Alltag einer Mutter
24 Stunden Achterbahn
Wir sprechen derzeit untereinander viel über Glück. Wann hat man es (gefunden), wann braucht man wie viel davon und wie geht man damit um, wenn es einem vermeintlich gerade nicht über den Weg läuft? Das hat mit der Ausgabe unseres MUMMY MAG Paper V zu tun, an der wir gerade arbeiten, aber auch mit unseren ganz persönlichen Fortuna-Begegnungen. Fest steht: Neben all den Anstrengungen erlebt jede von uns erlebt täglich Glück – in kindgerechten Dusel-Dosen…
6:56 Uhr
Der Kopf einer Puppe hämmert auf mich ein: “Mama Hunger”, sagt die Puppe. Halt, nein, es ist die Stimme des kleinen Menschen, der verlängerte Arm des Plastikkörpers. Ich blinzele am Wecker vorbei, schäle mich aus dem Bett, krieche in eine Jogginghose und trete den Weg in die Küche an, wo der Mini-Mensch mich schon vor dem Kühlschrank erwartet. “Ei?”, fragt er. Ich antworte: “Brei”, während ich den Topf von den angetrockneten Resten des Vorabends befreie. Der Mini-Mensch macht sich unterdessen am Kühlschrank zu schaffen. Er weiß, was jetzt kommt, und möchte mir die Milch reichen. Das ist lieb gemeint, das Ergebnis ernüchternd: Orangensaft zeichnet eine Fratze auf dem Küchenboden. Ich verfrachte den Mini-Mensch wider Willen in seinen Kinderstuhl und serviere ihm Joghurt. Während er sich beschwert, klebe ich mit einem Putzlappen im Saft am Küchenboden fest. Saft- und Milchpacks sehen sich aber auch verdammt ähnlich.
Es ist 7:28 Uhr
…das erste Chaos des Tages bereits perfekt. Ich habe weder Zähne geputzt, noch geduscht oder überhaupt einen Blick in den Spiegel geworfen. Ist wahrscheinlich auch besser so. Während der Mann frisch gestriegelt aus dem Bad einläuft, liege ich zerknittert am Boden.
8:25 Uhr
Das Kind steckt in relativ sauberen Klamotten, wir sind auf dem Weg zur Kita. Wieder mal ein knappes Höschen. Unser Ritual: Müll rausbringen. Verantwortung für den eigenen Mist und den anderer tragen. Damit bekomme ich den Mini-Mensch, dem plötzlich noch ganz viele Sachen einfallen, immer aus dem Haus. Während er die Mülltüte zieht, kümmere ich mich schnell um meine Frisur, indem ich sie unter einen riesigen Wollmütze verstecke.
9:03 Uhr
Das erste Meeting habe ich um 10 Uhr. Während mein zweiter Kaffee durchläuft, sortiere ich meine Gedanken, die unteren Schubladen und die Wäscheberge der letzten 24 Stunden. Der Breitopf bleibt wiedermal auf der Strecke.
10:00 – 15:30 Uhr
“Mama am Puter“
15:53 Uhr
Auf den letzten Drücker sprinte ich mit Buggy und Beuteln zur Kita. Mein neuer Sport. Belohnt wird diese Aktion durch mein persönliches Hoch des Tages: Ich beobachte den Mini-Mensch beim Spielen. Nur ein paar Sekunden lang, denn er bemerkt mich jedesmal blitzschnell, lässt alles stehen und liegen und kommt Honigkuchenpferdstrahlend auf mich zugerannt.
16:15 Uhr
Ich locke das völlig verschmadderte, aber glückliche Kind mit Hilfe einer Brezel in den Buggy, den ich kurz darauf in einem Spießroutenlauf durch den Supermarkt bugsiere.
17:00 Uhr
Wir kommen mit den Einkäufen bepackt an einem Spielplatz vorbei. Das A für „Anarchie“ prangt an der Beton-Wand. Der Mini-Mensch windet sich aus seinem fahrbaren Untersatz. Er will rutschen, die größte Röhre soll es sein. Ich lasse es gewähren, stelle die Tüten ab und schaue glückserfüllt zu, wie mein Baby die steile Sprossenwand erklimmt. Oben angekommen setzt es sich stolz auf die Rutsche, zählt bis drei, trommelt mit den Beinen und … rutscht nicht! Alles Zureden hilft nicht. Ich stehe unten mit offenen Armen. Die Rutsche ist zu hoch, als dass ich die kleine Person an den Beinen fassen könnte. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sich niemand über unseren Buggy und die Einkäufe hermacht, während ich mich die Sprossenwand hinaufhiefe. (Neuer Sport Teil II)
17:03 Uhr
Ich bin schweißnass, aber heil oben angekommen. Hinter dem Kind hat sich mittlerweile eine kleine Schlange gebildet. Ich drängele mich vor, oohoooo, und klemme mich auf die Rutsche hinter das grinsende Kind.
17:45 Uhr
Wir sind zu Hause. Das Kind hilft mir netterweise dabei, die Einkäufe auszuladen. Das heißt, es trägt sie in seine Mini-Küche und öffnet alle Verpackungen. Vom Daddy noch keine Spur. Dafür eine vom Joghurt.
18:05 Uhr
Ich setze mich samt Mini-Mensch in die Badewanne. Haare waschen ist ein großer Spaß – für Niemanden. Ich wische nur ganz vorsichtig mit dem feuchten Lappen über das butterweiche Haupthaar und das Kind fängt sofort an zu schreien, als gäbe es kein Morgen. Doch, das gibt es. Morgen probiere ich es einfach nochmal. Als würde er es ahnen, hinterlässt mit Mini-Mensch stolz noch seinen Senf am Wannenrand.
18:15 Uhr
Der Daddy blinzelt um die Ecke. Alle freuen sich. Das Kind darf sofort aus der Wanne, ich tauche erstmal ein paar Sekunden ab.
18:40 Uhr
Das Abendbrot hat Haare, wenn auch keine frisch gewaschenen. Also disponieren wir um. Der Daddy kredenzt Schlabbernudeln (besonders schlabbrig, weich gekochte Dinger). Die Leibspeise fast aller Anwesenden. Das Kind verschlingt zwei Portionen, während es das Gemüse mit größter Sorgfalt aussortiert. Keine Ahnung, woher dieses Talent zum Multitasking kommt. Ich lausche Daddys Erlebnissen, während ich versuche, das Kind am Gemüse-Weitwurf zu hindern. Wir bieten noch eine dritte Portion an, in der Hoffnung, das Kind wird dann durchschlafen: bis 6:46.
19:00 Uhr
Nach dem Abendessen wird mit Daddy kurz nochmal hochgejazzt. Viel Architektonisch-Athletisches wie Traum-Häuschen und Türme bauen, Kind-Hoch- oder Weitwurf.
19:30 Uhr
Bei seiner Abendtoilette erhält das Kind Gelegenheit, runterzufahren…
20:26 Uhr
Während ein Elternteil beim Kind eingeschlafen ist, darf der andere…
21:15 Uhr
Eine ganz besondere Zeit: die geräuschreduzierte Nachtschicht. Am besten beim Tippen nicht dran denken, was man ohne Kinder um diese Zeit gemacht hat. Glücklich ist, wer trotzdem lacht…
6 Comments
-
VM
Oh wie wunderbar geschrieben 🙂 Und jaaaa! Auch bei uns ist es so! 😉
Das selbst gebastelte Klohäuschen muss ich dir aber abgucken, liebe Janine!!
Maren
Welch ein Glück, ich bin nicht allein in dem Ganzen Wahnsinn! Vielen Dank das du mir mit diesem Tagesresume noch einen Grinsen aufs Gesicht gezaubert hast 🙂 Natürlich erst nach dem ich die Bude wieder in die Ursprungsform versetzt habe.