen eine echte Lösung und worauf sollten Eltern dann eingestellt sein? Wie können schnell qualifizierte Erzieher gefunden werden?

Eine Kita weiß erst definitiv im Frühjahr (auch das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich), wie viele Kinder eingeschult bzw. zurückgestellt werden und die Kita verlassen. Dabei sind nicht alle Kitas an die gleichen „Deadlines“ gebunden, manche geben die freien Plätze schon früher den Eltern bekannt als andere. Wenn man erst mal leer ausgeht, ist es natürlich wichtig, eine Ersatzbetreuung geltend zu machen, bzw. den Rechtsanspruch weiter zu verfolgen (s.o.). Gleichzeitig sind natürlich Eltern-Eigeninitiativen sinnvoll. Wenn es nur übergangsweise ist, muss man dafür keinen Verein gründen. Und mittlerweile gibt es sogar auch Services, sogenannte Kita-Hunter, die man sich wie Makler vorstellen muss. Sie erledigen den ganzen Papierkram und die Suche und werden natürlich auch dafür bezahlt. Um die 500 Euro bei erfolgreicher Vermittlung, ist mir zu Ohren gekommen. Ob das tatsächlich etwas bringt und ob das so gut bei den Kitas ankommt, ist natürlich eine andere Frage…
P.S. Falls man plant, selbst eine Kita zu eröffnen, ist das eher eine Lösung für das zukünftige Geschwisterchen – die behördlichen Hürden sind sehr hoch –  für eine Gründung sollte man mindestens 1-2 Jahre Zeit einplanen.

Angenommen man hat einen Platz ab August in Aussicht, die Elternzeit endet aber beispielsweise schon im Mai, wie kann man die Überbrückungszeit finanzieren? Arbeitslosengeld?

In diesem Fall kann man eine Ersatzbetreuung auch übergangsweise geltend machen, z.B. dann, wenn zwischen Elternzeit und Kitaplatz eine Betreuungslücke besteht. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht allerdings nur dann, wenn man eine Betreuungsmöglichkeit hat, denn ohne Betreuungsmöglichkeit steht man dem Arbeitsmarkt ja nicht zur Verfügung. Und nur wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, aber nichts findet, erhält Arbeitslosengeld. Da beißt sich leider die Katze in den Schwanz. 

Und zu guter Letzt: Man hat einen Platz hat und das Kind fühlt sich nicht wohl? Wann und wie wechseln? Kann man sich selber jemanden suchen mit dem man tauscht?

Wenn man sich in der Kita nicht wohl fühlt, oder die Eingewöhnung nicht funktioniert, kann man den Betreuungsvertrag kündigen. Das geht meistens relativ kurzfristig. In Berlin gilt z.B. eine Kündigungsfrist von einem Monat, in besonders schweren Fällen kann man auch außerordentlich kündigen. Diesen Schritt sollte man sich aber gut überlegen, denn ein Ersatzplatz ist natürlich schwer zu bekommen. Idealerweise sollte man erst dann kündigen, wenn man schon einen neuen Kitaplatz haben. Einen Tausch kann man nicht eigenmächtig festlegen, dazu müssen beide Kitas zustimmen. Manchmal hilft vielleicht auch ein Gruppen- oder Bezugserzieher-Wechsel, damit sich das Kind wohl fühlt.

Übrigens, für den Fall dass eine Kita die Kündigung des alten Platzes in der Bewerbung haben möchte, was riskant ist, wenn der neue Platz nicht klappt und der alte gekündigt ist: Eine rechtliche Pflicht zur Vorlage der Kündigung gibt es nicht!

P.S. Bitte beachtet. Kinderbetreuung ist Ländersache. Da bestimmte Dinge von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sein können, sind viele Antworten so allgemein wie möglich gehalten. In Berlin beispielsweise gibt es den Kita-Gutschein und die Betreuungskosten entfallen ab August 2018 – hier erfahrt ihr, wie sie davor gestaffelt sind – dies ist in anderen Bundesländern nicht der Fall.

Liebe Sandra, vielen Dank, dass du dir bei all deinen Projekten (Juristerei, Smart-mama.de, deinem Buch und dem Coworking Toddler) Zeit für dieses wichtige Thema genommen hast!

Zum Weiterlesen:
Unsere gesammelten Tipps und Erfahrungen bei der Bewerbung um einen Kitaplatz
So liefen die Eingewöhnungen von Helene, Izzy und Philo.

Fotocredits: Katja Harbi, Coworking Toddler und Privat