
Morgens nach dem Aufwachen den Wetterbericht auf dem Handy gucken? Checken, was Instagram für News ausspuckt? Kurz die ersten Mails aussortieren? Dann erst aufstehen? Machen inzwischen viele so, denn wo lädt das Handy denn außerhalb des Schlafzimmers. „Ich brauche ja einen Wecker.“
Damit ist es aber längst nicht getan, denn das Mobiltelefon ist bei uns Erwachsenen einfach immer präsent. Manchmal erwische ich mich selbst dabei, dass ich mich frage, wie mein Kind es eigentlich finden muss, dass ich sie ständig mit dem Handy fotografiere (und nebenbei ja auch mit der „richtigen“ Kamera) und wir das Ding eigentlich meist wie ein festgewachsenes Teil am Handgelenk haben, als das es eben ein technisches Gimmick ist, ohne das wir auch gut klarkommen könnten.

Wer abends mit Freunden unterwegs ist, kennt es vielleicht: wir unterhalten uns über ein Thema und uns fällt nicht ein, wie der Film, der Schauspieler, die Politikerin oder die Straße hieß. Mensch, gucken wir doch schnell nach. Und zack, nimmt eine/r sein Telefon in die Hand, gilt das meistens für alle anderen als Freigabe, auch schnell zu checken, was so los ist.
Oder der eine geht aufs Klo, auch ein Grund, sich auf keinen Fall zwei Minuten zu langweilen, lieber schnell wieder auf den leuchtenden Bildschirm gucken.
Oder schlicht: Second Screen. Vielleicht kennt ihr das Meme, dass es auf Netflix ne Serienkategorie geben sollte, die da heißt: Lässt sich gut gucken, während man aufs Handy glotzt.
Und jetzt meine Frage
Wenn wir selbst als Erwachsene nicht in der Lage sind, mal ein, zwei Stunden ohne Mobiltelefon auszukommen, wie sollen wir unseren Kindern einen gesunden Umgang damit beibringen.

Das sind nur die anderen
Führe ich Gespräche mit Freunden und Freundinnen, ist natürlich keiner davon abhängig. Der eine sagt, meine Nutzungszeit wäre viel höher als seine, die andere sagt, sie hätte feste Zeiten und dann das Telefon abgestellt (wenn es an ist, blinkt es und wird tatsächlich ständig in die Hand genommen, sogar während des Essens….).

Es reicht oftmals schon, kleine Stellschrauben zu drehen, also Skills anzuwenden, um „trocken“ zu werden. Dann heißt es allerdings auch: dranbleiben. Ich befinde mich gerade wieder in so einer Phase, in der ich merke: das ist zu viel. Die Sucht haut voll rein (es ist ein Kartenspiel).
Ich schätze, erst wenn wir selbst davon wegkommen, sind wir auch in der Lage, unseren Kindern einen artgerechten Umgang mit dem Teil anzubieten und beizubringen, denn wer selbst weniger am Telefon Zeit verbringt, hat mehr Kopf für anderes.

Boot Camp vs. Selbstlernchallenge
Seit 2016 bieten Maike Engel und Sandra Dorschner ihr „Camp Breakout“ an, eine Art Ferienlager für Erwachsene, das helfen soll, aus dem digitalen Alltag auszubrechen und natürlich auch ein paar Skills mit nach Hause zu nehmen. Ist natürlich ne Preisfrage – bietet sich aber z.B. an, wenn ihr in einem Unternehmen arbeitet.
Günstiger ist da das oben genannte Buch. Erstmal werden Grundsteine gelegt, die erklären, was und warum wir eigentlich süchtig sind und in dem ihr euch auch einiges selbst aneignen könnt, um dagegen zu steuern. Auch eine 28-Tage-Challenge durchlauft und am Ende durchaus gestärkt rauskommt, wenn ihr dranbleibt.
Ein paar schnelle Tipps
Wir müssen nicht immer und überall erreichbar sein. Lasst das Telefon bei einem Date einfach mal in der Tasche – am besten auf lautlos und ohne Vibration oder Ton (auch nicht auf der Smartwatch).
Dein Gesprächspartner:in geht aufs Klo? Dann guck dich lieber mal um, anstatt das Telefon in die Hand zu nehmen. So heißer Shit wird schon nicht passiert sein.
Push-Benachrichtigungen ausstellen: die Punkte, die neue Mails oder Nachrichten anzeigen, lassen sich abstellen. So müsst ihr aktiv nachgucken, ob eine Whatsapp gekommen ist. Und tut es automatisch weniger. Zu viel des Guten? Ihr könnt auch erstmal damit anfangen, dass ihr die Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm abstellt. Dann blinkt es nicht und lenkt weniger ab.
Der nächste Schritt: Smartphone freie Orte/Zeiten einrichten und Second Screen vermeiden. Zum Beispiel ohne Smartphone ins Bett, laden kann es ja auch woanders. Smartphones stören den Schlaf nachweislich, also raus damit. Es gibt auch noch echte Wecker.
Oder das Telefon zu einer bestimmten Uhrzeit oder nach einer bestimmten Nutzungsdauer sperren lassen.
Finally haben meine Tipps nicht den Hintergedanken euch vor Augen zu führen, dass wir alle böse Erwachsene sind, die zu viel am Smartphone rumhängen – das wissen wir alleine. Ich hatte in diesen zwei Wochen ohne Netz aber tatsächlich anfangs richtige Entzugserscheinungen, weil mir gar nicht klar war, wie sehr ich an meinem Gerät und dem Internet hänge. Und mein Kind mir da auch schon sehr nacheifert. Und klar: es ist so leicht, sitzt sie vor einem Gerät, ist sie abgelenkt und ich kann mal kurz entspannen. Aber entspanne ich mich wirklich, wenn ich parallel auf mein Telefon glotze?
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